Im Bezirksrathaus in Stuttgart-Weilimdorf ist die Ausstellung „raumfalten“ zu sehen. In der Werkschau der Künstlerin Nicole Scheller sind groß- und kleinformatige Kunstwerke verschiedener Stilrichtungen zu sehen.

Weilimdorf - Alles ist im Fluss in Nicole Schellers Arbeiten: Es tropft, blubbert und zieht sich organisch über mehrere Leinwände hinweg. Seit kurzem präsentiert die in Stuttgart ansässige Künstlerin ihre Werke im Weilimdorfer Bezirksrathaus. „Flächen werden zu Linien, und Linien werden zu Flächen – und alles ist mit Allem verbunden“, sagt sie mit Blick auf das Triptychon „Zusammenhang“. Wie Nervenbahnen ziehen sich die organischen Formen über alle drei Leinwände, die die Haupt-Ausstellungswand fast vollständig einnehmen. Zum Teil sind die Acrylbilder in einem pointillistischen Stil getupft: Von weitem lässt sich das Auge in die Irre führen und mischt die unterschiedlichen Farbtöne zu einem Verlauf. Aus der Nähe betrachtet, scheint der Auftrag aus mehreren komplementären Farben hingegen beinahe zu pulsieren.

 

Schellers Motive legen Assoziationen zu Mikrobiologie und Mythologie nahe: In den Formen erkennt man immer Neues, je länger man sie betrachtet: Hier einen Vogel, dort ein fremdartiges Tier. Und immer wieder gibt es gegenständliche Einschlüsse wie Luftblasen, die an die Oberfläche steigen. „Nachtmärchen“ etwa zeigt stilisierte Figuren, die an prähistorische Felsritzungen erinnern. In der Serie „Punktuelles Glück 3“ blicken den Betrachter mal fein gezeichnete Gesichter an, mal Zellstrukturen, die direkt aus der Mikrobiologie übernommen scheinen.

Material wird kreativ eingesetzt

Alles ist immer da, alles existiert gleichzeitig – so erklärt sich vielleicht auch der Ausstellungstitel „raumfalten“. Andererseits besitzen die Arbeiten von Nicole Scheller auch ein bemerkenswertes Eigenleben: Ganz besonders zeigt sich das im abstrakten Gemälde „Yggdrasil“, das nun den Gang zum Dienstzimmer von Bezirksvorsteherin Ulrike Zich ziert: Es weist Aufbrüche auf, durch die man auf ein dahinter liegendes Labyrinth blickt. Immer tiefer dringt der Blick so in den imaginären Bildraum vor, geht darin herum und verliert sich schließlich.

Auffallend in der neuen Ausstellung ist auch der kreative Einsatz des Materials: Gleich neben dem Aufzug wartet die „Stele“ auf Betrachter. Über und über ist sie mit den charakteristischen Scheller-Strukturen bedeckt und wirkt ausgesprochen massiv. Weit gefehlt: „Das ist eigentlich ein Werbeaufsteller: Ich bin immer auf der Suche nach neuen Materialien“, verrät die aus Frankfurt stammende Künstlerin, die an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart Malerei studiert hat und einige Zeit als Kunsterzieherin tätig gewesen ist.

Einen ungewöhnlichen Formgrund hat sie auch für die Arbeit „Fluently 2“ gefunden: Es handelt sich dabei um Dibond, das man eher als Fotogrund kennt. Scheller ersinnt dabei in einem ersten Schritt die gewünschte Form, die dann nach ihren Angaben ausgesägt wird. In einem dritten Arbeitsgang erhält das Kunstwerk dann wieder von ihr selbst seine endgültige malerische Ausgestaltung. Bis sich die Formen ineinander flechten und verschlingen und die Wahrnehmung auf eine Probe gestellt wird. Willkommen im bildnerischen Raum-Zeit-Kontinuum.

Die Werkschau „Raumfalten“ ist bis 30. Juni im Bezirksrathaus, Löwen-Markt 1, zu sehen. Geöffnet ist montags bis mittwochs von 8 bis 17 Uhr, donnerstags von 8 bis 18 Uhr und freitags von 8 bis 13 Uhr.