1996, Killesbergmesse: 1,6 Millionen Besucher. 2010, neue Messe am Flughafen: 1,1 Millionen Besucher. Woran liegt das? Eine Erkundigung über Zahlenspiele bei Großprojekten.

Stuttgart - Die Bulldozer kamen im Morgengrauen. Damals im Herbst 2004 musste Walter Vohl die vielleicht bittersten Stunden seines Lebens durchstehen. Baubeginn für die neue Messe im grünen Winkel zwischen Autobahn und Flughafen. Beherzt hatte der Bauer gegen den Expansionsdrang übergeordneter Interessen gekämpft - und am Ende verloren.

Lange her. Das Widerstandsnest Leinfelden-Echterdingen nennt sich heute Messestadt. Die Hallen stehen, mehr als 800 Millionen Euro haben sie gekostet. Hübsche Hostessen verteilen im Auftrag der Rathausverwaltung bunte Werbeprospekte, wenn die Menschen durch die Pforten strömen. "Wir profitieren von der Messe", sagt Oberbürgermeister Roland Klenk. Weniger direkt über die Gewerbesteuer, eher indirekt über Hotel- und Bordellbetten und doppelt so viele Übernachtungsgäste. Auch Walter Vohl hat sich mittlerweile gewöhnt an das Neue, das dem Alten nicht sehr gleicht. Nur manchmal zwicken sie ihn noch, die Wunden der Vergangenheit. So wie jetzt.

Publikum lässt noch zu wünschen übrig


Dabei waren es eigentlich nur Zahlen, die Messe-Chef Ulrich Kromer vor zwei Wochen der Öffentlichkeit präsentiert hat. "Wir haben deutlich besser als geplant abgeschnitten", frohlockte der Geschäftsführer bei der Bilanzpressekonferenz und brannte ein wahres Feuerwerk ab. 80 Prozent mehr Aussteller, mit denen der Löwenanteil des Geschäfts gemacht wird. Umsatz auf 110 Millionen fast verdoppelt. Nur das Publikum lässt gegenüber der alten Messe noch ein bisschen zu wünschen übrig: 1,1 Millionen Besucher seien es jetzt, sagte Kromer. Auf dem Killesberg waren es 1996 mehr als 1,6 Millionen.

Mit dem Erfolg ist es wie mit dem Salzwasser. Wenn man davon trinkt, wird man immer durstiger. Vielleicht erklärt das, warum sich Ulrich Kromer bei der Präsentation seiner achtbaren Zahlen vor aller Ohren plötzlich und unerwartet zu einem verbalen Seitenhieb hinreißen ließ, der nun weithin nachhallt. Angesprochen auf den Publikumsmagneten Killesberg, schenkte der selbstbewusste Manager einer folgenschweren Botschaft die Freiheit: "Damals hat man Zahlen in die Welt gesetzt, die nicht der Realität entsprachen!"