Der Arbeitgeberverband will aktuelle Pläne zum Arbeitsschutz verhindern – und zitiert Beispiele aus „Absurdistan“, von seltsamen Formulierungen bis zur Heizpflicht in Abstellkammern.

Berlin - Die neuen Regeln zum Arbeitsschutz sind aus Sicht der deutschen Wirtschaft überzogen und weltfremd. „Man glaubt, in Absurdistan zu sein“, sagte Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer am Donnerstag in Berlin. Er rief die Bundesregierung auf, die Novelle der so genannten Arbeitsstättenverordnung zu stoppen. Sie wird voraussichtlich am 4. Februar im Kabinett beraten.

 

Irgendetwas muss schief gelaufen sein. Laut Geschäftsordnung der Bundesregierung sind die Beamten gehalten, offizielle Dokumente möglichst unkompliziert abzufassen, damit der Bürger sie auch versteht. Wer allerdings versteht, was „tragbare Bildschirmgeräte für die ortsveränderliche Verwendung“ sind? Diese Formulierung findet sich in der Novelle der Arbeitsstättenverordnung und bezeichnet, was den Bürgern als Laptop oder Tablet bekannt ist.

Blendet daheim die Sonne?

Nun ist die Novelle nicht nur sprachlich etwas seltsam. Arbeitgeber-Präsident Kramer jedenfalls beklagt auch ihren Inhalt. Künftig müsse der Chef die Telearbeitsplätze seiner Mitarbeiter überprüfen – also die „vom Arbeitgeber eingerichteten Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten“. Es müsse beispielsweise geklärt werden, ob dort die Sonne blende oder die Beleuchtung mindestens 500 Lux betrage und der Schreibtisch groß genug sei, um den Handballen vor der Tastatur des PC auflegen zu können.

Wie der Arbeitgeber die Prüfung vornehmen soll, wenn sein Mitarbeiter ihm keinen Zutritt zu seiner Wohnung erlauben mag, ist offen. An Schilda fühlt sich der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände auch deshalb erinnert, weil es für jeden Mitarbeiter einen abschließbaren Schrank geben muss. Kleiderhaken oder die Garderobe reichen auch für die Beschäftigten nicht mehr aus, die sich bei ihrem Job nicht umziehen müssen und somit gar keinen Spind brauchen.

„Sichtverbindungen nach außen“

Die Idee mit dem Schrank stammt nicht aus dem Haus von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), das die Novelle geschrieben hat. Sie geht auf den Bundesrat zurück, der seinerseits Vorschläge der Regierung ablehnt. Die Länderkammer will nichts davon wissen, dass es in Erste-Hilfe-Räumen oder in den Toiletten „Sichtverbindungen nach außen“ (zu Deutsch: Fenster oder Oberlichter) geben muss. Diese Vorgaben finden sich im Konzept des Ministeriums. Was nun gilt, ist offen. Die Bundesregierung wird voraussichtlich am 4. Februar einen Beschluss fassen. Lehnt sie die Vorschläge der Länderkammer ab, ist das ganze Vorhaben hinfällig.

Die Arbeitgeber setzen darauf, dass die Verordnung in letzter Minute noch kräftig entrümpelt wird. So wären sie froh, wenn auch die Bestimmung entfiele, wonach selbst zum Beispiel die Abstellkammer oder das Archiv als Arbeitsplätze eingestuft werden können. Das hätte zur Folge, dass auch in Räumen, die ein Mitarbeiter nur hin und wieder betritt, eine Temperatur von mindestens 17 Grad Celsius herrschen muss.

„Die Bundesregierung“, so Kramer, „hat die Chance, diese Arbeitsstättenverordnung zu stoppen. Wenn sie weiter glaubhaft von Bürokratieabbau sprechen will, muss sie den völlig unrealistischen und praxisfernen Plänen der Ministerialbürokratie entgegentreten.“

Da steckt viel Mühe drin

Käme es soweit, wäre jedenfalls fürs erste die Mühe vergebens gewesen, die sich die Ministerialbürokratie fraglos gemacht hat. Sie hat sich ja nicht nur um die „tragbaren Bildschirmgeräte für die ortsveränderliche Verwendung“ gekümmert, sondern laut Begründung der Verordnung auch differenzierte Maßnahmen für „Bildschirmarbeitsplätze, Bildschirmgeräte und Bildschirme, tragbare Bildschirmgeräte und die Mensch-Maschine-Schnittstelle“ formuliert.

Die Begründung für die „Sichtverbindung nach außen“ liest sich ebenfalls beeindruckend: „Natürliches Tageslicht nimmt bei der Beleuchtung von Arbeitsräumen einen sehr hohen Stellenwert ein. In Verbindung mit einer ungehinderten Sichtverbindung nach außen wirkt sich das Tageslicht positiv auf die physische Gesundheit (z.B. Hormonhaushalt) sowie auf die psychische Gesundheit (z.B. Motivation, Arbeitszufriedenheit und Leistungsfähigkeit) der Beschäftigten bei der Arbeit aus.“