Stuttgart hat eine neue Popband. Sie heißt Dia und bringt bei ihrem ersten Konzert am Samstag im Merlin gleich ihr Album raus. Wissen sie, was sie da tun?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Wenn die neue Stuttgarter Band Dia eine Fernsehshow wäre, dann „Geh aufs Ganze“. Das sagen sie selbst, das schreibt der geschätzte Kritikerkollege Kriest: „Volles Risiko, All in.“

 

In Zeiten digitaler Singleveröffentlichtungen, gestaffelter EP-Release-Partys (mit drei Songs je CD) und anderer Albernheiten wirkt es geradezu halsbrecherisch, beim ersten Konzert sogleich ein Album mit elf Songs darauf zu veröffentlichen. „All in“ heißt denn auch der zweite Song auf „Lass uns ein Stückchen gehen“.

Der erste, „Einsamkeit“, klingt so:

In den allerersten Sekunden könnte man glauben, auf einem HipHop-Album gelandet zu sein. Danach wird schnell klar, dass hier vielmehr Pop King ist, gern elektronisch, aber schon im dritten Song „Augenblick“ auch mal nur mit Akustikgitarre. Das erinnert dann auch wesentlich mehr an die Musik, die Dia – in anderer Besetzung – vor zweieinhalb Jahren gemacht haben, unter anderem im Jazzclub Bix.

2017 ist aber mehr Pop mit Synthesizer. Woher soll also der potenzielle Besucher der Release-Party am Samstag wissen, ob hinter dem Merlin-Tor der Hauptgewinn oder eher ein Zonk wartet? Für den Gitarristen Hannes Donel (sonst: The Ramblin’ Puppets) stellt sich die Frage gleich gar nicht. Seine Band mache Musik für musikalische Trüffelschweine und Popfans gleichermaßen. Lichtshow, Beamer etc. seien obligatorisch. Der Tontechniker René Jesser, der am Samstag im Merlin auch den Sound macht, habe zudem ein großes Problem deutscher Popmusik gelöst: „Die klingt nicht so gut, wie sie gemeint ist“, sagt Donel.

Von Null auf Hundert

Tatsächlich hört man dem Album die Ambitionen der Band an. Der Sound ist brillant und breit, aber nicht auf Überwältigung ausgelegt. Er lässt den Songs und Vitali Ehrets Stimme Raum, den der Gitarrist treffend als „Nuschler erster Klasse“ bezeichnet. Ehret schleift selbst einem Wort wie „elektrisiert“ jegliche Kanten ab und kriegt ähnlich viel Schmelz in die Stimme wie Maurice Ernst von Bilderbuch, die zufällig am Tag nach der Release-Party im Merlin spielen. Weiters in der Band: Annika Strobel am Bass, Peter-Philipp Röhm an den Keys und Steffen Fritz am Schlagzeug – alles junge Profis also.

Was diese Art von, wie man immer so schön sagt, zeitgenössischer Popmusik angeht, denkt man in Stuttgart bisher an The Andean Wolf oder Eau Rouge. Erstere sind über die Play-Live-Schiene gegangen, Letztere haben schon einen Club betrieben, 360-Grad-Konzerte gespielt und beim SXSW. Dia nennen, was die Einheit von großem Sound und gewichtigen Texten, zusätzlich Heisskalt als lokale Referenz – und gehen lieber von Null auf Hundert, mit Management, Tour im Herbst, weiteren Plänen.

Release-Party am Samstag

Wo sind Dia auf dem Kontinuum von authentisch bis Kunstfigur zu verorten? Zumindest werde man nicht mit Maske auf die Bühne treten, sagt Hannes Donel, „der Blick ist die Maske“. Eine Geschichte zum Albumcover (fotografiert vom Österreicher Franz Schmied), das eine Birkenstockträgerin mit Kippe sowie eine Bulldogge zeigt, will er keine Legende erzählen. Muss ja auch nicht immer sein, wenn die Musik gut ist.

Unterhaltsam wird dieser Dia-Abend auf jeden Fall. Also volles Risiko und hingehen: Samstag, 21 Uhr, Augustenstraße 72 in Stuttgart-West.

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