Serien werden immer beliebter. Sat 1 möchte mit „Mila“ an frühere Erfolge anknüpfen. Der Ex-GZSZ-Star Susan Sideropoulos spielt die Titelheldin.

Stuttgart - Shows und große Fernsehfilme finden viel Publikum, aber jeder Senderchef weiß: Nichts bindet Zuschauer so sehr an ein Programm wie eine Serie. Und kaum ein Genre erfreut sich ähnlich großer Beliebtheit. Drei Viertel der Deutschen schaut sich laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Goldmedia regelmäßig wenigstens eine Serie an. Gerade das bei den Sendern so begehrte junge Publikum hat ausgesprochene Lieblingsserien. Die stammen zwar meist aus Amerika, aber dafür sind ältere Zuschauer umso größere Fans einheimischer Produktionen.

 

Mit „Mila“ versucht Sat 1 nun, beide Zielgruppen unter einen Hut zu bekommen und den Serienfluch zu brechen. Mit Ausnahme vom „Letzten Bullen“ und „Danni Lowinski“ wurden in den letzten Jahren die meisten Serienproduktionen für Privatsender entweder vorzeitig eingestellt oder zumindest nicht fortgesetzt. Nun soll „Mila“ nach Möglichkeit an frühere Erfolge anknüpfen. Ähnlich wie „Verliebt in Berlin“ (2005 bis 2007) mit Alexandra Neldel und „Anna sucht die Liebe“ (2008 bis 2012) mit Jeanette Biedermann und im Unterschied zu Ensembleproduktionen wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (RTL) konzentriert sich die Serie auf die von Susan Sideropoulos verkörperte Titelheldin.

Andere tägliche Serien, erläutert der Produzent Guido Reinhardt von UFA Serial Drama, seien viel breiter erzählt und bestünden in der Regel aus drei gleichwertigen Handlungssträngen pro Episode mit unterschiedlichen Vorzeichen (Drama, Beziehung, Comic Relief). „Darauf basiert auch ihr lang anhaltender Erfolg. ‚Mila‘ kommt dagegen ganz ohne Drama aus, die Serie ist lebensbejahende leichte Unterhaltung, das wird auch durch die kunterbunte Optik signalisiert. Ähnlich wie bei Telenovelas sind Anfang und Ende der Geschichte zwar klar definiert, aber unser Ansatz ist alltagsnäher, zugespitzter und humorvoller,“ sagt Reinhardt.

Inhaltliche Übersichtlichkeit heißt das Rezept

Wer jedoch ein Problem mit dem früheren „GZSZ“-Star Sideropoulos hat, für den ist die Serie gestorben. Zu „Mila“ passt die hier etwas hyperventiliert agierende blonde Schauspielerin mit den griechisch-israelischen Wurzeln allerdings gut, denn die einzelnen Folgen bestehen vor allem aus knallbunter Oberfläche. Der Handlungskern ist dagegen von bemerkenswerter Übersichtlichkeit und lässt sich auf vier Wörter reduzieren: Mila sucht die Liebe. Andererseits hat inhaltliche Übersichtlichkeit nur selten einen Erfolg verhindert. Nun muss sich nur noch zeigen, ob die große Zeit des Genres nicht vorbei ist.

Reinhardt glaubt das nicht. Der Produzent ist neben „Mila“ auch für „GZSZ“, „Alles was zählt“ und „Unter uns“ (alle RTL) verantwortlich. Er hält die Resonanz auf die täglichen Serien „gerade angesichts der gesamtmedialen Veränderungen für nach wie vor konstant“. Das Publikum sei mitgewachsen und heutzutage älter als noch vor zehn oder 15 Jahren: „Damals war ‚GZSZ‘ für Jugendliche das Medium schlechthin. Der heutigen You-Tube-Generation stehen ganz andere Angebote zur Verfügung.“ Trotzdem sei „GZSZ“ zusammen mit „Alles was zählt“ immer noch stark in den Top 20 der Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren vertreten.

Die Goldmedia-Studie unterstützt Reinhardts Aussage. Die Deutschen verfolgen im Schnitt zweieinhalb Serien regelmäßig, jeder Vierte hat sogar vier Favoriten, und am beliebtesten sind Soaps. Deshalb macht sich Joachim Kosack, der als Sat-1-Chef für „Danni Lowinski“ und „Der letzte Bulle“ verantwortlich war und heute Geschäftsführer von UFA Fiction ist, auch überhaupt keine Sorgen um das Genre, schließlich gebe es bei ARD und ZDF „unfassbar viele Serien, die mit großem Erfolg laufen.“ Hauptursache für die Serienmisere bei den Privatsendern sind seiner Ansicht nach die fehlenden Programmplätze: „Im amerikanischen Fernsehen liegt die Floprate im Serienbereich bei 70 Prozent. Wenn ein Sender jedoch pro Jahr nur zwei Serien startet, kann man sich ausrechnen, wie lange es dauert, bis man die 30 Prozent findet, die wirklich überzeugen.“ Das Thema hat für den Produzenten aber auch eine medienjournalistische Dimension: „Einerseits wird den Sendern vorgeworfen, sie hielten nicht lange genug durch, wenn eine neue Serie nicht gut startet, andererseits wird täglich über jede Quote berichtet.“

Die Macher wünschen mehr Geduld bei neuen Serien

Habe eine Serie nach zwei Folgen nicht überzeugt, werde umgehend von den Online-Diensten ein Flop verkündet. So etwas trage „natürlich nicht dazu bei, den ohnehin schon großen Druck in den Sendern zu verringern, und der ist bei einer Serie noch größer als bei einem mehrere Millionen Euro teuren Event-Film.“ Kosack fordert daher, man solle neuen Serien mehr Zeit geben. „,Der letzte Bulle‘ und ,Danni Lowinski‘ waren zwei von fünf Serien, die ich bei Sat 1 verantwortet habe. Auf diese beiden hat vorher niemand gesetzt, die drei anderen sind megamäßig gefloppt. Das zeigt, wie unberechenbar dieses Geschäft ist.“

Trotzdem ist der UFA-Geschäftsführer überzeugt, „dass es immer wieder gelingen kann, eine geniale Serie zu kreieren, aber dafür ist eine bestimmte Anzahl an Fehlversuchen nötig. Ohne entsprechende Spielfläche wird es nicht funktionieren. Das ist der große Vorteil von ARD und ZDF mit ihren eingeführten Sendeplätzen und einem entsprechenden Stammpublikum“. Davon abgesehen sieht Kosack die deutsche Serien am Scheideweg: „In den letzten zwei Jahren sind mit ‚Weissensee‘, ‚Blochin‘ oder ‚Deutschland 83‘ Produktionen entstanden, die man noch vor einiger Zeit nicht für möglich gehalten hätte.“ Diese Serien sind allesamt horizontal erzählt, also im Grunde Spielfilme in mehreren Teilen. Kosack ist sicher, dass sich diese Erzählweise durchsetzen werde. Außerdem prophezeit er „weitere Kooperationen zwischen neuen Anbietern und klassischen Sendern, schon allein aus Gründen der Finanzierung. Es gibt eine Menge kreatives Potenzial in diesem Land, das werden sich auch die neuen Streaming-Dienste zunutze machen“.