Superhelden-Serien werden experimentierfreudig: Die Sitcom „Powerless“ erzählt von den Menschen, die sich im Schatten von Batman und Co. durchschlagen müssen, „Legion“ ist eine surreale Uminterpretation des „X-Men“-Stoffs.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - Wie lebt es sich in einer Welt voller Superhelden, wenn man selbst keine Superkräfte hat? Wie fühlt es sich an, wenn man wieder zu spät zur Arbeit kommt, weil man entweder in jener U-Bahn festsitzt, die ein Superschurke gerade entgleisen lässt, oder weil das Auto von einem durch die Luft geschleuderten Waggon zermantscht wird? Es ist nicht leicht, normal zu sein, wenn man in Charm City lebt. Doch zum Glück gibt es den Jack-Alert-Geruchsdetektor, der einen warnt, wenn sich ein Superschurke nähert. Oder den Rumbrella, einen ganz besonderen Regenschirm, der einen vor herabstürzenden Trümmern schützt.

 

Die Sitcom „Powerless“, die gerade in den USA gestartet ist, erzählt von solch kuriosen Gadgets und von der dauereuphorischen Produktentwicklerin Emily Locke (Vanessa Hudgens), die glaubt, auch ohne Superkräfte die Welt verbessern zu können. Sie arbeitet bei Wayne Security, einem Unternehmen, das sich auf Erfindungen spezialisiert hat, die Normalos davor bewahren, beim Kampf Gut gegen Böse als Kollateralschaden zu enden.

Ausweitung der Superhelden-Kampfzone

Die NBC-Serie „Powerless“, die im DC-Comicuniversum, also der Welt von Superman und Batman, spielt, weitet die Kampfzone des Superhelden-Genres aus. Nicht unbedingt dadurch, dass sie Menschen ohne Superkräfte zu ihren Hauptfiguren erklärt – das hat auch schon „Agents Of S.H.I.E.L.D“ gemacht. Sondern dadurch, dass sie daraus einen Komödienstoff macht. Das hat sich bisher eigentlich nur die „Batman“-Serie in den sechziger Jahren getraut. Angesichts des Superheldenbooms, der vor fünfzehn Jahren mit Sam Raimis Kinofilm „Spider-Man“ begann und der zunächst das Kino und dann das Fernsehen erfasst hat, ist es fast schon verwunderlich, dass es so lange gedauert hat, bis diese Welt endlich der Lächerlichkeit preisgegeben wird.

Die Fernsehadaptionen der Comicstoffe des DC- und des Marvel-Verlags hatten sich zuletzt vor allem darauf konzentriert, die dunklen Ecken der Superheldenuniversen zu erkunden. Fernsehserien wie „Gotham“, „Daredevil“, „Jessica Jones“ oder „Luke Cage“ inszenieren ja keine kunterbunten Actionspektakel, sondern urbane Albträume, in denen Gut und Böse nicht so leicht zu unterscheiden sind, Verbrecher sich austoben dürfen und es keinen Platz mehr für klassische Helden gibt.

Nachdem es aber inzwischen fast Routine ist, das Superheldentopos als Hardboiled-Krimi zu interpretieren, gibt sich die TV-Branche nun aber doch wieder experimentierfreudig. Fast zeitgleich mit der Sitcom „Powerless“, in der neben Vanessa Hudgens („Spring Breakers“) noch Danny Pudi („Community“) und Alan Tudyk („Firefly“) Hauptrollen übernommen haben, ist die Serie „Legion“ gestartet, die den „X-Men“-Kosmos aus einer bizarr verzerrten Perspektive neu betrachtet.

Ein schizophrener Superheld

Während die Sitcom „Powerless“ zeigt, dass es nicht leicht ist, normal zu sein, führt das Psychodrama „Legion“ vor, dass es auch nicht einfach ist, super zu sein. David Haller (Dan Stevens), den sie später Legion nennen werden, könnte zwar einer der mächtigsten Mutanten überhaupt sein, der je zu den X-Men gestoßen ist. Vor allem aber leidet er unter einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung: Er ist schizophren, hört Stimmen, sieht Dinge, die es gar nicht gibt, und hat seine Kräfte nicht unter Kontrolle. Nach einem Selbstmordversuch landet er in einem absurden Irrenhaus, aus dem ihn schließlich die X-Men befreien.

Noah Hawely, der zuvor das grandiose Seriendrama „Fargo“ entwickelt hat, lässt den Marvel-Comicstoff eher wie einen psychotischen Drogentrip aussehen. „Legion“ ist ein surreales Kammerspiel, das sich bei der Ausstattung, den Kostümen und dem Soundtrack von den Sixties inspirieren lässt und immer wieder vergnüglich abschweift, um sich in psychedelisch-verquere Bildmontagen und Albtraumsequenzen zu stürzen. So herrlich absurd und sonderbar wie in „Legion“ hat der Superheldenkosmos nie zuvor ausgesehen.