Javiera Advis verbindet Elemente ihrer Ausbildung – und arbeitet mit alten Fenstern und Bewegungsprofilen.

S-Ost - Als Javiera Advis im Jahr 2006 nach Stuttgart kam und sich im Rahmen ihrer Diplom-Arbeit mit dem Thema Fahrradverkehr in Städten beschäftigte, fand sie die baden-württembergische Landeshauptstadt super. Von einem Rad-Anteil von 2,5 Prozent konnte sie in ihrer Heimatstadt Santiago de Chile nur träumen. „Aber für Stuttgart war das nicht gut genug“, sagt sie lächelnd mitten in ihrer Ausstellung „Fenster zur Vergangenheit“ in der Galerie Interart im Bohnenviertel. Seitdem hat sich viel getan: Fahrradfahren ist in Santiago in Mode gekommen, Javiera Advis hat in Stuttgart geheiratet – und sie verarbeitet Themen wie Mobilität oder Stadtplanung oder Gebäudegestaltung nicht mehr als Architektin, sondern als Künstlerin. Wie sie damit umgeht, war zuletzt in ihrer ersten Einzelausstellung an der Rosenstraße 37 zu sehen.

 

Dort hat sie alte Fenster aus dem Zeitraum von etwa 1850 bis 1970 mit Motiven von Fotos aus der gleichen Zeit bemalt. Die großen und kleinen Fenster konnten sie dank ihrer Kontakte zur Architekturszene sammeln, bekam sie bei Abbrucharbeiten oder kaufte sie bei Antiquitätenhändlern. Mit Hilfe der Griffe konnte Advis die Fenster zeitlich einordnen und sich dann in den vielen Fotoalben ihrer eigenen und der Familie ihres Mannes, der aus dem Elsass stammt, die passenden Fotos dazu suchen. Die für sie selbst perfekte Verbindung gelang ihr bei zwei kleinen Fenstern aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie stammen aus dem elsässischen Haus, in dem die Familie ihres Mannes lebte und heute noch lebt. Auf den Scheiben sind jetzt die Porträts von zwei seiner Vorfahren zu sehen, die genau zu jener Zeit in dem Haus mit eben diesen Fenstern lebten.

Javiera Advis, die mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter heute in Ludwigsburg wohnt, war auch an dem Kunst- und Forschungsprojekt „Skypelab“ der Universitäten Reutlingen, der australischen RMIT University und der East China Normal University beteiligt. Dabei wurden die Auswirkungen von neuen Kommunikationsmöglichkeiten wie Skype auf die Art der Kommunikation miteinander und die Möglichkeiten, Informationen übereinander zu bekommen, untersucht. Die Forscher werteten insgesamt 82 Skype-Unterhaltungen zwischen Menschen an ganz unterschiedlichen Orten der Erde zeitlich, räumlich und inhaltlich aus.

Eine andere Form der Verbindung von Stadtplanung mit Kunst sind ihre Projekte, die sie mit Hilfe der neuen Mapping-Technologien verwirklicht. Im Jahr 2013 beispielsweise arbeitete sie in dem Projekt „Bewegung in der Stadt“ mit den aufgezeichneten Bewegungen von Menschen, Fahrrädern und Autos auf dem Ludwigsburger Marktplatz. „Es zeigt nur die Spuren, die diese Bewegungen hinterlassen“, sagt die Chilenin. Trotzdem könne man mit Hilfe dieser Spuren die Szenerie erkennen und erleben.

Javiera Advis ist davon überzeugt, dass zum Beispiel solche Mapping-Technologien – Google Maps und der damit verbundene Standortverlauf dürften die bekanntesten Beispiele dafür sein – „eine neue Art von menschlichen Beziehungen“ schafft. „Man kann so auf den Spuren eines anderen Menschen eine Stadt besichtigen, ohne sie zu besuchen.“