Eine Flasche für den neuen Tunnel: Auf der Schwäbischen Alb bei Hohenstadt ist am Freitag mit einem symbolischen Akt der Bau des Steinbühltunnels für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm begonnen worden.

Stuttgart - Der blaue Himmel auf der Alb spannt sich über schneeweiße Festzelte, gelbe Baufahrzeuge, schwarze Anzüge und ein grünes Bohnenfeld, in das einer der Landwirte aus der Umgebung seinen Traktor gefahren hat, um die Festtagsstimmung etwas zu trüben. Vom Tunnelbau zu Hohenstadt offenbar wenig angetan, hat er seine Klage auf ein großes Plakat geschrieben und an sein Dieselross gehängt. „20 Prozent Flächenverlust“, steht darauf: „Existenzgrundlage zerstört – gerechte Entschädigung nicht vorgesehen.“

 

Davon abgesehen gibt es an diesem Vormittag nur wenige Misstöne, die geeignet wären, den angereisten Ministern, Bahnmanagern und Bauunternehmern die sichtlich gute Laune zu verderben. Das gelingt auch dem Häuflein von Projektgegnern droben auf dem Aushubhügel schon deshalb nicht, weil die geladene Festgesellschaft unten an ihnen vorbei und hinein in den Berg marschiert, gleich einem Prozessionszug, fast zweihundert Meter tief. Am vorläufigen Tunnelende angekommen wird es feierlich. „Ab heute heißt es: Auf geht’s“, ruft Bahnchef Rüdiger Grube, „wir leiten hiermit eine neue Ära im Schienenverkehr ein.“

Bahn rechnet mit 30 bis 40 Prozent mehr Passagiere

Der Albaufstieg zwischen Aichelberg und Hohenstadt, von 271 auf 746 Meter, gilt bei der Bahn als das „ingenieurtechnische Herzstück“ der 60 Kilometer langen Neubaustrecke. Allein für den Steinbühltunnel, dessen symbolischer Anschlag am Freitagvormittag gefeiert wurde, müssen vier Millionen Tonnen Gestein aus dem Berg geholt werden. Anders als die kurvenreichen Straßen führe die Zugstrecke zwischen Stuttgart und Ulm dafür künftig auf direktem Weg durch den Berg, was die Fahrtzeit auf knapp 30 Minuten halbiere, sagt Grube. Mit 30 bis 40 Prozent mehr Bahnreisenden rechnet Grube durch die schnelleren Verbindungen im Fern- und Regionalverkehr. „75 Prozent der Baden-Württemberger werden von der neuen Strecke profitieren.“

Von einem „spektakulären Meilenstein“ und einem der „ganz großen Projekte im Land“ spricht auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), der zusammen mit seine Frau Susanne Punkt neun im knatternden Bundeswehrhubschrauber zur Tunnelfeier eingeflogen wird. Bevor diese als irdische Vertreterin der Heiligen Barbara den Mineuren „Glück und Gottes Segen für die schwierige Aufgabe“ wünschen kann, überbringt ihr Mann noch Geburtstagsgrüße der Kanzlerin Angela Merkel – garniert mit einem genüsslichen Begleitwort an das Geburtstagskind: „Sie haben sich sicher nichts sehnlicher als Geschenk gewünscht, als einen Tunnelanschlag bei einem Ihrer Lieblingsprojekte“

Minister Hermann begeht den Geburtstag im Tunnel

Gerichtet sind die Wünsche an den grünen Landes-Verkehrsminister Winfried Hermann, der die Gratulationen zu seinem 61. Geburtstag mit Humor entgegennimmt und die ministerialen Sticheleien aus Berlin auf gut schwäbisch pariert. „Des wär net netig gwä.“ Die Stimmung im Tunnel ist allseits gelöst. Ohnehin sind sich die Politiker von Bund, Land und den Kommunen, gleich welcher Couleur, bei der Neubaustrecke weitgehend einig, was die Sinnhaftigkeit und den Nutzen der knapp 60 Kilometer langen Strecke zwischen Wendlingen und Ulm betrifft. „Auch wir wollen die Neubaustrecke – und das so zügig wie möglich“, betont Hermann. Schließlich sei das einer der Gründe dafür gewesen, dass sich das Land mit 950 Millionen Euro am Bau beteiligt. Er hoffe, so Hermann in Richtung Bund, „dass die Strecke durchfinanziert wird, wenn die Landesmittel verbraucht sind“. Es dürfe nicht wie bei anderen Großprojekten zu einer Hängepartie kommen. „Wir wollen, dass die Strecke rechtzeitig fertig wird – bei aller technischer Herausforderung.“

Das karsthaltige Gestein der Alb gilt unter Bergleuten als schwierig, wovon auch die Tunnelpatin ein Lied singen kann: Erst beim vierten Versuch gelingt nach der ökumenischen Segnung die Tunneltaufe mit einer Flasche fruchtigem Bio-Bizzler. „Glückauf!“ Alkoholisches wird aus Aberglauben nur draußen gereicht, unter blauem Himmel, der sich über weiße Festzelte spannt.