Die SSB bohrt vom Hauptbahnhof Richtung Norden Röhren für die Stadtbahnlinie U 12. Der Bau ist Folge von Stuttgart 21. Den Anwohnern droht ein unruhiges Jahr.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte/S-Nord - Die Hauseigentümer haben bereits Post von der Stuttgarter Straßenbahnen AG bekommen. Deren Mieter will das Unternehmen in naher Zukunft informieren. Die Botschaft der Straßenbahner ist für alle Betroffenen unangenehm: Im Sommer beginnt der lange umstrittene und längst angekündigte Bau zweier neuer Tunnelröhren für die Stadtbahn U 12 zwischen Hauptbahnhof und der Bibliothek am Mailänder Platz.

 

Demnach steht den Anwohnern ein unruhiges Jahr bevor, denn die unterirdischen Arbeiten „sind durchaus zu spüren, als Vibrationen oder Erschütterungen, vielleicht auch zu hören. Sie können sich das vorstellen wie eine Schlagbohrmaschine – nur eben deutlich größer“, sagte Christian Buch vom Tiefbauamt am Montag in der Sitzung des Bezirksbeirats Nord.

Gearbeitet wird sieben Tag die Woche rund um die Uhr

Gearbeitet wird an allen sieben Wochentagen rund um die Uhr. Rund fünf Meter Tunnel sollen täglich aus dem Erdreich geschlagen werden. Die SSB will ein Beschwerdetelefon einrichten – das allerdings eher symbolischen Wert hat. Wegen Klagen über Ruhestörung oder Erschütterungen werden die Arbeiten nicht unterbrochen. Aber immerhin wissen die Anrufer, „ob gerade am Tunnel gebaut wird oder ob ein Erdbeben ist“. So drückte es die Bezirksvorsteherin Andrea Krueger aus.

Dass die beiden Tunnelröhren für die Stadtbahn verlegt werden müssen, ist eine direkte Folge von Stuttgart 21. Sie sind schlicht dem neuen Tiefbahnhof im Weg. Dessen Fundament wird unmittelbar über den neuen Röhren in die Erde eingelassen. Nicht nur wegen des Zoffs ums Großprojekt hat sich der Baubeginn entgegen der ursprünglichen Pläne um ein Jahr verzögert. Bahn und SSB hatten jahrelang wegen der Kosten und Risiken hinter verschlossenen Türen gestritten. Am Ende wurde ein 50 Seiten umfassender Vertrag unterschrieben. Von dem wurde nicht wesentlich mehr bekannt, als dass die Bahn zahlt und das Straßenbahnunternehmen baut. Den Tunnelvortrieb „für die Stadtbahn können wir nicht der Bahn überlassen, das ist unser Metier“, sagt der verantwortliche SSB-Ingenieur Winfried Reichle, „wir wollen die Qualität, die die Stuttgarter von uns gewohnt sind“.

Unter der Bibliothek sind die Röhren bereits verlegt wurden. Richtung Nordbahnhof schwenken sie entlang der Heilbronner Straße in Richtung Pragfriedhof und enden an der Rosensteinstraße im Nordbahnhofviertel. Für die weitere Strecke wird die bestehende Trasse benutzt. Um die Tunnel zwischen Nord- und Hauptbahnhof voranzutreiben, müssen drei Baugruben ausgehoben werden. Die auffälligste wird die an der Heilbronner Straße sein, etwa auf Höhe der Türlenstraße.

Der Bau ist schwierig, weil Teile der bestehenden Tunnel an die neuen Betonröhren angeschlossen werden, ohne dass der Stadtbahnbetrieb unterbrochen werden soll. Allerdings müssen Fahrgäste weitere Wege gehen als gewohnt. Zeitweise werden Zugänge zu der Haltestelle Arnulf-Klett-Platz nicht benutzbar sein. In Teilen der Bauzeit wird außerdem die Heilbronner Straße verengt.

Der Stadtbahnbetrieb soll nicht unterbrochen werden

Für die Hausbesitzer entlang der Strecke beginnen die Arbeiten mit einer erfreulichen und einer unerfreulichen Nachricht. Weil die Tunnel unter ihren Grundstücken hindurch gebaut werden, haben sie ein Recht auf Entschädigung. Die hängt von der Bautiefe ab, ist aber in keinem Fall „so hoch, dass es ein Grund wäre, den Vorruhestand anzumelden“, sagt Ulrich Wecker, der Geschäftsführer des Vereins Haus und Grund. Die unerfreuliche Nachricht ist, dass Risse oder andere Schäden an Häusern zumindest nicht ausgeschlossen sind. „Bewegungen im Untergrund und Senkungen an der Oberfläche sind bei einem Tunnelvortrieb nicht zu vermeiden“, sagt Buch. Den Zustand der Häuser vor und nach dem Bau beurteilen Gutachter im Auftrag der SSB. Laut Buch sind „keine oder sehr geringe Schäden“ zu erwarten.

Wer sicher gehen will, dem empfiehlt Wecker, einen eigenen Sachverständigen zu beauftragen. Erfahrungsgemäß sind Rechtsstreitigkeiten aber die Ausnahme. Gleich ob in den 90er Jahren in Sillenbuch oder zuletzt bei der Tieferlegung der U 15 in Zuffenhausen „lief die Bauabwicklung nicht reibungslos, aber im Großen und Ganzen ordentlich“, sagt Wecker und schließt daraus, „dass die SSB im Vergleich zur Bahn den Lernprozess hinter sich hat“.

Nach der Inbetriebnahme sind keine Beschwerden zu erwarten. Geräusche und Erschütterungen des Bahnbetriebs werden mittels Schutzmatten oder Federsystemen unter den Gleisen gedämmt.