Von September an müssen Firmenkunden bei der Kreissparkasse und bei der Volksbank eine Gebühr für Geld bezahlen, das sie gar nicht brauchen. Viele Unternehmer sind sauer – doch die Banken wissen sich nicht anders zu helfen.

Ludwigsburg - Würde Eberhard Muny das Schreiben der Kreissparkasse Ludwigsburg nicht hinterfragen, dann würde es sich dabei schlicht um eine „Vertragsergänzung“ handeln. Eberhard Muny jedoch hat es sehr genau gelesen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich dabei um ein „Ärgernis“ handelt. Denn vom 1. September an soll der Zimmermeister mit eigener Schreinerei in Kornwestheim Geld für etwas bezahlen, das er gar nicht in Anspruch nimmt. Kreditprovision heißt der Fachbegriff. Sie wird dann fällig, wenn der Unternehmer seinen Kontokorrentkredit nicht voll ausschöpft.

 

Bis jetzt sah der Vertrag zwischen der Kreissparkasse und Eberhard Muny – wie auch mit allen anderen gewerblichen Kunden – so aus: Die Bank stellt dem Kunden eine variable Kreditlinie zur Verfügung, den Kontokorrentkredit. Das ist der Verfügungsrahmen auf einem gewerblich genutzten Girokonto, bis zu der das Konto zu relativ günstigen Konditionen überzogen werden darf. Im privaten Bereich heißt diese Linie Dispokredit.

Schnelles Geld zu günstigen Preisen – bald vorbei

Solche variablen Kreditlinien sind für einen Unternehmer beispielsweise interessant, wenn er Zahlungsengpässe überbrücken muss oder wenn er für eine kurzfristige Anschaffung liquide sein muss. Ob der Kunde den Kontokorrentkredit komplett in Anspruch nimmt, nur teilweise oder auch gar nicht, spielte bisher keine Rolle. Das Angebot, einen Kontokorrentkredit nutzen zu können, war kostenlos.

Mit der Vertragsergänzung, die Eberhard Muny zugegangen ist, ändert sich das. Künftig muss er für die Summe, die er nicht nutzt, eine Gebühr von einem Prozent pro Jahr bezahlen: Die Kreditprovision. Überzieht Muny sein Konto etwa um 100 000 Euro, zahlt er dafür die fälligen Zinsen, für die möglichen, aber nicht benötigten weiteren 100 000 Euro zahlt er ein Prozent – was in einem Jahr 1000 Euro wären. Für eine Leistung bezahlen zu müssen, die man nicht in Anspruch nimmt, das ist, sagt der Unternehmer, „irgendwo nicht ganz korrekt“.

Der Ärger bleibt wohl folgenlos

Bei der Kreishandwerkerschaft hat er seinen Kropf bereits geleert und die Interessenvertretung aufgefordert, etwas zu unternehmen. Zumal außer der Kreissparkasse auch die Volksbank Ludwigsburg zum ersten September eine einprozentige Kreditprovision erhebt. Albrecht Lindenberger von der hiesigen IHK, deren Mitglieder ebenfalls ihren Unmut artikuliert haben, hat mit den Banken bereits gesprochen. Das Fazit des Rechtsexperten der IHK: Die Gebühr ist ärgerlich, aber ändern lassen wird sie sich wohl nicht.

Denn die Banken sehen, wie sie argumentieren, keine Alternative dazu. Die Niedrigzinsphase führe bereits heute zu signifikanten Erlösrückgängen im Firmenkundengeschäft, teilt die Ludwigsburger Kreissparkasse auf Anfrage schriftlich mit. Durch die politisch gewollte Zinsentwicklung und die zunehmende Bankenregulierung gebe es leider keine Möglichkeit mehr, den bisherigen Service auch weiterhin kostenfrei anzubieten, schreibt die Volksbank.

Als Folge der Finanzkrise müssen Banken ihre Kreditgeschäfte mit mehr Eigenkapital absichern. Mit diesem Geld können die Banken also nicht arbeiten und damit auch keine Einnahmen generieren. „Das ist aus Sicht der Banken lästig“, sagt Werner Neus, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Tübingen. Vor allem, wenn man ohnehin erhebliche Ertragsprobleme habe. Den Unmut der Kunden kann der Professor gut nachvollziehen. „Es ist immer ärgerlich, wenn man einen Vorteil genommen bekommt.“ Zugleich wundert er sich, dass die beiden Ludwigsburger Institute, die Gebühr erst jetzt einführen.

Gebühren fast überall

In Heilbronn erregte sie bereits 2004 die Gemüter der KSK-Firmenkunden. Die Deutsche Bank hat die Kreditprovision an einigen Standorten schon vor sieben Jahren eingeführt, ebenso die Dresdner Bank. In Rheinland-Pfalz empörten sich Unternehmen im vergangenen Jahr. Und womöglich ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Sparkassen und Volksbanken in Baden-Württemberg die Gebühr flächendeckend erheben. Die Kreissparkasse Göppingen plant die Einführung zum 1. Oktober. Bei der KSK Esslingen-Nürtingen gibt es sie seit fast einem Jahr und bei der Waiblinger bereits seit 2014. Die Böblinger Kollegen erheben die Provision nicht – aber ob es dabei bleibt, ist „noch offen.“

Die Stuttgarter Volksbank – die größte Genossenschaftsbank im Land, mit Standorten in Waiblingen und demnächst in Göppingen – verzichtet auf die Kreditprovision, beobachtet aber „natürlich den Markt und das Nachfrageverhalten“. Die Esslinger Volksbank wiederum erhebt sie seit Anfang dieses Jahres, hat viele betroffene Kunden im Gegenzug allerdings mit einer Zinssenkung entlastet.

Der Kunde hat kaum Alternativen

In dem Brief, den die Kreissparkasse Ludwigsburg an ihre Kunden geschickt hat, weist sie darauf hin, dass sie der Vertragsänderung widersprechen können. Was nicht dabei steht, und was auch für die Volksbank gilt: Wer nicht einverstanden ist, verliert seinen bisherigen Kontokredit. „Man kann sich nicht wehren“, schimpft Eberhard Muny, der seit vielen Jahren Kunde bei der KSK ist.

Glaubt man den Ludwigsburger Geldhäusern, können die betroffenen Kunden die Argumente nachvollziehen. Die meisten reagierten verständnisvoll. Teilweise nutzten sie die Gelegenheit auch, um die Kreditlinie anzupassen. Viele Firmen hätten festgestellt, dass sie mit einem kleineren Kontokorrentkredit auskommen.

Die Einführung der Kreditprovision für private Girokonten schließen beide Banken übrigens aus. Dies sei weder kurzfristig noch in absehbarer Zeit vorgesehen.

Zwei Häuser, die gleichen Sorgen

Die KSK
Die Kreissparkasse Ludwigsburg wurde 1851 als Oberamtssparkasse gegründet und zählt heute zu den größten Kreissparkassen in Deutschland. Eigenen Angaben zufolge betreibt sie 100 Filialen im Kreisgebiet und betreut 688 500 Kundenkonten. Die Bilanzsumme 2016 betrug 10,15 Milliarden Euro.

Die Voba
Die Volksbank Ludwigsburg wurde 1862 gegründet, sie gehört damit zu den ältesten Genossenschaftsbanken in Württemberg. Heute betreibt sie 34 Filialen im Kreis und hat eigenen Angaben zufolge 119 000 Kunden. Für das vorige Jahr wies sie eine Bilanzsumme von 1,88 Milliarden Euro aus.

Sparen
Die anhaltend niedrigen Zinsen und die zunehmende Erledigung der Bankgeschäfte via Internet bereiten den Geldhäusern schon lange Sorgen. Die Volksbank hat deshalb die Öffnungszeiten in ihren Filialen eingeschränkt. Die KSK will in allen Kreiskommunen präsent bleiben, aber nicht in jedem Teilort.