Der US-Sender CBS hat für 2017 einen „Star Trek“-Ableger für den Streamingdienst All Access angekündigt.

Stuttgart - Seit ein paar Tagen glüht der Warp-Antrieb der Fantasie aller „Star Trek“-Fans nahe an der Überhitzungsgrenze: Der US-TV-Koloss CBS hat eine neuen Serienableger des legendären Franchise angekündigt. Im Januar 2017 soll die erste Staffel auf Sendung gehen. Federführend soll der Produzent Alex Kurtzman sein, der zusammen mit dem Tausendsassa J. J. Abrams „Star Trek“ 2009 im Kino zu einer radikalen, von der Kritik wie vom Publikum begeistert aufgenommenen Verjüngungskur verholfen hatte.

 

Seit damals lag ein neuer Fernsehversuch in der Luft: Der Originalserie, deren Nachfolgerin „Star Trek: The Next Generation“ und zumindest noch deren Spin-off „Deep Space Nine“ darf man Kultstatus zugestehen. Die Nachfolger „Voyager“ und „Enterprise“ wurden zwar sehr viel verhaltener aufgenommen und trieben die Quote in den Keller, dennoch gab es immer Beobachter, die nicht das einst von dem Fernsehautor Gene Roddenberry entworfene „Star Trek“-Universum für auserzählt hielten, sondern lediglich einen Überdruss der Fans an halbgaren Konzepten vermuteten. Der Erfolg der neueren Kinofilme mit Chris Pine als jungem Captain James T. Kirk und Zachary Quinto als jungem Spock gibt ihnen wohl recht.

Spötter gibt es zuhauf

Zweifler, Stöhner und Spötter gibt es natürlich zuhauf. Die Serie sei an der Feigheit der Fernsehmacher eingegangen, die mit einem milliardenschweren Franchise keine Experimente wagen wollten und so auch Spockohrenträger der ersten Generation bis zum Umschaltpunkt gelangweilt hätten. Aber nach der CBS-Ankündigung sollte man sich ausnahmsweise auf Seite der Optimisten schlagen. „Star Trek“ ist kein Relikt der TV-Vergangenheit. „Star Trek“ war auch mit seinen späteren Ablegern immer viel zu früh dran. Die Serie versuchte nämlich, das neue goldene Zeitalter des Autorenfernsehens vornweg zu nehmen, bevor sich dessen Aufstieg auch nur erträumen ließ.

„Star Trek“ ist in den sechziger Jahren nicht auf den Bestellformularen einer vertraute Formeln einfordernden Senderhierarchie entstanden, sondern im Kopf von Gene Roddenberry. Der war ehemaliger Bomberpilot, früherer Redenschreiber des Polizeichefs von Los Angeles und dann professioneller Drehbuchautor fürs Fernsehen. Als Profi wusste er, was eigentlich immer ging – noch eine Sitcom um einen ulkige Familie, noch eine Westernserie mit einem Helden mit Grabschaufelkinn – und was gar nicht funktionierte: Science-Fiction nämlich.

Die Fanbasis, so die Branchenmeinung, sei zu klein, die Stoffe seien zu befremdlich fürs Durchschnittspublikum, und die Anforderungen einer Weltraumserie – Raumschiffe! Fremde Planeten! Vielerlei Aliens! – sprengten alle Budget- und Technikgrenzen einer TV-Produktion. Trotzdem dachte sich Roddenberry genau so eine Serie aus und holte dafür die Produktionsgesellschaft der Komikerin Lucille Ball ins Boot, die dringend einen Hit brauchte und bereit war, ein hohes Risiko einzugehen.

Roddenberry musste damals viele Kompromisse eingehen

Der mühselige Weg zur tatsächlichen ersten Staffel von „Star Trek“, die im September 1966 Erstausstrahlung hatte, ist Fernsehgeschichte und bis heute nicht ganz zu begreifen. Roddenberry muss enorme Überzeugungskraft an den Tag gelegt haben, denn er brachte den Sender NBC letztlich dazu, nicht Erfahrungswerten zu vertrauen, sondern der Vision eines Autors.

Tatsächlich musste er viele Kompromisse eingehen. Aber was er einer Welt präsentierte, die „Bonanza“ und „Rauchende Colts“ für den Goldstandard profitabler Abendunterhaltung hielt, ist schwindelerregend. Gerade auf dem Weg ins Unbekannte arbeitete er nicht mit Fernsehroutiniers, sondern mit der Creme der amerikanischen SF-Autoren: Schriftstellern, deren Romane und Kurzgeschichten den NBC-Leuten gewiss unbekannt waren und die ihnen bei Lektüre die Haare hätten zu Berge stehen lassen – Harlan Ellison etwa, Norman Spinrad und Theodore Sturgeon.

Mit anderen Worten: Roddenberry versuchte damals schon, sich einen Writers Room zusammenzustellen, also eine Truppe Schreiber, die auf Klischees pfeifen und zusammen mit einem Showrunner konsequent die Möglichkeiten und Verästelungen eines neune Konzepts erproben, so wie das viel später bei „The Wire“ und „Breaking Bad“ gehandhabt wurde.

Aus einem Nischenprodukt wurde ein Popkulturphänomen

Dass Roddenberry kein Gegenmodell zum üblichen Arbeiten etablieren konnte, lag an der verhaltenen Reaktion des Publikums. Die Einschaltquoten enttäuschten, nach einer Staffel sollte bereits wieder Schluss sein. Die beteiligten Autoren aber alarmierten das Netzwerk der SF-Fans, und so begann eine Briefkampagne mit Fortsetzungsbitten an NBC. Die Post kam aus der gebildeten, einkommenstarken, konsumfreudigen Mittelschicht: brauchbare Schützenhilfe beim Verkauf von Werbezeit. Motto: Wir haben weniger Zuschauer, aber die richtigen.

Zweimal klappte der Briefkampagnentrick, aber als auch die dritte Staffel sich nicht wirklich etablieren konnte, kam das Aus. Besser gesagt: der Start der eigentlichen „Star Trek“-Legende. Denn mit der Weitervermietung einer als Flop eingestuften Serie an kleinere Sender begann die fast unheimliche Popularisierung von Kirk & Co. Aus einem Nischenprodukt für den harten Kern der SF-Interessierten wurde ein gigantisches Popkulturphänomen.

CBS will das Publikum mit der neuen Serie auf seinem Gratiskanal nur anfüttern. Eigentliche Heimat der Neuauflage von „Star Trek“ soll der Streamingdienst CBS All Access werden, ein direkter Netflix-Konkurrent. Der CBS-Boss Leslie Moonves kopiert auch forsch die Netflix-Slogans von der Freiheit des Kunden, jederzeit alles auf einem Gerät seiner Wahl sehen zu dürfen. Wenn dieses Kopieren eines erfolgreichen Konkurrenten sich auch auf die ungestörte Stoffentwicklung durch Autoren bezieht, darf man auf diese „Star Trek“-Serie so gespannt sein wie auf keine zuvor.