Auf Hipsters Spuren, in urbanen Gärten, auf Naschsafari oder auf Weintour, Stuttgart Marketing bietet im Jahr 2018 neue Touren an, um die Stadt in all ihren Facetten zu entdecken.

Stuttgart - Der hiesige Menschenschlag neigt ja nicht zur Euphorie. Alles lompig, alles liedrig, sang die Kleine Tierschau einst das Hohelied des Bruddlers. Feinstaub, Baustellen, Staus – über die Erschwernisse des hiesigen Lebens kann sich der Schwabe ausführlich auslassen. So gelang es lange, erfolgreich zu verbergen, dass sich eine Reise nach Stuttgart lohnen könnte. Das klappt nicht mehr. Längst sind Touristen auch im Kessel ein gewohnter Anblick: 3,7 Millionen Übernachtungen verzeichnete man 2016, das sind eine Million mehr als 2010. Und die Leute will man ja auch beschäftigen. 2007 begnügte sich Stuttgart Marketing mit elf verschiedenen Stadtführungen, 2018 werden es 54 sein, angeboten in neun Sprachen – plus Schwäbisch.

 

Die Rundgänge mit Putzteufel Frau Schäufele und Hausmeister Herr Bruddler zählen übrigens zu den erfolgreichsten Touren. Und es sind nicht nur Reigschmeckte und Nordlichter, die sich auf diese Art der schwäbischen Seele nähern möchten. Auch Einheimische erfreuen sich daran, ihre Eigenheiten gespiegelt zu bekommen. Das Bedürfnis, die eigene Stadt neu oder wieder kennenzulernen, ist groß. Seit die roten Doppeldecker im Juni 2014 erstmals auf Fahrt durch die Stadt gingen, haben gut 200 000 Menschen auf den mittlerweile zwei Touren Stuttgart erkundet. 2017 waren es bis Oktober 66 500 Menschen, 25 Prozent mehr als im Vorjahr. 42 Prozent kamen aus der Region, 20 Prozent der Mitfahrenden übernachteten in Stuttgart, 29 Prozent waren Tagesgäste. Knapp die Hälfte der Leute ließ sich die Tour auf Schwäbisch erläutern, neun Prozent wählten Fremdsprachen.

Die Weißenhofsiedlung ist gefragt

Die Umfrage zeigte auch, wie wichtig Etiketten für den Tourismus sind. Bisher stiegen am Mercedes-Museum die meisten Menschen aus. In jüngerer Vergangenheit war aber eine andere Haltestelle interessanter: das Weißenhof-Museum. Dass das Ensemble nunmehr ein Weltkulturerbe ist, hat sich offenbar herumgesprochen.

Wer sich auskannte, wusste ja schon längst, dass die Häuser von Corbusier, Gropius und Mies van der Rohe eine Attraktion erster Güte sind, eine Tour dorthin gab es logischerweise schon längst. Die Kunst besteht aber mittlerweile darin, Nischen zu finden, das Gras wachsen zu hören. Deshalb gibt es 2018 an vier Samstagen Ausflüge zu den urbanen Gärtnern. So nennt man jene Menschen, die Brachen mit Pflanzen beleben. Etwa an den Wagenhallen, der Kulturinsel, an der Alten Weinsteige und auf dem Züblin-Parkhaus.

Auch auf den Hipster-Trail zwischen Marienplatz und Gerber darf man sich begeben, die Tour wird passend im Szene-Kauderwelsch „0711 Hotspot Stuttgart“ genannt. Weil die Wege des Zeitgeistes ja unergründlich sind, bleibt man bei der Gestaltung flexibel. Zeigen sich hippe, schöne Menschen und ihre Latte Soja sowie das Ziegenmilch-Rhabarber-Eis woanders, schaut man einfach dort vorbei.

Dreitägige Weintouren sind im Angebot

Neu ist auch eine Nachhaltigkeitstour zum Weltladen, zu Röstereien, zur Markthalle, zum Wochenmarkt, zu E-Bikes und begrünten Dächern. Nachhaltigkeit ist ja dem Schwaben nicht fremd. Die alte Unterhose taugte seit jeher zum Putzlappen. Der übrig gebliebene Pfannkuchen gibt wunderbare Flädle, das angemackte Obst einen herrlichen Most. Nachhaltigkeit drückt man auf schwäbisch so aus: Des tut’s no!

Beim Wein wiederum darf’s mittlerweile ein bissle mehr sein als nur ein Trollinger. Das will man auch zeigen. So gibt es eine Weinerlebnisführung in Untertürkheim und Obertürkheim samt Weinprobe. Die unternimmt man zu Fuß. Wer sich fahren lassen mag, kann dies im Doppeldeckerbus. Der macht sich an sechs Freitagen auf den Weg nach Rotenberg. Ganz gezielt an Auswärtige richtet sich das Angebot einer Weinreise. Freitags geht es ins Weinbaumuseum nach Uhlbach, Abendessen gibt es im Besen. Samstags geht es zu Fuß von Untertürkheim nach Fellbach zum Mittagessen und zur Weinprobe. Weiter geht es nach Strümpfelbach. Sonntags geht es mit dem Schiff nach Marbach entlang der Steillagen am Neckar.

Für die nötige Grundlage beim Weingenuss kann man selbst sorgen. In der Kochschule Ilzhöfers im vierten Stock bei Tritschler am Marktplatz kann man Maultaschen selbst machen und Kartoffelsalat. Natürlich ohne Mayo. Für den Nachtisch empfiehlt sich die Naschsafari durchs Heusteigviertel. Dabei wird man sicher auch lernen, dass der hiesige Menschenschlag ein räßer, aber Süßem durchaus aufgeschlossen ist. Und eine Erkenntnis wird Norddeutschen blühen: Man konn Roßbolla auch essen.