An der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm wurde mit dem Bau des 5,9 Kilometer langen Albabstiegstunnels begonnen. Patin der Röhre ist Gerlinde Kretschmann. Die Rohbauarbeiten sollen bis 2017 dauern.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Dornstadt - Gerlinde Kretschmann war das schlechte Gewissen anzuhören. Die Güte einer Patin – die sie regional korrekt als Gode bezeichnete – bemesse sich nicht zuletzt an den von ihr mitgebrachten Geschenken. Doch zur Tunneltaufe an der Neubaustrecke bei Dornstadt (Alb-Donau-Kreis) war die Gattin des Ministerpräsidenten mit leeren Händen angereist, um das Patenamt zu übernehmen. „Aber es ist doch klar, dass ich am Barbara-Tag wieder hier bin – und dann wird feste gefeiert“, sagte sie mit Blick auf den Gedenktag der Schutzheiligen der Mineure am 4. Dezember. Sprach’s, platzierte eine Figur der Heiligen am Portal zwischen den beiden Röhren des Albabstiegstunnels und schritt zur Tat. Auf dem Schoß des Baggerführers Marek Hrynowiecki platziert, kratzte die Landesmutter Teile der Spritzbetonschicht ab, die zuvor in der Röhre in Fahrtrichtung Stuttgart angebracht worden war. Damit begannen offiziell die Arbeiten am Albabstiegstunnel, in dem die Gleise der Neubaustrecke von der Albhochfläche zum 95 Höhenmeter tiefer liegenden Ulmer Hauptbahnhof führen. Für die dortige Verknüpfung mit dem bestehenden Netz fehlt der Bahn noch die Baugenehmigung .

 

Projektpartner beschwören Kooperationswillen

Davon wollte sich die illustre Gesellschaft in der Baugrube unterhalb der Rommel-Kaserne aber nicht die Laune verderben lassen. Vielmehr betonten nahezu alle Redner, dass sich die Projektpartner mittlerweile gut zusammengerauft hätten und ein gemeinsames Ziel verfolgten: die Neubaustrecke im Zeit- und Kostenrahmen fertigzustellen. Zumindest bei Letzterem scheint das Projekt auf einem guten Weg zu sein. „Sechseinhalb Jahre vor der Inbetriebnahme sind wir rund zehn Prozent unter den veranschlagten Kosten“, sagte Volker Kefer, Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn. Von einer frühzeitigen Fertigstellung war allerdings keine Rede mehr. Entsprechende Überlegungen hatten im Frühjahr die Runde gemacht.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) lobte die bisher geleistete Arbeit und erinnerte an den eher symbolischen Spatenstich vor gut zwei Jahren. „Damals konnte man sich nicht vorstellen, was sich bis heute alles getan hat“, sagte er mit Blick auf den immer deutlicher werdenden Trassenverlauf auf der Alb. Er hoffe, dass sich dieser Fortschritt auch auf andere Teile des Projekts übertrage. Sorgen bereiten dem Minister derweil die Finanzen. Es sei alles andere als selbstverständlich, dass sich das Land mit fast einer Milliarde Euro an dem Bau beteilige, der eigentlich Bundesaufgabe sei. Und das Landesgeld reiche nicht ewig. „Der Bund muss langsam anfangen, sein Geld zusammenzukratzen.“ Berlin glänzte durch Abwesenheit, was bei Hermann Befremden auslöste. Einem Vertreter des Bundesverkehrsministeriums hätte er gern mit auf den Weg gegeben, dass die neue Infrastruktur nur sinnvoll sei, wenn die Fahrzeitvorteile auch auf Regionalverbindungen weitergegeben werden. Stichwort Elektrifizierung der Südbahn von Ulm nach Friedrichshafen: Für die müssten Land, Bund und Bahn bis Jahresende eine Finanzierungsvereinbarung unterschrieben haben. Was einen möglichen Regionalhalt an der Neubaustrecke bei Merklingen angeht, prüft das Ministerium derzeit erste Untersuchungsergebnisse. Die Kosten für einen solchen Stopp bewegen sich laut Hermann zwischen 10 und 20 Millionen Euro. Sowohl die Finanzierung wie auch die Frage, wie ein zusätzlicher Halt ins enge Fahrplangeflecht passt, müssten noch geklärt werden.

Gerhard Heimerl blickt zufrieden auf die Baustelle

Überlegungen, die einen stillen Beobachter der Tunnelanschlagsfeier nicht bewegten: Gerhard Heimerl, Verkehrswissenschaftler im Ruhestand und geistiger Vater der Strecke. „Es ist ein gutes Gefühl, auf der Baustelle zu sein“, sagte er. Nur: So weit hätte man auch schon vor 15 Jahren sein können, monierte Heimerl.