Friederike Weltzien wird am Sonntag als Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde eingeführt. Sie möchte einen Kindergottesdienst einführen, am liebsten parallel zum Gottesdienst für die Erwachsenen.

Obertürkheim - Sie hat sich schon länger eine eigene Gemeinde gewünscht. In den vergangenen fünf Jahren hatte Friederike Weltzien als Seelsorgerin am Krankenhaus vom Roten Kreuz in Bad Cannstatt und am Karl-Olga-Krankenhaus in Stuttgart-Ost gearbeitet. Eine spannende Aufgabe, aber die einer Einzelkämpferin. „Ich hatte das Bedürfnis, wieder in einer Gemeinde anzukommen“, sagt die 56-Jährige.

 

Der Kontakt zu Obertürkheim sei über Ralf Vogel zustande gekommen. Sie kenne den Pfarrer der bis weit über die Grenzen des Bezirks hinaus bekannten Nachtschicht-Gottesdienste schon lange. „Ich habe mit Ralf Vogel in einer Tanz-Theater-Gruppe getanzt.“ Das sei bestimmt 20 Jahre her, erzählt die Mutter von vier Kindern. Bislang hat Friederike Weltzien mit ihrer Familie in Feuerbach gelebt. Bis auf die Nachtschicht-Gottesdienste habe sie von Obertürkheim nicht viel gekannt, erzählt sie. Seit gut drei Wochen lebt sie nun im Stadtbezirk, im Pfarrhaus an der Uhlbacher Straße, gemeinsam mit ihrem Mann, ihrem jüngsten Sohn und der Mischlingshündin Jana. Das erste, was sie von ihrer neuen Heimat mitbekommen habe, sei der Uhlbacher Herbst gewesen.

Seit drei Wochen im Pfarrhaus

„Ich dachte, ich bin in einer anderen Welt gelandet“, sagt sie lachend. Der Bezirk habe sich seinen dörflichen Charakter bewahrt; und zwar im positiven Sinne. Die Menschen seien an ihrer Umwelt interessiert, sie würden sie auf der Straße ansprechen oder im Pfarrhaus vorbeikommen. Und: „Ich finde die beide Kirchen sehr schön“, sowohl die Andreaskirche als auch die Petruskirche.

Wenn Friederike Weltzien in ein paar Tagen offiziell mit ihrer Arbeit in Obertürkheim beginnt, haben die Kinder für sie Priorität. Sie möchte einen Kindergottesdienst einführen, am liebsten parallel zum Gottesdienst für die Erwachsenen. Dieses Projekt brenne ihr unter den Nägeln, sagt sie und ergänzt: „Kinder haben ein Recht auf Religion.“ Das ist einer dieser tiefgründigen Sätze, die der 56-Jährigen so selbstverständlich bei einer Tasse Kaffee über die Lippen kommen.

Friederike Weltzien ist kein oberflächlicher Mensch. Das liegt vermutlich auch an ihrer eigenen Biografie. Mit vier Jahren zog sie mit ihren Eltern in den Libanon. Ihr Vater übernahm dort als Professor einen Lehrstuhl zur Erforschung von Pflanzenkrankheiten. Die gebürtige Stuttgarterin verbrachte ihre Kindheit in dem arabischen Land. Erst als 1975 der Bürgerkrieg ausbrach, kehrte sie endgültig nach Deutschland zurück. 1999 ging sie dann aber für weitere neun Jahre erneut in den Libanon, dieses Mal als Pfarrerin gemeinsam mit ihrem Mann und ihren drei Kindern. Ihr jüngster, heute elf Jahre alter Sohn ist im Nahen Osten zur Welt gekommen. Zusammen mit ihrem Mann betreute sie die deutschsprachige Gemeinde Libanon/Syrien. Außerdem baute sie das Netzwerk „Gemeinsam gegen Gewalt“ auf, das sich vor allem gegen Ehrenmorde und Zwangsehen einsetzt.

Orientalische Kultur näher bringen

An den Libanesen schätze sie besonders ihre Begeisterung für Kinder, sagt Friederike Weltzien. Sie selbst habe als Kind nie das Gefühl gehabt zu stören. Auch das ist vermutlich ein Grund, warum der Mutter von vier Kindern heute die kleinen Gemeindemitglieder so sehr am Herzen liegen. Auch der zweite Schwerpunkt, den die 56-Jährige bei ihrer zukünftigen Arbeit als Pfarrerin in Obertürkheim setzen möchte, hat viel mit ihrer eigenen Biografie zu tun. „Ich fühle mich als Botschafterin“, sagt sie. Sie möchte den Kontakt zur muslimischen Bevölkerung ausbauen, den Menschen den Islam und die orientalische Kultur näher bringen, um so Ängste abzubauen.

Nach wie vor engagiert sich die Pfarrerin für die Menschen im Libanon. Sie hat viele Freunde dort, verbringt einen Großteil ihres Urlaubs in dem arabischen Land. „Ich lebe in zwei Welten“, sagt sie und eine dieser Welten wird in Zukunft Obertürkheim sein. Eine Entscheidung, über die Ulrich Schlumberger, der erste Vorsitzende des Kirchengemeinderats Obertürkheim, sehr glücklich ist. Gerade mal vier Monate sei es her, dass sich Pfarrer Christian Kögler dazu entschieden habe, in Elternzeit zu gehen. „Ich hatte schon die Befürchtung, dass wir uns auf eine längere Vakanz einstellen müssen“, sagt Schlumberger. Der Vorsitzende des Kirchengemeinderats betont aber auch, dass sie keinesfalls jeden für den Posten genommen hätten. „Uns war wichtig, dass es jemand ist, der hierher passt“, sagt er. Friederike Weltzien habe nicht nur durch ihre gelungenen Predigten überzeugt, sondern auch durch „ihre große Kompetenz in der Seelsorge“. Das sei eine Fähigkeit, die insbesondere den älteren Gemeindemitgliedern zugute komme.