Ein Jahrzehnt lässt fröhlich grüßen: Das Friedrichsbau-Theater zeigt seine neue Show „Neon – The living 80s“.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Woran merkt man, dass man älter wird? Wenn die eigene, längst abgeschlossene Jugendzeit inzwischen so gut abgehangen ist, dass sie auf den Unterhaltungsbühnen dieser Welt zum Thema von Mottoshows erklärt wird: „Neon – The living 80s“ heißt das neue Programm im Friedrichsbau-Varieté auf dem Stuttgarter Pragsattel, dort, wo man sich früher gern mit den Jahren des Rock ’n’ Roll, des Swing oder des Nachkriegsschlagers beschäftigte. Nun also ist man auf der Suche nach nostalgischen Gefühlen für das Rahmenprogramm bei Vokuhila, Stirnbändern, Zauberwürfel, Aerobic und der Erfindung der CD angekommen – alles Accessoires, die der Hausregisseur Ralph Sun liebevoll über das zweistündige Programm verteilt und so einem vom Altersschnitt her zweifellos sachkundigen Premierenpublikum zahlreiche Déja-vus und viel Vergnügen bereitet.

 

Klar, dass bei einer solchen Zeitreise die Musik eine große Rolle spielt. Die Berliner Sängerin Karina Klüber performt sich im Laufe des Abends in die Herzen der Zuschauer, ist mal ein bisschen Madonna („Like A Virgin“), mal Cyndi Lauper („Girls Just Wanna Have Fun“), mal Robin Beck („First Time“). Die Titel für den Abend sind zuvor vom Heilbronner Sender Radio Ton bei einer Hörerumfrage gesammelt worden. Das Haus ist beim Hitmix also ganz auf der sicheren Seite, sollte aber bei den kommenden Vorstellungen der ausstrahlungsstarken Künstlerin noch eine etwas bessere akustische Aussteuerung gönnen.

Entscheidend sind – wie immer -die Artisten

Die Basis aller Friedrichsbau-Programme sind die Artisten – und hier hat das Team um Gabriele Frenzel und Timo Steinhauer wieder große Qualität nach Stuttgart geholt. Der Berliner Pranay lässt bis zu drei Diabolos gleichzeitig an seiner Schnur sirren. Oscar Kaufmann, ebenfalls aus Berlin, sinkt im Cyr-Wheel kreisend beinahe komplett horizontal zu Boden, um dann – woher eigentlich? – neuen Schwung zu schöpfen und wieder ganz nach oben zu kommen. Der Ukrainer Sergey Timofeev präsentiert Zeitlupenartistik auf einem zauberwürfelähnlichen Gebilde, das noch dazu in sich beweglich ist und sich im Lauf der Darbietung nach Farben sortiert. Und auch das bulgarisch-spanische Kaskadeur-Duo Balkanica und die australische Hula-HoopKünstlerin Pippa begeistern das Publikum.

Seltsam, dass es gerade die Clowns und Zauberer im neuen Friedrichsbau oft ein wenig schwer haben. Anders als einst in der intimen Rotunde der L-Bank springt ihr Funke im weiten Kasten auf dem Pragsattel häufig nur zögerlich auf die Zuschauer über. Doch der Kanadier Maxime Poulin entlarvt sich zum Glück nach allerlei Auftaktsperenzchen bald als ein wahrer Virtuose auf dem Kunstfahrrad (klar, hier natürlich ein Bonanza), und das russische Quartett namens Alex Black Magic weiß das eine oder andere wackelnde Timing mit einer sehr coolen Show wettzumachen.

Ein schönes Finale, wenn mit versammelter Mannschaft Karina Klüber schließlich den Nena-Song von den „99 Luftballons“ zum Besten gibt. Unwillkürlich denkt man, dass der Hagenerin damit 1983 doch wirklich ein richtig schöner, zeitloser Song (und noch dazu ein Welthit) gelungen ist. Zeitlos? Ach je – irgendwie wirkt der Text auch schon wieder brandaktuell. Sehr großer Beifall.