RTL geht mit neuen Sendern an den Start – und praktiziert eine Art Recycling, indem es Altes aus den neunziger Jahren wiederholt.

Stuttgart - Abgesehen von den wenigen Haushalten, die sich immer noch im analogen Zeitalter befinden, können die Menschen hierzulande im Schnitt achtzig Fernsehprogramme empfangen, Pay-TV-Kunden und Besitzer einer Satellitenschüssel sogar noch mehr. Entsprechend tollkühn mutet es an, wenn TV-Konzerne neue Sender starten. Andererseits haben in den vergangenen Jahren einige auf spezielle Zielgruppen zugeschnittene Angebote wie die Pro-Sieben-Sat-1-Ableger Sixx (für Frauen zwischen 14 und 39 Jahren) oder Maxx (für echte Kerle zwischen 30 und 59) ihr Nischenpublikum gefunden. Solche Sender brauchen keine Topquoten und sind dennoch lukrativ, zumal ihr Programm zu großen Teilen aus Wiederholungen besteht.

 

Dutzende solcher Angebote

Gleiches gilt, wenn auch in ganz anderer Konsequenz, für Toggo plus, eine Neugründung von Super RTL, dem Marktführer unter den Kindersendern: Das am 4. Juni an den Start gehende Beiboot wiederholt das Programm des Mutterschiffs, allerdings zeitversetzt um eine Stunde. Das mag auf den ersten Blick seltsam wirken, kostet aber quasi nichts und hat außerdem Methode; anderswo, etwa in Großbritannien, gibt es Dutzende solcher Angebote. Die Maßnahme hat vor allem zwei Motive: Auch Kinder neigen dazu, gern mal umzuschalten, weil sie die Werbeinseln umgehen wollen oder weil anderswo vielleicht etwas Spannenderes läuft. Wenn eine der möglichen Alternativen ein Schwestersender ist, minimiert dies das Risiko, dass das junge Publikum bei der Konkurrenz landet.

Der im Januar 2014 im frei empfangbaren Fernsehen gestartete Disney Channel hat Super RTL Marktanteile und Werbeumsätze gekostet; dieser Verlust soll durch Toggo plus wettgemacht werden. Außerdem hat sich die Hauptsendezeit gerade der Älteren unter den 3- bis 13-Jährigen in den vergangenen Jahren stärker in den Abend verschoben. Bislang endet die Kinderschiene bei Super RTL sonntags bis donnerstags um 20.15 Uhr, dann laufen Arztserien wie „Dr. House“ oder Kinofilme. Bei Toggo plus verlängert sich die Kinderzeit nun bis 21.15 Uhr.

Weibliche Mitglieder

Für das andere Ende des kommerziellen Zielgruppenspektrums gibt es am 4. Juni ebenfalls etwas Neues – und auch in diesem Fall handelt es sich in Wirklichkeit um gebrauchte Ware: Als RTL vor 32 Jahren in Deutschland startete, hieß der Sender RTL plus, und so nennt die Kölner Fernsehfamilie auch ihr jüngstes Mitglied. Ähnlich wie der Pro-Sieben-Sat-1-Ableger Sat 1 Gold richtet sich RTL plus an die weiblichen Mitglieder der etwas reiferen Jahrgänge. Die Nachmittage zeigen rauf und runter Wiederholungen uralter Gerichtsshows und abends das Beste aus dem RTL-Archiv, darunter den einstigen Dauerbrenner „Hinter Gittern – Der Frauenknast“ (1997 bis 2007) oder, unvergessen, Sigmar Solbach als „Dr. Stefan Frank – Der Arzt, dem die Frauen vertrauen“ (1995 bis 2001). Immerhin gibt es auch ein paar Neuproduktionen: Exklusiv für RTL plus erleben Gameshow-Klassiker wie „Familienduell“ oder „Jeopardy“ ihr Comeback.

Kein Fernsehen, zumindest nicht im herkömmlichen Sinn, ist RTL 2 You, vom Muttersender daher auch keck als „Next-Generation-TV“ angekündigt. Das Ende Mai startende Angebot ist eine Art vorweggenommene Konkurrenz für das ab Herbst geplante Jugendprogramm von ARD und ZDF und wird wie dieses ausschließlich via Internet verbreitet. RTL 2 You wird zwar nicht zuletzt aus Wiederholungen erfolgreicher RTL-2-Pseudoku-Serien wie „Berlin – Tag & Nacht“ und „Köln 50667“ bestehen, doch diese bei der Zielgruppe etablierten Marken werden vor allem als Lockmittel dienen. Das Programm soll ausdrücklich keine Resterampe sein, sondern vor allem aus leicht verdaulichen Produktionen bestehen, wie sie auch in dem einen oder anderen You-Tube-Kanal zu sehen sind.

Angebot auf dem Smartphone

Für eine tägliche Drei-Stunden-Strecke konnten zum Beispiel die Macher des recht erfolgreichen Hamburger Rocket Beans TV gewonnen werden. Weil die Macher davon ausgehen, dass die Konsumenten das Angebot in erster Linie auf dem Smartphone nutzen und klassische 30-Sekunden-Werbespots auf kleinen Bildschirmen erfahrungsgemäß nicht funktionieren, ist auch in dieser Hinsicht Kreativität gefragt, zumal die Spots die individuellen Bedürfnisse des Nutzers möglichst gut treffen sollen. Clever ist zudem der Werbespruch „Läuft bei Dir“. Das Motto verdeutlicht nicht nur, an welche Zielgruppe sich das Programm richtet, es macht auch klar, dass RTL 2 You kein klassisches Angebot, sondern Fernsehen „to go“ ist: als kleiner Happen zwischendurch, während man im Bus oder in der S-Bahn sitzt.