In der „Bruderschaft des Weges“ wollen 16 gläubige Männer lernen, mit schwulen Empfindungen umzugehen. „Wir empfinden diese als problematisch“, sagt ein Mitglied. Von „Umerziehung“ sei keine Rede. Die Kirchen reagieren zurückhaltend.

Tamm - Homosexualität und Kirche – das Thema löst seit Beginn des Christentums Kontroversen aus. Jetzt will eine neue Gruppierung der uralten Debatte eine neue Wendung geben. Die am vergangenen Samstag gegründete „Bruderschaft des Weges“ will sich bewusst zwischen die Stühle setzen: man wolle weder als Schwulenhasser im Namen Gottes von sich reden machen, noch wolle man Homosexualität und christlichen Glauben zusammenbringen – „wir sind sperrig“, sagt Stefan Schmidt aus Tamm, der selbst eines der 16 Mitglieder der Bruderschaft ist.

 

Teil der Bruderschaft seien elf evangelische und fünf katholische Männer, „die alle im Laufe ihres Lebens homosexuelle Empfindungen haben oder hatten“, die diesen Empfindungen aber aus religiösen Gründen kritisch gegenüberstünden. Ein Anliegen der Gruppe sei es deshalb, diese schwulen oder lesbischen Neigungen nicht auszuleben und Enthaltsamkeit zu geloben.

Distanzierung von „Wüstenstrom“-Vergangenheit

Sprecher der Gruppe ist Markus Hoffmann, Leiter des Instituts für dialogische und identitätsstiftende Seelsorge und Beratung mit Sitz in Tamm. Als Mitgründer der Gruppe „Wüstenstrom“ war Hoffmann in die Kritik geraten. Der Verein betreibe eine Umerziehung von Schwulen und Lesben. Auch als Reaktion darauf hätten Hoffmann und sein Mitarbeiter Stefan Schmidt das Institut gegründet – mit einem bewusst neuen Programm, wie Stefan Schmidt sagt: „Wir wollen keine Sexualität therapieren, das geht gar nicht.“ Man wollen „Menschen helfen, mit ihrer Sexualität gut leben zu können“, sagt der Sozialarbeiter.

Die neue Bruderschaft hat im Kern zwei Ziele: Einerseits gehe es darum, dass die 16 in ganz Deutschland und der Schweiz lebenden Mitglieder sich gegenseitig austauschen und in ihrer Enthaltsamkeit unterstützen – etwa über soziale Netzwerke. Andererseits gehe es auch darum, das sehr spezielle Anliegen der Gruppe nach außen zu tragen, insbesondere in Richtung der beiden großen Kirchen, von denen man sich immer noch „marginalisiert und diskriminiert“ fühle. Zudem wolle man Veranstaltungen zum Thema „Mann sein als Christ“ organisieren.

Zu liberal und zu konservativ zugleich?

Für die katholische Kirche sei die Gruppe offenbar zu liberal, weil sie über Homosexualität und Glaube überhaupt öffentlich diskutieren wolle, vermutet Stefan Schmidt. Die evangelischen Kirchen lehnten es, so Schmidt, aber leider immer noch ab, Vertreter dieser Position überhaupt zu Veranstaltungen einzuladen. Ein Kern des Konflikts ist die unterschiedliche Haltung zum Thema Homosexualität. Die evangelische Landeskirche Württemberg erlaubt unter bestimmten Bedingungen, dass Schwule oder Lesben Pfarrer(in) werden – unter Bezug auf die Prämisse, dass Homosexualität eine Veranlagung, also von Gott gewollt, ist. Letzteres bestreitet die „Bruderschaft des Weges“ explizit.

Die beiden Landeskirchen reagieren irritiert auf die Kritik. „Den Vorwurf der Ausgrenzung muss ich entschieden zurückweisen“, sagt Oliver Hoesch, Sprecher der evangelischen Landeskirche Württemberg. Sexuelle Neigungen seien „bei uns kein entscheidendes Kriterium“ für das Leben als Protestant. Wer an seiner Neigung etwas ändern wolle, werde aber genauso respektiert. Wer homosexuell sei und damit aus religiösen Gründen ein Problem habe, dem stünden Gesprächskreise oder Seelsorge offen, sagt Uwe Renz, Sprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Schwule Pfarrer oder gleichgeschlechtliche Eheschließungen in Kirchen seien in der katholischen Kirche zwar tabu. Zur Toleranz sehe man sich dennoch verpflichtet. Er gehe davon aus, „dass eine sexuelle Prägung unveränderlich ist“. Wenn man es dennoch versuche, „dann besteht die Gefahr, dass es mehr schadet als nützt“.

Diese Gefahr sieht Stefan Schmidt nicht. Die Mitglieder der Bruderschaft definierten sich selbst nicht als schwul, sondern als „Mann, der sich zu bestimmten Zeiten zu Männern hingezogen fühlt“. Viele argwöhnten, dass dahinter schlechte Kindheitserlebnisse oder sexuelle Abhängigkeit stecken. „Wir empfinden dieses Begehren als problematisch.“ In den Kirchen gebe es „dafür bisher leider keinen Raum“.