Die Initiative Arbeiterkind kümmert sich um diejenigen, die als erste in ihrer Familie studieren wollen. Welche Schwierigkeiten es dabei geben kann, wissen die meisten von ihnen aus eigener Erfahrung.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

S-Nord/S-Mitte - Eine Schwelle ist immer noch da: „Akademikerkinder gehen immer noch häufiger an die Universität als Kinder aus nicht-akademischen Familien“, weiß Paulina Bloss. Sie ist Koordinatorin der Initiative Arbeiterkind, die genau dort ansetzt: „Wir wollen zum Studium ermutigen“, erklärt Bloss, „gerade bei Jugendlichen, die als Erste in ihrer Familie eine Hochschule besuchen würden, gibt es viele Fragen und Unsicherheiten.“

 

Ein wichtiger Teil dieser Arbeit ist der Besuch von Schulen. „Wir sprechen dort mit den Klassen, informieren in Sachen Studium und motivieren“, erklärt Paulina Bloss. Die Initiative existiert bundesweit seit 2008 mit 28 Ortsgruppen, unterstützt unter anderem vom Bildungsministerium. In Stuttgart sei die Ortsgruppe „schon fast genauso lang“ aktiv, seit November unterhält sie an der Universität Stuttgart an der Azenbergstraße ein Büro.

Der Stammtisch trifft sich einmal im Monat

Außerdem hat sich ein Stammtisch etabliert, der sich einmal im Monat trifft: Neben Paulina Bloss sind dort auch ehrenamtliche Mitarbeiter dabei, die wissen, wovon sie sprechen: Auch sie waren die jeweils ersten in ihrer Familie, die studiert haben.

Einer von ihnen ist Stefan Tritschler: „Viele lassen sich abschrecken, aber wir wollen jeden ermutigen“, sagt er. Es dürfe nicht an der Herkunft liegen, ob man studiere oder nicht. Tritschler hat nach dem Besuch der Haupt- und Realschule noch das Abitur nachgeholt und ein Studium absolviert, heute ist er Geschäftsführer eines Ingenieurbüros. „Mein Lebensweg soll auch ein Beispiel sein für junge Leute: Es geht, auch wenn es nicht einfach ist“, sagt er. „Meine Eltern konnten mir zwar inhaltlich nicht helfen, aber sie haben mich immer unterstützt.“ Er weiß, dass das nicht immer so ist.

Dass es vonseiten der Familie oft Bedenken gibt, wenn das Kind einen akademischen Weg einschlägt, bestätigt Paulina Bloss: „Oft sind sich die Eltern einfach nicht sicher, ob ein Studium ‚was Gescheites’ ist.“ Dabei ist es Stefan Tritschler wichtig, zu betonen, dass es nicht darum gehe, alle zu einem Studium zu überreden: Wenn jemand sich entscheide, doch lieber eine Ausbildung zu machen, sei das absolut in Ordnung. „Aber wir wollen ermutigen, ein Studium auf jeden Fall in Betracht zu ziehen.“

Sorge um das Geld

Die häufigste Sorge ist nach wie vor die Finanzierung eines Studiums. Paulina Bloss berichtet, dass die Jugendlichen Fragen zum Bafög, aber auch zu möglichen Stipendien stellten. In vielen nicht-akademischen Familien sei das Geld nicht da, um das Kind zu unterstützen, manchmal aber auch nicht der Wille: „Da heißt es dann: Ich habe mit 16 schon mein eigenes Geld verdient, mach du das auch so“, sagt Stefan Tritschler.

Daniela Romeo, eine weitere Ehrenamtliche, sagt: „Ich kenne die Schwierigkeiten und kann den Leuten darum gut helfen und Tipps geben.“ Das hält auch Wolfgang Karlstetter für elementar: „Ein Gefühl der Machbarkeit zu vermitteln, das ist oft schon die halbe Miete“, weiß er. Bei den „Arbeiterkindern“ habe oft niemand aus der Familie oder aus dem Freundeskreis Erfahrungswerte in Sachen Studium, bei Fragen fehle der Ansprechpartner.

„Momentan suchen wir konkret Kontakt zu Schulen in der Innenstadt, um dort die Schüler informieren zu können“, sagt Paulina Bloss. Viele junge Leute kämen auch während des Studiums weiterhin zu den Stammtischen, um sich auszutauschen. Darum bietet die Initiative nun zusätzlich auch ein Mentoring für den Berufseinstieg an sowie eine Beratung für Promotionsstudenten.

Mitmachen
Der offene Stammtisch der Initiative Arbeiterkind findet an jedem dritten Dienstag im Monat statt, jeweils ab 19.30 Uhr im Forum 3, Gymnasiumstraße 21. Dazu stoßen kann jeder, der möchte. Neue Mentoren sind ebenfalls jederzeit willkommen.

Kontakt
Auf www.arbeiterkind.de finden sich neben Terminen auch Informationen zu Studium und anderem, sowie der Link ins Online-Netzwerk. Erreichbar ist die Gruppe auch unter der E-Mailadresse stuttgart@arbeiterkind.de. Außerdem ist sie mit einem Stand auf der Bildungsmesse Horizon vertreten, die am 31. Januar und 1. Februar 2015 in der Schleyerhalle stattfindet.