Die richtige Diagnose und eine individuelle Hautpflege helfen Betroffenen. Zielgerichtete Antikörper sollen die Therapie weiter verbessern.

Stuttgart - Die Haut ist trocken, schuppig, gerötet, häufig entzündet, juckt ständig, doch Kratzen macht alles nur noch schlimmer. Neurodermitis, auch als atopisches Ekzem oder atopische Dermitis bezeichnet, kann zur Qual werden. Nun soll eine neue Therapie Linderung bringen.

 

Es fängt mit einer Barrierestörung der Haut an. „Der Schutzmantel der Haut ist undicht, so dass Wasser von innen nach außen gelangen kann und sie trockener wird. Zugleich können Bakterien und Allergene nach innen gelangen“, erklärt der Dermatologe und Allergologe Amir Yazdi vom Universitätsklinikum Tübingen. Die Eindringlinge versetzen das Immunsystems in Alarmbereitschaft, eine Entzündung entsteht. Eine mechanische Reizung etwa durch Kleidung kann eine Neurodermitis ebenso verschlimmern wie Nahrungsmittel, trockene Luft und Infektionen.

Bei einem Teil der Betroffenen ist die Krankheit genetisch bedingt. Die Anfälligkeit wird ausgelöst durch eine Veränderung im Gen für das Strukturprotein Filaggrin, das normalerweise die Haut abdichtet. „Wir gehen davon aus, dass auch epigenetische Veränderungen durch Umweltfaktoren die Barrierestörung verursachen“, so die Dermatologin und Allergologin Claudia Traidl-Hoffmann, Direktorin des Instituts für Umweltmedizin der TU München. Zu diesen Faktoren gehören zum Beispiel Feinstaubbelastung sowie Rauchen oder Stress der Mutter während der Schwangerschaft.

Manchmal steckt eine Lebensmittelallergie hinter der Krankheit

Meist leiden die Betroffenen gleichzeitig auch an Heuschnupfen und allergischem Asthma. Eine genaue Diagnostik ist daher laut Traidl-Hoffmann sehr wichtig, um andere Allergien festzustellen, Auslösefaktoren zu bestimmen und sie anschließend so gut es geht zu vermeiden. Insbesondere bei Kindern steckt manchmal eine Lebensmittelallergie hinter einer Neurodermitis. „Labortests, die übers Internet angeboten werden und sogenannte Immunglobuline bestimmen, sagen überhaupt nichts aus. Auf Basis derartiger Tests durchgeführte Eliminationsdiäten, bei denen all jene Nahrungsmittel weggelassen werden, gegen die die Kinder angeblich allergisch sind, können zu Unterernährung führen und grenzen an Körperverletzung“, warnt Traidl-Hoffmann.

Grundlage für alle weiteren Therapiemaßnahmen ist die sogenannte Basistherapie, die auf jeden Patienten individuell abgestimmt werden muss. Eine Pflege der Haut durch rückfettende Cremes sollte täglich erfolgen. „Harnstoffhaltige Produkte brennen leicht auf der Haut. Der Harnstoff lagert sich in die Haut ein und sorgt dafür, dass der Wasserverlust kleiner ist, die Haut also weniger stark austrocknet. Für Säuglinge und Kleinkinder bis vier Jahre werden wegen des Brennens glyzerinhaltige Cremes verwendet“, erzählt Yazdi. Eine gute Schulung für Kinder und Eltern beispielsweise bei ärztlichen Neurodermitis-Trainern sei extrem wichtig. „Man muss ihnen genau zeigen, wie sie die Haut pflegen und wie viel und welche Creme sie auftragen müssen“, sagt der Tübinger Neurodermitis-Experte.

Feuchte Schlauchverbände, die nachts wie ein Strumpf übergezogen werden, wirken stark juckreizstillend. „Reicht die Basistherapie nicht aus, sind weitere Medikamente nötig, aber die Basistherapie muss trotzdem täglich fortgeführt werden“, sagt der Allergologe Amir Yazdi. Eine gute Basistherapie kann die gesunden Intervalle zwischen den Schüben verlängern und deren Intensität verringern, bestimmt also den Therapieerfolg maßgeblich.

Kortison-Cremes nur langsam absetzen

Die nächste Behandlungsstufe stellen Salben, Cremes und Lotionen mit antientzündlichen Wirkstoffen dar. Bei akuten Schüben sind entzündungshemmende Kortisonpräparate erste Wahl. „Sie sind sehr wirksam. Bei rein äußerlicher Anwendung gibt es bei den hochmodernen Kortisoncremes kaum Nebenwirkungen. Hautverdünnung und systemische Effekte sind bei den neuen Präparaten kaum mehr zu erwarten. Es ist wichtig, das Kortison kontinuierlich und proaktiv anzuwenden“, so Traidl-Hoffmann.

Da man der Haut nicht ansieht, wenn in der Tiefe noch aktive Zellen schlummern, kann ein schnelles Absetzen von Kortison häufig zum Wiederauflammen der Entzündung führen. Deswegen sollte man die Cremes einmal wöchentlich auftragen – quasi zur Prophylaxe. „Wenn die Therapie so durchgeführt wird, wird in der Summe weniger Kortison gebraucht, weil es gar nicht mehr zu starken Schüben kommt“, sagt Traidl-Hoffmann. Entzündungshemmende Calcineurin-Inhibitoren wie Tacrolimus-Salbe und Pimecrolimus-Creme sind in ihrer Wirkung etwas schwächer als kortisonhaltige Cremes oder Salben. Sie haben dafür den Vorteil, dass sie auch im Gesicht und für längere Zeit einsetzbar sind. Der Juckreiz verringert sich, und die schubfreie Zeit wird länger.

Bei schwerer Neurodermitis kann die systemische Gabe von Ciclosporin A über kurze Zeiträume das Immunsystem unterdrücken. Es wirkt aber sehr unspezifisch und kann Nebenwirkungen wie Blutdruckentgleisungen und Nierenfunktionsstörungen haben. „Außerdem kann es bei längerer Anwendung das Risiko für hellen Hautkrebs stark erhöhen“, warnt Yazdi.

Für die Therapie schwerer Neurodermitis wurde ein Antikörper namens Dupilumab in internationalen Studien getestet. Das Medikament wirkt zielgerichtet und verursacht deshalb kaum Nebenwirkungen. „Dupilumab ist sehr vielversprechend. Wir hoffen, dass es in Deutschland bald zugelassen wird“, so Traidl-Hoffmann. Eine ganze Reihe ähnlicher Medikamente werden derzeit getestet.

Für die meisten Jugendlichen ist mit Beginn des Erwachsenenalters zumindest der Neurodermitis-Schrecken vorbei. Offenbar gilt das nicht bei schwerer Neurodermitis. Welche Kinder werden zu den Glücklichen gehören, welche nicht? Das soll ein großes Neurodermitis-Register klären. Es wird derzeit – finanziert von der gemeinnützigen Christine-Kühne-Stiftung für Allergieforschung und Edukation (CK CARE) – aufgebaut. Bei den teilnehmenden Kindern und Erwachsenen bestimmte Blutwerte und untersuchte Hautabstriche sollen Hinweise auf Biomarker liefern.

Der neue Hoffnungsträger heißt Dupilumab

Info

Der Dermatologe und Allergologe Andreas Wollenberg, Leiter der Neurodermitis-Sprechstunde der Klinik und Poliklinik für Allergologie und Immunologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat eine Studie zu Dupilumab geleitet, die kürzlich im medizinischen Fachblatt „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde.

Der Antikörper Dupilumab zählt zu den sogenannten Biologica und wird einmal wöchentlich oder vierzehntäglich gespritzt. Er blockiert ein Protein, das als Andockstelle (Rezeptor) für bestimmte Interleukine an der Aktivierung eines Teils des Immunsystems beteiligt ist, und hemmt die Aktivierung auf diese Weise.

Der Antikörper ist vor allem für Patienten mit mittelschwerer und schwerer Neurodermitis gedacht. Die Studie wurde nur mit erwachsenen Neurodermitikern durchgeführt.

In der Studie zu Dupilumab wurden fast 1400 Männer und Frauen mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis mit Dupilumab oder Plazebo behandelt. Zwei Drittel der Probanden erhielten vier Monate lang Dupilumab wöchentlich oder vierzehntäglich in den Bauch gespritzt. Dem restlichen Probandendrittel wurde ein Plazebo injiziert. Der Antikörper braucht vier bis sechs Wochen, bis er seine volle Wirkung entfaltet. Nach und nach kam es bei einem Drittel bei Hautekzemen und Juckreiz zu einem deutlichen Therapieerfolg, bei den anderen mit Dupilumab kam es ebenfalls zu einer Besserung, die etwa drei Monate anhielt.

Je selektiver ein Medikament wirkt, desto weniger Nebenwirkungen treten auf. Dupilumab ist erstaunlich nebenwirkungsarm. Vereinzelt kam es zu leichten Infektionen wie Augenentzündungen.