Claudia Neulinger ist die neue Leiterin der Grund- und Werkrealschule. Obwohl es momentan keine fünfte Klasse gibt, will sie die Einrichtung zur Gemeinschaftsschule entwickeln. Ohne weiterführende Schule im Ort ginge viel Potenzial verloren, sagt sie.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Stammheim - Wenn Claudia Neulinger in ihrem Rektorat aus dem Fenster schaut, blickt sie auf einen frisch renovierten Fachbau. Für knapp 3 Millionen Euro wurde er in den vergangenen zwei Jahren in Schuss gebracht: neue Technikräume, neuer Werkraum, neuer Musiksaal, neues Schülercafé mit Mensa. Im Hauptgebäude gibt es ein modernes Klassenzimmer für naturwissenschaftlichen Unterricht sowie einen neuen Computerraum. Auch ihr Büro und das Lehrerzimmer wurden erneuert. Allesamt ideale Voraussetzungen für guten Unterricht.

 

Auch was ihr Kollegium betrifft, gibt es für die 42-Jährige, die in den vergangenen fünf Jahren Konrektorin an der Jörg-Ratgeb-Schule in Neugereut war, keinen Grund zur klagen. Im Gegenteil. „Meine Kollegen sind sehr engagiert, offen für eine Entwicklung und bereit für Veränderung.“ Und auch der erste Eindruck, den Claudia Neulinger von den Elternbeirätinnen hat, ist durchweg positiv. „Ich freue sich auf die Zusammenarbeit.“

18 von 35 Werkrealschulen sollen geschlossen werden

Der einzige Wermutstropfen für die Schulleiterin ist die ungewisse Aussicht, wie es mit der Werkrealschule weitergehen wird. Wie berichtet, haben zu wenige Eltern ihre Kinder für die Werkrealschule in Stammheim angemeldet, so dass keine fünfte Klasse gebildet werden konnte. Sechste und siebte Klasse werden momentan gemeinsam unterrichtet.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Gemeinderat darüber nachdenkt, 18 von 35 Werkrealschulen zu schließen. Auch Stammheim steht auf der Liste. „Die Entscheidung, ob wir im kommenden Schuljahr Kinder für eine fünfte Klasse aufnehmen dürfen, fällt Ende Februar im Gemeinderat“, sagt Neulinger. „Falls ja, bräuchten wir 16 Anmeldungen.“ Sie hofft, dass man die Werkrealschule in Stammheim nicht auslaufen lässt, sondern weiterentwickelt. Statt die Werkrealschule zu schließen, solle der Fokus darauf gelegt werden, die Schule zu einer Gemeinschaftsschule zu entwickeln. „Wir wären in Stammheim bereit dafür, diesen Weg zu gehen. Wir brauchen Grundschüler und Schüler der Sekundarstufe – beide Altersgruppen sind wichtig für die Schulgemeinde, weil sie sich in ihrer Entwicklung gegenseitig unterstützen und sie so in ihrer Entwicklung optimal gefördert werden.“ Wie der Weg zur neuen Schulform genau aussehen soll, müsse mit Eltern und Lehrern gemeinsam erarbeitet werden. „Diese Schulart gibt es in dieser Form noch nicht. Wir müssen anfangen, Schule neu zu denken.“ Auch die Hilfestellung der Politik sei hierbei unerlässlich.

Stammheimer Runde fordert den Erhalt der Schule

Unterstützung erhält die neue Schulleiterin in ihrem Ansinnen nicht nur vom Kollegium und von den Elternbeiräten, sondern auch aus dem Bezirksbeirat und von der Stammheimer Runde, einem Zusammenschluss von Einrichtungen, die in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sind und zu dem neben Kirchen auch Vertreter der Polizei und der Verwaltung gehören. Die Stammheimer Runde hat einen Brief an die Stadträte und die Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann verfasst, in dem sie um Erhalt der Sekundarstufe bittet (siehe unten angehängten Text).

Nach Auffassung von Bezirksvorsteherin Susanne Korge gibt es unabhängig von dem Schreiben eine Entwicklung im Stadtbezirk, die man im Hinblick auf den Erhalt der weiterführenden Schule nicht außer Acht lassen sollte: Die Neubaugebiete, die dazu führen, dass sich kurz- und mittelfristig mehr Familien in Stammheim ansiedeln, ist Korge überzeugt: „Aktuell werden 43 Wohnungen an der Endschleife gebaut, im Gebiet Langenäcker-Wiesert, entstehen von 2016 an 320 neue Wohnungen, überwiegend für junge Familien – darauf müssen wir uns als Stadtbezirk und Schulstandort vorbereiten.“

Wenn sich Claudia Neulinger wünschen könnte, wie es in einem Jahr an ihrer Schule aussieht, sagt sie: „Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätten wir dann wieder eine fünfte Klasse, der Gemeinderat hätte der Bildung einer Gemeinschaftsschule zugestimmt, wir hätten das pädagogische Konzept dafür beim Ministerium eingereicht und würden nur noch auf das Okay warten, um loszulegen.“

Brief der Stammheimer Runde an die Stadträte:

„Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte, die Stammheimer Runde ist das Organ im Bezirk, das die Interessen und Belange der Kinder und Jugendlichen und der für sie zuständigen Einrichtungen nach außen vertritt. In dieser Funktion machen wir darauf aufmerksam, dass wir es für unerlässlich halten, den schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu erhalten, in unserem Stadtbezirk eine Schule mit Sekundarstufe besuchen zu können.

Die Stammheimer Bürger fühlen sich der Schule stark verbunden. Sie arbeitet in regem Kontakt mit einer Vielzahl von Stammheimer Institutionen, um den Schülerinnen und Schülern ein lebensnahes Lernen zu ermöglichen.

Das Kollegium der GWRS signalisiert sehr große Bereitschaft, sich zur Gemeinschaftsschule weiter zu entwickeln. Hierzu wäre es aber dringend geboten, die bereits bestehende Sekundarstufe nicht auslaufen zu lassen und somit den Eindruck einer sterbenden Schule zu erwecken. Wir möchten, dass Anstrengungen unternommen werden, um die für eine Klassenbildung notwendige Schülerzahl von mindestens 16 Anmeldungen für die Eingangsklasse zu bekommen. Es könnten auch im Rahmen der Schülerlenkung Jugendliche anderer Stadtteile nach Stammheim geleitet werden.

Wir verfügen in Stammheim über ein vorbildlich aufgebautes Netzwerk von Schulsozialarbeit, offener und nun auch mobiler Jugendarbeit. Dessen Wirken ist maßgeblich von der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Schule abhängig. Umgekehrt ist genau diese enge Zusammenarbeit für alle Schülerinnen und Schüler der Schule von direktem Nutzen. Sie profitieren von den Möglichkeiten des sozialen Lernens in Projekten, die gemeinsam mit besagten Einrichtungen durchgeführt und weiterentwickelt werden. Das Auslaufen der Sekundarstufe in Stammheim ist für die Jugendarbeit bereits jetzt deutlich zu spüren und es ist zu befürchten, dass der bisher gute Kontakt zu unseren Jugendlichen weiter nachlässt und uns so dringend notwendige Möglichkeiten der Einflussnahme und Anleitung verloren gehen. Dies alles wieder aufbauen zu müssen, würde unnötiger Weise unglaublich viel zusätzliche Zeit und Energie kosten.

Sollte die Werkrealschule auslaufen, entstünde ein Vakuum, das weder der Schule noch dem Stadtbezirk gut tun würde.

Wir bitten Sie, dies zu bedenken und uns die Möglichkeit zu geben, für das Schuljahr 2013/14 eine Eingangsklasse bilden zu dürfen.“