Retro oder alles ganz neu: Drei Stuttgarter Friseure erzählen von ihrer Leidenschaft für die Haare der anderen – und erklären, was aktuell angesagt ist im Kessel.

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Stuttgart - Adrian Xhaferi ist ein Trendsetter. Der Stuttgarter Friseur, der direkt am Rotebühlplatz seinen Salon hat, gehört zur A-Riege seines Fachs. Er wurde so oft – inzwischen sogar zu oft – beim German Hairdressing Award ausgezeichnet, in den Kategorien „Damen Süd“ und „Avantgarde“, dass er nun zwar von der Teilnahme ausgeschlossen ist, sich aber in die Hall of Fame neben anderen außergewöhnlichen Haar-Künstlern einreihen darf. Beim Thema Trend steht für ihn fest: „Die Kombination macht’s. Wer etwas wagt und Ungewöhnliches verbindet, setzt neue Impulse.“ Denn nur so könne man etwas Noch-nie-Dagewesenes kreieren: „Die Schnitte gibt es ja alle schon.“

 

Mit dieser Strategie und jeder Menge Fleiß und Ehrgeiz arbeitete sich der 37-Jährige hoch und erkannte: „Der Erfolg ist eine schöne Bestätigung. Aber man darf sich nicht einfach zurücklehnen.“ Xhaferi, der auch schon nach Italien eingeflogen wurde, um dem US-Filmschauspieler Adrien Brody die Haare zu stylen, setzt sich jedes Jahr neue Ziele. Eines davon ist eine Strecke im Mode-Magazin Vogue. „Aber das hat noch Zeit“, sagt er und lacht. In diesem Jahr spürt der 37-Jährige immer noch viele Einflüsse aus den Neunzigern: „Weil Frühling ist, kommt auf jeden Fall viel Farbe ins Spiel, deshalb sind Pastelltöne ein Thema.“ Schnitttechnisch sei hingegen alles erlaubt, meint er. „Man kann nicht sagen: Nur kurze oder nur lange Haare, die Länge Medium bleibt angesagt – genauso wie ein kurzer Bob oder der Pixie-Cut.“

Die Inspiration kommt von der Straße

Und was inspiriert den Kreativkopf zu seinen Haar-Kunstwerken? Schon lange ist dies nicht mehr nur das Reisen oder die Mode an sich. „Auf Stuttgarts Straßen gibt es genug zu gucken.“ Das hat ein Stück weit auch mit Heimatverbundenheit zu tun – Xhaferis Eltern wohnen noch in Sindelfingen, wo der Friseur aufwuchs. Ihm sei es sehr wichtig, eine Basis zu haben. „ Jeder ist da am stärksten, wo er sich am wohlsten fühlst – und das ist für mich Stuttgart.“ Deshalb hat er hierzulande seinen ersten Salon aufgemacht.

Aber natürlich tummeln sich in Stuttgart längst auch andere Hairstylisten, die sich nicht nur schlicht mit Waschen, Schneiden, Föhnen beschäftigen, sondern sich etwas intensiver mit trendigen Frisuren und Haarkunstwerken auseinandersetzen. Wie zum Beispiel Daniela Berner. Die Hair- und Make-Up-Artistin aus dem Stuttgarter Süden arbeitet im Salon Kertu Klinger am Marienplatz, wo sie unter anderem auch ausbildet. Auch an der Gewerblichen Schule Im Hoppenlau arbeitet sie als Lehrerin.

Klassisch funktioniert sehr gut

Die Friseurin schneidet die Haare von Männern genauso gerne wie die von Frauen. Bei der Frage „Lieber Schnitt oder lieber Farbe?“ gibt es für die 35-Jährige nur eine Antwort: „Ich mag beides gleich gern.“ Insgesamt geht der Trend laut Daniela Berner zurück zur Natur, vor allem was die Farben angeht ist sie anderer Meinung als Xhaferi: „Moosige Töne, Kupfertöne, Rost, Senf – eher gedeckt statt pastellig. Der ‚Granny-Look‘ ist damit wirklich endgültig Geschichte.“ Beim Schnitt seien fransige Ponys angesagt, harte Kanten und die moderne Vokuhila-Variante. „Eben nicht so klassisch, dafür mit viel Struktur, die durch In-Cuts, einer besonderen Schneidetechnik, entsteht. Die ist nicht unbedingt sichtbar, aber die Haare schön.“

Dass „klassisch“ nicht unbedingt out sein muss und auch gut funktioniert, beweist Jürgen Schneider vom Salon „Friseur Schneider“. Vor 61 Jahren hatte sein Vater diesen in der Gerberstraße aufgemacht, vor 35 Jahren übernahm ihn der Sohn. Seitdem hat sich am Interieur der fünfziger Jahre kaum etwas verändert. Genau deswegen rennen ihm die Leute die Bude ein. Vor allem viele junge Männer, die den klassischen Herrenschnitt zu schätzen wissen und auf Bartpflege stehen. Die gibt es bei Schneider natürlich auch: „Es ist unkompliziert und geht schnell“, sagt Kunde Nico Seitter. Aber auch diejenigen, die es gerne etwas retro haben, kommen auf ihre Kosten. Denn Schneider ist auch ein Meister der Wasserwelle.

Es zählt nicht nur die Feude am Abschneiden

Wer also vorhat, auf der nächsten Swing-Party zu beeindrucken oder auch beim Burlesque, der kann sich in Schneiders Salon die begehrte Frisur aus den Zwanzigern und Dreißigern originalgetreu legen lassen. Da bleibt nur noch die Frage offen: Sind bei so viel Vergangenheit Trends in der Gerberstraße überhaupt ein Thema? „Klar, man muss ja am Ball bleiben“, betont der 63-Jährige, der einst Pokale fürs Preisfrisieren im Damenfach bekam. Mittellange Bobs seien bei ihm angesagt, bei den Herren gehe es weg vom Undercut und damit ebenfalls zurück zur Natur.

Schneider steht aber gerne über all diesen Trends: „Ich bin keiner, der den Menschen umkrempeln will. Wenn jemand eine bestimmte Vorstellung seiner Haare im Kopf hat, dann versuchen wir gemeinsam auf die gewünschte Frisur hin zu arbeiten.“ Manchmal müsse man da aber auch ganz deutlich „Noi“ sagen, zum Beispiel wenn die Farbveränderung zu extrem ist – oder bei ganz langen Haaren, die ab sollen. „Davon lasse ich lieber die Finger“, sagt Schneider und lacht. Das sehen übrigens alle drei Friseure ähnlich. Berner findet auch: „Veränderung ja, aber nur wenn es eben zum Typ passt.“ Und Xhaferi, der gerade erst so eine Komplettverwandlung in seinem Salon vollzog, sagt: „Da muss ich ganz sensibel reagieren und mehrmals nachfragen.“ Natürlich schneide man gerne Haare ab, da sei die Verwandlung am stärksten: „Aber es muss auch zu zu dem Kunden passen. Da zählt nicht nur die Freude am Abschneiden.“