Eine neue Wählervereinigung will zu den Stuttgarter Kommunalwahlen antreten: Die Stadtisten fordern ein neues Klima in Stuttgart, haben aber noch kein klares politisches Profil. Stattdessen rufen sie dazu auf, ihnen Ideen und Vorschläge zu schicken.

Stuttgart - Schon so manche Wählervereinigung und neue Partei ist mit diesem Anspruch angetreten: anders zu sein als die anderen, transparenter, anders Politik zu machen. Auch die Stuttgarter Stadtisten haben sich das vorgenommen. „Wir haben die Nase voll von Phrasen und Floskeln“, sagt Thorsten Puttenat. Der Stuttgarter Musiker und stellvertretende Vorsitzende der Stadtisten hat im vergangenen Jahr die Gründung der neuen Gruppierung entscheidend vorangetrieben. Mit im Boot waren der Unternehmensberater Wolfram Bernhardt und der Elektroingenieur Ralph Schertlen – die 2012 im Oberbürgermeister-Wahlkampf noch als Konkurrenten gegeneinander angetreten waren. Nicht zuletzt der Streit um Stuttgart 21 und die Art und Weise, wie er ausgetragen wurde und wird, hat die drei und in Folge die anderen Stadtisten zusammen gebracht.

 

„Klima von Fairness und sozialer Wärme in Stuttgart“

Das „d“ im Namen ist programmatisch: Es soll zum Ausdruck bringen, dass sich die Mitglieder der Gruppe aktiv ins Stadtgeschehen einmischen und nicht als Statisten am Rand stehen wollen. Zunächst wollen sie aber ohne politisches Programm und ohne konkrete Forderung aus der Bürgerschaft heraus ihre „Haltung“ in die Stadt hineintragen. „Die Stadtisten verstehen sich als Ideenplattform für Menschen, die in einem Klima von Fairness und sozialer Wärme Stuttgart verändern wollen“, heißt es dazu auf ihrer Internetseite. Dort findet sich auch das „Stadtistische Manifest“, dem ein Zitat des Spätaufklärers Georg Christoph Lichtenberg (1742 bis 1799) vorangestellt ist: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber soviel kann ich sagen: es muß anders werden, wenn es gut werden soll.“

Ideenplattform statt klarem politischem Programm

Damit es anders und vielleicht sogar besser wird, rufen die Stadtisten dazu auf, ihnen Ideen, Wünsche, Vorschläge zu schicken. Gleichwohl haben sie zu verschiedenen Themen eine Meinung. Oder besser: eine Haltung. Unter der Überschrift „Raum“ etwa geht es ihnen um eine Stadtentwicklung mit „menschlichem Maßstab“ und „behutsamem Umbau unter Würdigung der bestehenden historischen Schichten“, bei der Mobilität streben sie „die Entlastung der Innenstadt bei gleichzeitiger guter Vernetzung nach außen“ an.

Zum „Wirtschaften“ heißt es: „Wenn wir unter Schaffen nicht die bloße Erwerbsarbeit verstehen, sondern auch das Wirtschaften, Hauswirtschaften, Bewirken und Erschaffen, erweitern wir den Blick über die Berufstätigkeit hinaus zum Tätigsein an sich, zu Teilhabe und gesellschaftlicher Anerkennung.“ Die Bereiche Teilhabe, Konsum und Entfaltung sind weitere Themen der neuen Wählervereinigung.

Die SÖS sei keine Konkurrenz

Um vielleicht mehr als eine Ideenplattform zu sein, und um all ihren Anliegen auch kommunalpolitisch Nachdruck zu verleihen, wollen die Stadtisten bei der Gemeinderatswahl am 25. Mai antreten. Sollten sie bei ihrem ersten Anlauf den Sprung ins Stadtparlament schaffen – um einen Sitz zu erringen, sind knapp 1,7 Prozent der abgegebenen Stimmen erforderlich –, wollen sie auch klare Positionen vertreten, kündigt Puttenat an. Zum Teil geschieht das schon jetzt. Etwa beim Thema Villa Berg: Einige Stadtisten sind auch bei der Initiative „Occupy Villa Berg” aktiv. „Wir erwarten, dass der Gemeinderat klare Kante zeigt und sich an den Grundsatzbeschluss hält“, sagt Puttenat, der ebenfalls dazu gehört. Ein weiteres Gespräch zwischen dem Oberbürgermeister Fritz Kuhn und dem Investor Mathias Düsterdick steht derzeit noch aus.

Zwar finden die Stadtisten die SÖS (Stuttgart Ökologisch Sozial) „eher sympathisch“ als alle anderen politischen Gruppierungen im Gemeinderat, sagen Puttenat und Ralf Maier, ebenfalls stellvertretender Vorsitzender. Beide verweisen auf eine inhaltliche Schnittmenge. „Aber wir wollen etwas Neues und einen unverstellten Blick“, sagt Puttenat. Zudem erfülle auch die SÖS „unsere Interessen nur zum Teil“, ergänzt Maier. Dass sie einander Wähler streitig machen könnten, glaubt er daher nicht. „Wir werden eher Nichtwähler überzeugen, sich für Politik zu interessieren und zu engagieren“, sagt er.

Noch auf Kandidatensuche

Bis jetzt sind die Stadtisten allerdings noch auf Kandidatensuche, um die 60 Plätze auf der Wahlliste zu füllen – etwa 45 Bewerber seien gefunden, sagt Puttenat. Zu jenen, die kandidieren wollen – vorausgesetzt, die Mitgliederversammlung Ende des Monats gibt ihr Plazet – gehört neben Maier unter anderen Ralph Schertlen. Es wäre also möglich, dass Fritz Kuhn nach der Kommunalwahl einem seiner einstigen Kontrahenten aus dem OB-Wahlkampf im Gemeinderat wieder begegnet.