Zweimal im Jahr begrüßt der Bürgermeister einige Dutzend der Menschen, die neu in der Stadt angekommen sind. Ihre Motive zum Umzug nach Gerlingen unterschiedlich, meist ist es die Arbeitsstelle.

Gerlingen - Gerlingen ist autark, wir sind Gott sei Dank kein Stadtteil von Stuttgart und können unsere Stadtplanung selbst bestimmen.“ Man merkt Georg Brenner an, dass er diese Worte ernst meint. Er sagt sie bei einem Treffen, zu dem die Stadtverwaltung einige Dutzend Menschen eingeladen hat, die erst seit einigen Wochen oder Monaten in der Stadt leben.

 

Solche Abende veranstaltet die Verwaltung zwei Mal im Jahr; die Eingeladenen nutzen diese Gelegenheit im Stadtmuseum gerne, um etwas über ihre neue Heimat zu erfahren und um mit anderen in Kontakt zu kommen. Brenner kommt bei seinem Referat weit herum: von der Steinzeit bis in die Gegenwart, vom Arbeitsort Gerlingen mit den 500 Firmen bis zur Stadt der Vereine, von den Partnerstädten zur Patenschaft für die Ungarndeutschen, von aktuellen Bauprojekten über die Nachverdichtung bis zur weiteren Stadtentwicklung, von der Kinderbetreuung bis zum Schulleben. Über allem stehe das Leitmotiv, dass man eine Kommune sein wolle, in der nicht die Anonymität einer Großstadt herrsche, in der es eine örtliche Gemeinschaft gebe, in der „man die Leut’ kennt“.

Was aber denken die Zuhörer, welche Erfahrungen haben sie in ihrer ersten Zeit in der Stadt gemacht, weswegen sind sie nach Gerlingen gekommen? Ein „komplett anderes Ambiente“ als in Stuttgart, der Stadt, in der er geboren wurde und aufwuchs, habe er in Gerlingen angetroffen, erzählt Soufian A. Das sei ihm schon beim ersten Besuch im Rathaus aufgefallen – hier müsse man im Bürgeramt keine Nummer ziehen. Zusammen mit seiner Frau, die aus Frankfurt kam und jetzt bei der Bundesagentur für Arbeit in Böblingen arbeitet, hat der junge Betriebswirtschaftler bei Trumpf seinen ersten Hausstand in Gerlingen gegründet. Auch Yasmina A.’s erste Erfahrungen sind sehr positiv. „Man sieht sich beim Einkaufen, grüßt sich und lächelt den anderen auf der Straße an. Man merkt, dass Gerlingen keine Großstadt ist.“

Sven Basso ist im März von Ditzingen-Hirschlanden hierher gezogen. Auch er hat mit seiner Freundin die erste gemeinsame Wohnung bezogen – gefunden per Zufall, wie der junge Mann berichtet. „Wir fühlen uns sehr gut aufgenommen, man merkt den Spirit der Stadt“, sagt er. Seine Freundin habe sich ein Fitnesszentrum als Anlaufpunkt ausgesucht, er selbst wolle Kontakt zum Schützenverein suchen, erzählt der Logistiker. Er habe positive Erfahrungen in der Stadt gemacht, „auch beim Zahnarzt“.

Renate Schneider hat ihre Wohnung in Stuttgart-Weilimdorf aufgegeben, um im Mai zu ihrem verwitweten Lebenspartner zu ziehen. „Er braucht mich jetzt. Das tägliche Hin- und Herfahren war mir irgendwann zu anstrengend“, erzählt sie. In Gerlingen sei alles freundlicher, persönlicher – und ländlicher. Sie sei nun in der Petrusgemeinde engagiert und fühle sich überall aufgenommen. Das bestätigt ihre Banknachbarin voll und ganz. Olga Stürner kam ebenfalls aus dem Vorort Stuttgarts. Dort wohnte sie fast 60 Jahre, arbeitete lange im Bezirksrathaus. Ihr Fazit: „Weilimdorf und Gerlingen sind zwei Welten.“ Ihr Sohn habe für seine Familie ein Haus in Gerlingen gekauft; als nebenan eine Wohnung frei wurde, habe sie dort einziehen können. „Eine tolle Lösung.“ Die beiden Frauen freuen sich, dass sie sich kennen gelernt haben, tauschen ihre Telefonnummern aus und wollen in Kontakt bleiben. „Das ist nur möglich durch diesen Abend.“

„Es ist eine Superidee, auf diese Weise etwas zu hören über die Stadt“ sagt Fabian Thomas nach dem Referat des Bürgermeisters. Sie habe beim Neubürgerabend „etwas lernen wollen“, meint seine Frau Cosima. Es stimme, was Georg Brenner gesagt habe: „Hier ist man freundlich zueinander und passt aufeinander auf.“ Das Paar hat dieses Jahr geheiratet, ein Haus in Gerlingen gefunden, gekauft und renoviert. Im Juni sind sie eingezogen. Beruflich könnten sie schwäbischer nicht sein: Sie ist Ingenieurin bei Bosch, nun in Schwieberdingen, er ist „beim Daimler“ in Sindelfingen. Gerlingen habe eine schöne Innenstadt, meint der junge Mann, der in Sinsheim aufwuchs und in Karlsruhe studierte. „Jetzt sind wir hier zuhause“, sagt sie, „es ist familiär.“ „Und sympathisch“, ergänzt er.