Die alte Mittelleitplanke hat ausgedient. Neue Systeme sollen selbst tonnenschwere Lastwagen aufhalten können. Deshalb wird auf Autobahnen und mehrspurigen Bundesstraßen jede Menge Stahl in den Boden gerammt. Das führt zu Staus.

Tübingen - Sie sind höher, stabiler und sollen die Zahl an schweren Unfällen auf deutschen Straßen verringern: die neuen Mittelleitplanken. Wer in diesen Tagen von Tübingen nach Stuttgart fährt, wird gleich hinter der Unistadt von einer Baustelle auf der Bundesstraße 27 ausgebremst. Dort rammen schwere Maschinen Stahlpfosten in den Boden, dort werden über etliche Kilometer Schutzplankenholme und Deformationsrohre festgeschraubt – alles um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Denn tonnenschwere Lastwagen sollen künftig die Planken nicht mehr durchbrechen können, sondern daran abprallen. Und das lässt sich der Bund viel kosten.

 

Längst nicht nur bei Tübingen werden die modernen Fahrzeug-Rückhaltesysteme verbaut, so heißen die Planken im Amtsjargon. In ganz Deutschland bahnt sich etwa das System Super Rail seinen Weg und wird seit einigen Jahren entlang von Autobahnen und Bundesstraßen installiert. Die einzige Konkurrenz zum Stahlsystem ist die Mittelleitplanke aus Beton. Die massiven Schutzwände müssen nach einem Unfall meist nicht repariert werden und sind deshalb im Unterhalt günstiger. Der Bau allerdings ist um einiges teurer.

„Die Umrüstung ist eine Mammutaufgabe“, sagt Bertram Menner, Leiter des Abteilung Straßenbetrieb im Regierungspräsidium Tübingen. Er ist froh darüber, dass es an Bundesmitteln zur Umsetzung nicht mangelt. Rund ein Drittel der großen Straßen unter seiner Verantwortung sei seit Einführung der Richtlinie des Bundesverkehrsministeriums im Jahr 2009 mit modernen Leitplanken ausgestattet worden. Das werde sukzessive gemacht – bei anstehenden Belagarbeiten, bei Neubaustrecken oder ganz vordringlich an besonders unfallträchtigen Abschnitten. „Wir wollen die Schutzeinrichtungen auf den neuesten Stand bringen – und machen das nach Kräften und nach Kapazitäten“, sagt Menner. Verglichen mit den Gesamtausgaben für die Erhaltung der Straßen sei der Bereich Leitplanke allerdings nur ein kleinerer Brocken. Rund 15 000 Euro kostet ein Kilometer Mittelleitplanke im Schnitt.

Eine Umrüstung geschieht nicht auf Knopfdruck

Die Systeme sind wesentlich leistungsfähiger als früher, erklärt Bernd Wilmsmann von Volkmann & Rossbach, einer Firma in Montabaur, die Schutzplanken herstellt und regelmäßig auch nach Baden-Württemberg liefert. „Auf einer Autobahn muss im Mittelstreifen ein 13-Tonnen-Lastwagen aufgehalten werden können“, sagt Wilmsmann, auf einer Bundesstraße werde mit einem 10-Tonnen-Laster gerechnet. Das seien europäische Richtlinien, die mittlerweile auch in Deutschland umgesetzt wurden. „So eine Umrüstung geschieht natürlich nicht auf Knopfdruck“, sagt Wilmsmann, der sich über gutes Geschäft in seiner Branche freuen kann – eines, das noch etliche Jahre anhalten wird. „Wir könnten allerdings noch viel bessere Stahlsysteme bauen“, sagt der Geschäftsführer, noch hochwertigere. Doch da komme sich das Budget mit den Möglichkeiten ins Gehege, da müsse auch immer die Frage bedacht werden: „Was ist vernünftig zu bauen?“

Klar ist, dass die alte Pfostengeneration nicht zuletzt angesichts des zunehmenden Schwerlastverkehrs ausgedient hat. Auf 1000 Kilometer Autobahn und weiteren 500 Kilometer Bundesstraße wird in Baden-Württemberg nach und nach umgerüstet. Gesamtkosten: mindestens 100 Millionen Euro. Die neuen Mittelleitplanken sind Teil eines umfassenderen Verkehrssicherheitskonzepts, dessen Ziel die Verringerung der Verkehrstoten und Verletzten ist.

Leitplanken sind Lebensretter

Bundesweit sind im vergangenen Jahr 3475 Menschen bei Verkehrsunfällen gestorben. Das sind 98 Todesopfer mehr als 2014. Der historisch niedrigste Stand seit 1950 war im Jahr 2013 erreicht worden – mit 3339 Toten. Als mögliche Lebensretter bezeichnet Jürgen Berlitz, Fachreferent beim ADAC, die neuen Leitplanken und hält die Investition in die passive Sicherheit auf den Straßen für ausgesprochen sinnvoll. „Dadurch wird ganz klar die Unfallschwere gemindert“, sagt er. Allerdings müsse auch der Fahrer seinen Teil zur Sicherheit beitragen und beispielsweise seinen Gurt anlegen oder nicht zum Mobiltelefon greifen.

Ein Praktiker, der viele Erfahrungen mit dem Stahlsystem gesammelt hat, ist Joachim Linder. Der Geschäftsführer von GfS, einer Ulmer Firma, die Leitplanken montiert, hat auf der A 8 vom Aichelberg bis nach Wendlingen (Kreis Esslingen) bereits 2009 Super Rail installiert. „Wir hatten bisher keinen einzigen Lkw-Durchbruch mehr“, betont Linder. Er muss es wissen, denn er hat auch den Wartungsvertrag für die etwa 25 Kilometer lange Strecke. Der Sprecher des Polizeipräsidiums Ulm kann dies weder dementieren noch bestätigen. „Wir erfassen zwar die Unfalle“, sagt er, „aber nach Leitplankendurchbrüchen können wir nicht gezielt suchen.“

Wie der Kaffee zum Frühstück so gehört der morgendliche Stau zur Fahrt auf der B 27 zwischen Tübingen und Stuttgart. Recht autofahrerfreundlich – erst gegen 9 Uhr – beginnt der Bautrupp mit seiner Arbeit. Er wandert pfostenweise Richtung Landeshauptstadt, rund sieben Wochen lang, so hat das Landratsamt Reutlingen informiert. Auf Höhe von Filderstadt im Landkreis Esslingen wartet dann gleich die nächste B-27-Baustelle: dort wird vor allem in den Nachtstunden gearbeitet – es gibt neue Mittelleitplanken.