Drei neue Bücher, die im Backnanger Stroh-Verlags erschienen sind, liefern harte Fakten, lustige, schaurige und traurige Geschichten aus der Murrstadt. Zum Beispiel die Geschichte von einstigen Sex-Lokal Rififi.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Es soll Bürger in der Murrstadt geben, die schon Wochen und Monate vorher sehnsüchtig auf die Neuerscheinung warten. Seit rund zwei Jahrzehnten erscheint immer im Dezember das Backnanger Jahrbuch. In diesem Dezember indes haben alle Backnanger die Qual der Wahl. Der lokale Stroh-Verlag und die Stadt haben jetzt zusätzlich zum Jahrbuch 2014 erstmals „Das Backnang-Lexikon“ herausgegeben, einen Wälzer mit gut 450 Beiträgen. Und der Backnanger Hobby-Heimatforscher Heiner Kirchschmer hat – ebenfalls passend kurz vor Weihnachten – jetzt seine „Backnanger Gschichdla“ vorgestellt, ein Büchle mit Schmonzetten zur älteren und jüngeren Lokalhistorie.

 

OB Nopper: Buch für Backnang-Enthusiasten

Die Idee für das Backnang-Lexikon hatte – na wer wohl? – der Oberbürgermeister Frank Nopper höchst persönlich. Der Schultes strahlt sein stadtbekanntes Grinsen und sagt: Wer das Nachschlagewerk kaufe, der werden „vom Backnang-Sympathiesanten zum Backnang-Enthusiasten“. Das Autorenteam hat rund vier Jahre lang an dem lokalen Standartwerk gearbeitet. Herausgekommen ist eine imposante Sammlung von Fakten – von A wie Ackermann, Weinstube, bis Z wie Zweiter Weltkrieg. Selbst Backnang-Kenner gelangen beim Blättern alle paar Seiten zu neuen Erkenntnissen. Ein paar Beispiele: Der ehemalige Bundesminister Volker Hauff wurde in Backnang geboren. Anno 1835 wurde in Backnang ein Leichenkassenverein gegründet, dessen Mitglieder bei Beerdigungen gemeinsam für die Kosten aufkamen. Die Plaisirschule ist die einzige Schule in ganz Deutschland, die das Vergnügen im Namen trägt. Friedrich Stroh hat 1912 den späteren ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss geschlagen und ist für Backnang in den württembergischen Landtag gewählt worden. Bei der Gemeinderatswahl 1946 kam die CSV, die Vorgängerpartei der CDU, auf 59,6 Prozent der Stimmer, zehn Jahre später indes war die SPD mit 33,4 Prozent die stärkste Fraktion im Kommunalparlament. Der Verleger Werner Stroh sagt, er habe sich schon lange mit dem Gedanken getragen ein Standardwerk zur Stadthistorie herauszugeben. Nopper dürfte also leichtes Spiel gehabt haben, als er seinen Vorschlag auf den Tisch legte.

Das Backnang-Lexikon hat knapp 250 Seiten, erscheint im Backnanger Stroh-Verlag und kostet 23,90 Euro.

„Jeden Tag rasendes Granatfeuer“

Im Jahrbuch 2014 – Band 22 – spielt der Erste Weltkrieg aus der lokalen Perspektive eine große Rolle. Unter der Überschrift „Ein Tag im Schützengraben, der ist auf gut deutsch ein halber Selbstmord“ werden Auszüge aus dem Kriegstagebuch des Backnangers Eugen Winter veröffentlicht. Der 1890 geborene Kaufmann schildert in den Eintragungen ungeschminkt seine Erlebnisse. Ein paar Tage vor Weihnachten 1914 – also vor genau 100 Jahren – schreibt Winter zum Beispiel: „Jeden Tag rasendes Granatfeuer. ... Das alles erfordert äußerste Nervenanspannung.“ Der Leutnant aus Backnang, der auf alten Schwarz-Weiß-Fotos mit ernstem Blick aus dem Buch schaut, ist am 15. Juni 1915 nördlich von Roubaix in Frankreich gefallen. Im Jahrbuch schreibt der Stadtarchivar Bernhard Trefz über Feldpostkarten, die Großaspacher Soldaten in die Heimat geschickt haben. Zunächst erzählen die Karten von der Euphorie, doch schon nach wenigen Monaten von schrecklichen Erlebnissen in den Schützengräben. Weitere Aufsätze befassen sich mit dem Pfarrer Michael Mästlin als Astronom, mit dem Maler und Professor Carlos Grethe und dessen Werken in der Grafiksammlung des Heimat- und Kunstvereins, mit der Geschichte der Katholiken im Ort, mit dem Seekrieg von 1914 bis 1918, mit Flucht und Vertreibung sowie mit der Geschichte der Firma ANT Nachrichtentechnik, dem einst größte Arbeitgeber in der Stadt, die 1999 an Marconi verkauft wurde. Heiner Kirschmer hat wieder die Vorjahreschronik zusammengetragen, diese beginnt am 6. Januar mit dem Dreikönigsbegegnung der CDU und endet am 31. Dezember mit dem Silvesterlauf.

Das Backnanger Jahrbuch 2014 hat gut 300 Seiten, erscheint im Stroh-Verlag und kostet 16,50 Euro.

„Geschlechtsverkehr und anderen Perversitäten“

Eben jener Heiner Heiner Kirschmer hat die „Backnanger Gschichdla“ zusammengetragen. Das Büchle mit 24 Episoden „von großen Tieren und kleinen Leuten“ erscheint, wie das Jahrbuch und das Lexikon, in örtlichen Stroh-Verlag. In die meisten Geschichten sei „bewusst oder unbewusst“ Fantasie, Humor und Selbstironie eingeflossen, so Kirschmer. Doch längst nicht alle Beiträge stammen aus seiner Feder, sondern von Gastautoren. Etwa von Karl-Heinz Lebherz, dem ehemaligen Winnender Oberbürgermeister, der 1957 bis 1963 bei der Stadt Backnang gearbeitet hat. Lebherz erinnert auf knapp einem Dutzend Seiten an seinen einstigen Chef, den legendären Backnanger OB Walter Baumgärtner. Eine der Szenen spielt im Gemeinderat, der Schultes hat seinen Hund Hellesle dabei. Ein Stadtrat verlangt die sofortige Entfernung des öden Kläffers. Was der OB nur knapp und auf schwäbisch beantwortet: „Der Hond bleibt do! I han doch au nex dagega, wenn die Stadträte ihre Vögel mitbrenget!“ Bei einer Landräte-Konferenz kotzt Hellesle, der offenbar immer beim OB war, mitten in den Saal, was Baumgärtner so kommentiert: „Do sehet se, meine Herra, was mei Hond von ihre Argumente hält.“ Auch der ehemalige StZ-Redakteur Ottmar Letzgus ist mit zwei Texten im Büchle vertreten. Einer erzählt die Geschichte von Sex-Club Rififi, der Anfang der 70er-Jahre auch überregional Schlagzeilen machte – weil der Ankläger in einem Gerichtsverfahren dem Rififi-Betreiber vorwarf, in dem anrüchigen Etablissement würden Filme mit „Geschlechtsverkehr und anderen Perversitäten“ gezeigt.

Die Backnanger Gschichdla haben 72 Seiten. Das Büchle erscheint im Stroh-Verlag und kostet zwölf Euro.