Heilbronn geht neue Wege im Bestattungswese: Friedhöfe sollen sich in der Nähe der Angehörigen befinden, gut erreichbar sein – und nicht nur als Ort der Trauer gesehen werden.

Heilbronn - Ungezwungen über die eigene Beerdigung oder die eines Angehörigen reden – das kann man mit Helga Mühleck. Die Landschaftsgärtnerin und stellvertretende Leiterin des Heilbronner Grünflächenamtes hat für die letzte Ruhestätte viele Vorschläge parat: unter Apfelbäumen auf einer Streuobstwiese, unter Birken, Buchen oder unter einer ausladenden Flügelnuss, an einem Seerosenteich oder mitten in einem Blütenhain mit Krokussen und Narzissen im Frühjahr? Man wird die Wahl haben.

 

Helga Mühleck betreibt sozusagen eine stille Revolution in der Nutzung von Friedhöfen. Für sie geht es darum, Orte der Bestattung und der Trauer, aber auch des Trostes, der Naturnähe, der Kontemplation und mit hoher Aufenthaltsqualität zu gestalten. Das tut Helga Mühleck einerseits aus eigenem Antrieb, andererseits wollen Mühleck und ihr Amt auch bei neuen Bestattungsformen vorangehen.

Alternative Bestattungsformen soll es in allen Stadtteilen geben

Ein Columbarium für die oberirdische Urnenbestattung gibt es bereits, ein Ort für neue Formen der Urnenbestattung findet sich schon auf dem Heilbronner Hauptfriedhof. Bis in fünf Jahren sollen aber die Friedhöfe in fast allen Stadtteilen alternative Bestattungsformen bekommen – auf insgesamt mehr als 21 000 Quadratmetern. Damit will man auch auf die Bestattungswälder reagieren, deren erster ebenfalls im Kreis Heilbronn entstand: in den Schwaigerner Wäldern des Grafen Neipperg.

Helga Mühleck sagt, es komme auf das „soziale Element“ an: Friedhöfe sollten auch ein Teil der Daseinsvorsorge sein. Besonders wichtig dabei sei Nähe. Alte Menschen wollten ihre Angehörigen statt in einem entlegenen Wald möglichst nahe bei sich vorfinden, erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln, auf einem Friedhof mit Bänken und mit Toiletten. „Sozial“ nennt sie es auch, wenn der Naturschutz in die Friedhofskonzepte einbezogen wird: „Ich wüsste nicht, das anderswo schon versucht wurde, einen Friedhof als Ausgleichsmaßnahme für Baumaßnahmen im Sinne des Naturschutzes zu gestalten“, sagt Mühleck.

So ist im Stadtteil Biberach als Ausgleichsmaßnahme ein Friedhof mit einer großen Streuobstwiese geplant. Die Apfelbäume werden Namensschilder tragen, der vertriebene Spechtvogel Wendehals soll ebenfalls wieder angesiedelt werden. Ein Gang über den Friedhof soll auf diese Weise nicht nur Trost vermitteln, er soll auch ein schöner Spaziergang sein, der positive Gefühle weckt. Helga Mühleck sagt, ihr gehe es vor allem darum, die Gefühle der Menschen zu beachten und einen guten Weg für die Hinterbliebenen zu finden.

Nicht alle kämen auf Dauer mit der Trostlosigkeit einer anonymen Urnengrabstätte zurecht. Deshalb will man sich bei den neu konzipierten Friedhöfen auch der konventionellen Erdbestattung nicht verschließen – vorausgesetzt, die Angehörigen übernehmen die Mehrkosten beispielsweise für Wege, die für die Grabbagger angelegt werden müssen. Womit man beim Geld angelangt wäre: Heilbronn gehört zu den wenigen Städten im Land, in denen sich der Betrieb und die Verwaltung der Friedhöfe aus Gebühren finanzieren müssen. In anderen Städten gibt es Zuschüsse.

Kosten für die Friedhofskonzeption müssen erwirtschaftet werden

Die Sparmaßname verlangt dem Grünflächenamt und der Friedhofsverwaltung einiges ab. Die Kosten von 800 000 Euro für die neue Friedhofskonzeption müssen ebenfalls sukzessive wieder erwirtschaftet werden. Wer prominent ruhen möchte, kann sich übrigens schon zu Lebzeiten auf den Großgräbern ehemaliger Honoratioren auf dem Hauptfriedhof ein Urnenplätzchen kaufen – für 3375 Euro.