Die Gewerkschaften klagen über eine anhaltende Unterbesetzung der Mindestlohn-Kontrolleure in der Zollverwaltung. Diese hat aus dem gleichen Grund einen Strategiewechsel vollzogen: Nun soll eher die organisierte Schwarzarbeit aufgedeckt werden – weniger die Kleinverstöße.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Zoll setzt bei seinen Mindestlohn-Kontrollen nun auf Qualität statt Quantität. Die reinen Personenbefragungen sind reduziert worden – sie hatten sich in der Statistik zwar mit einer großen Zahl von Überprüfungen niedergeschlagen, aber auch weniger Erfolge gebracht. Nun wird „risikoorientiert“ kontrolliert, wie es intern heißt: Der Zoll greift sich gezielt Objekte oder Branchen heraus, um diese umso intensiver unter die Lupe zu nehmen. „Früher hat man die kleinen Fischlein gefangen – heute will man die Haie“, sagte der Vorsitzende der Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ), Dieter Dewes, dieser Zeitung. Die ersten Erfolge zeigten: Dass Personal werde effektiver genutzt.

 

Die Baugewerkschaft sieht die Lage kritischer: Sie spricht von einem „Kontroll-Dilemma“ beim Zoll, weil die Fahnder „personell nicht hinterherkommen“, wie der Stuttgarter Bezirksvorsitzende Mike Paul moniert. Nach Informationen der IG Bau hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Hauptzollämter im Vorjahr bundesweit 16 681 Kontrollen auf den Baustellen durchgeführt – wobei nicht nur Mindestlöhne überprüft wurden. Gegenüber 2014 sei dies ein Schwund von 46 Prozent. Dabei seien 1443 Bußgeldverfahren eingeleitet worden. Über alle Branchen hinweg wurden fast 43 700 Betriebe aufgesucht – nach 63 000 im Jahr davor.

Rückgang der Kontrollen – aber höhere Schadenssumme

„Die Anzahl der Kontrollen ist zurückgegangen“, bestätigt Thomas Seemann vom Hauptzollamt Stuttgart. Allerdings sei die Schadenssumme im gleichen Zeitraum von zehn auf etwa 15 Millionen Euro gestiegen. Die Zollverwaltung nehme mehr die organisierte Form von Schwarzarbeit in den Fokus, die den Sozialkassen Verluste in Millionenhöhe bescheren – weniger das kleine Vergehen, bei dem etwa ein Hartz-Empfänger zusätzlich unter Mindestlohn arbeitet. Da beträgt der Schaden nur wenige hundert Euro. Die „großen Fische“, die man nun im Visier hat, sind organisierte Arbeiterkolonnen: Zusammenschlüsse von Dutzenden Bulgaren oder Rumänen, die sich als Scheinselbstständige in Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) verbergen, und etwa auf dem Bau die Mindestlohnbestimmungen und das Abführen von Sozialabgaben unterlaufen. Mit der GbR – dem Vorläufer der Personengesellschaft – illegal zu tricksen, wird immer beliebter.

Seemann spricht von einem „Spagat“: Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit müsse weiterhin anonymen Hinweisen auf Kleinverstöße nachgehen, wolle das Personal aber auch zielführend einsetzen. Die Notwendigkeit zur Neuorientierung ergibt sich somit durch die prekäre Personallage, von der auch die nordbadische CDU-Bundestagsabgeordnete Margaret Horb – Berichterstatterin in der Unionsfraktion für die Zollverwaltung – neulich bei einem Besuch erfuhr. Demnach weist das Hauptzollamt Stuttgart bei der FKS einen Personalfehlbestand von 30 Prozent gegenüber den Planzahlen auf. Damit bewegt man sich noch im Mittelfeld, denn andere Hauptzollämter haben eine Lücke von bis zu 50 Prozent zu verkraften. Es gibt diverse Gründe für die Lücken: In einer wirtschaftlich starken Region wie Stuttgart konkurriert die Bundesbehörde als Arbeitgeber mit attraktiven Firmen. Zugleich wandern Beschäftigte aus anderen Bundesländern wieder Richtung Heimat ab, um den hohen Lebenshaltungskosten im Südwesten zu entgehen.