Feminismus und Frauenthemen sind plötzlich überall. Wann, wenn nicht jetzt? Und hier kommen die aktuellen Geschichten dazu: Im deutschen Fernsehen startet dieser Tage die US-Serie „I love Dick“, und die letzte Staffel von „Girls“ läuft an.

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Stuttgart - „Mach ma’ die Füße schön!“, quietscht es in diesen Wochen wieder auf Pro Sieben bei „Germany’s Next Topmodel“. Den Trash-Genuss beiseitegelassen, tut es weh, wie Heidi Klum in ihrem Mädchenpensionat jungen Frauen den Rücken krumm biegt. Wie zwei 50-jährige Loser-Typen in der Jury bildschönen Mädchen befehlen, was sie tun sollen, damit „der Kunde zufrieden ist“.

 

Ganz unernst kann man nicht mehr bleiben, denn wir leben in einer Welt, in der der amerikanische Präsident behauptet, Frauen könne man einfach ans Geschlecht fassen. Lena Dunham, Feministin und Autorin der amerikanischen Serie „Girls“, sagte jüngst: „In dieser neuen Zeit werden wir alle radikalisiert.“

Und natürlich hat das nicht erst mit Trump begonnen, schon länger finden auch in Europa mit den konservativen und rechtsradikalen politischen Bewegungen rückständige und respektlose Gedanken über Frauen und Minderheiten zurück in die gesellschaftliche Mitte. Konsterniert scheinen manche Frauen erst jetzt festzustellen, dass es mit der Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter wohl doch noch nicht so weit her sein.

Feminismus ist inzwischen ein cooles Label

Also: It’s on. Frauenthemen sind plötzlich überall. Während sich manche noch über Transgender-Toiletten echauffieren, hat die nischenhafte feministische Theorie der vergangenen Jahrzehnte längst den Mainstream erreicht. Feminismus ist nichts mehr, das man studiert haben muss, das ist keine alte Lady mit Achselhaar und Damenbart, die alle Männer hasst. Feminismus ist neuerdings ein cooles Label, das ist Beyoncé oder ein T-Shirt mit provokantem Slogan von H&M. Für viele Frauen erscheint es immer wichtiger, öffentlich zu sagen: Ich bin Feministin. Autorinnen und Bloggerinnen veröffentlichen kluge und witzige feministische Serien, Filme, Ideen, Statements, Magazine – mit wachsendem Erfolg.

Zwei der Serien aus diesem Genre starten dieser Tage im deutschen Fernsehen. Lena Dunhams von vielen heiß ersehnte letzte Staffel von „Girls“ läuft beim deutschen Bezahlsender TNT Comedy an. Seit dem Start im Jahr 2012 war „Girls“ eines der am meisten zitierten, besprochenen und genrebestimmenden Formate des westlichen Fernsehens, eine Serie, die den neuen Feminismus der vergangenen Jahre stark geprägt hat. Wurde „Girls“ anfangs noch mit „Sex and the City“ aus den 90ern verglichen, so ist sie es mittlerweile selbst, die die Maßstäbe setzt für alles, was man über junge Frauen, Sex, Freundschaft und Großstadt sagen kann – und dafür, wie man es sagt. Mittlerweile sprechen Frauen auch im Internet und in den Medien viel offener, selbstironischer, lockerer über sich selbst: über ihre Mängel, ihr Scheitern, ihr Begehren, den Sex, ihren Körper, offene Diskriminierung und Sexismus.

Lena Dunham, die Hauptdarstellerin und Autorin, zeigt in „Girls“ mit ihrem Körper ein Gegenbild zum normierten Hollywoodaussehen. Hanna Horvath, ihre Figur, ist ein normales Mädchen mit merkwürdigen Klamotten, einem chaotischen Leben. Man sah Hannah nackt beim Tischtennisspielen, mit Blasenentzündung auf dem Klo und natürlich immer wieder: beim Sex (und zwar ohne BH oder Bettdecke). Hannah ist Angehörige einer Generation, die nie erwachsen zu werden scheint – und in der letzten Staffel geschieht nun, womit die Fans wohl am wenigsten gerechnet hätten: Hannah ist schwanger.

Dunhams Show war oft lustig, tragikomisch, unterhaltsam, ging in ihrer schonungslosen Offenheit manchmal aber bis an die Nervengrenzen, was viele jetzt auch vom neuen Projekt der Regisseurin Jill Soloway erwarten.

Die Liebe zum Macker wird zur Besessenheit

In „I love Dick“, das vom 12. Mai an bei Amazon Prime zu sehen sein wird, rührt Soloway zusammen, was bisher in den Regalen progressiver Geisteswissenschaftler verstaubt war. Den feministischen Roman „I love Dick“ der Autorin Chris Kraus aus den 90ern verwandelt Soloway in ein cooles Setting mit Hollywood-Stars in den Hauptrollen. Soloway hatte zuvor viel Aufmerksamkeit für „Transparent“ bekommen, einer Serie über einen Familienvater, der sich in eine Frau verwandeln möchte. Und sie betonte, mit „I love Dick“ wolle sie für das weibliche Begehren das tun, was „Transparent“ für die Transgender-Problematik getan hatte: Sie möchte zeigen, wie wichtig, schwierig, aber auch amüsant und unterhaltsam es sein kann, genauer auf diese an den Rand gedrängten Sichtweisen zu schauen.

In der neuen Serie geht es wie im Buch um eine Filmemacherin, die sich in den machohaften, irren Kollegen ihres Mannes verknallt – und deren Verliebtheit in diesen Dick zu einer Obsession wird. Sie schreibt und fantasiert, tut das mitunter sogar zusammen mit ihrem Ehemann. Im Buch sind es sehnsuchtsvolle Briefe, Tagebucheinträge und kritische Betrachtungen. Die Serie hat einen anderen Ansatz.

„I love Dick“ zeigt eine Frau, die nicht darauf wartet, begehrt zu werden

In einem Interview sagte Soloway, es gehe ihr darum, das Konzept des „Male Gaze“ umzukehren. Nicht der in Filmen und der Werbung sonst allgegenwärtige besitzergreifende männliche Blick (wie ihn Filmtheoretikerin Laura Mulvey in einem viel beachteten Aufsatz bereits in den 70er Jahren kritisierte) solle bei „I love Dick“ im Fokus stehen. Soloway will einen „Female Gaze“ erschaffen: Dick wird zum Liebesobjekt der Protagonistin. Neben den wahnwitzigen Dialogen und den hipsterhaften Bildern, die der Zuschauer nach dem bereits veröffentlichten Pilot der Serie nun auch vom Rest der Episoden erwarten kann, sehen wir eine Frau, die begehrt und sucht. Eine Frau, die nicht nur begafft wird, sondern selbst die Blicke der Zuschauer lenkt.

Diese Entwicklungen sind es, die Millionen von Fans an solchen Serien lieben. Es soll schon lange nicht mehr wattebauschweich und pastellrosarot sein. Und das gilt im Besonderen für die Darstellung von Sex. Dabei wird manchmal schmerzlich bewusst, dass Frauen die engen Westen, die sie jahrelang einschnürten, natürlich nicht einfach von heute auf morgen ablegen können. Der Sex in „Girls“ oder „I love Dick“ ist manchmal kaum aushaltbar, so grauenhaft und damit wohl auch ehrlich, in einer Welt, in der die Frau wie bei „Germany’s Next Topmodel“ dazu erzogen wird, das zu tun, was der Mann will, zu gefallen, sich anzupassen und eine Rolle zu spielen.

„Girls“: immer dienstags um 21.25 Uhr als deutsche Erstausstrahlung auf TNT Comedy

„I Love Dick“: vom 12. Mai 2017 an bei Amazon Prime