Es war eine Blamage für die europäische Politik. Vor drei Wochen war zwar die Mehrheit der EU-Staaten gegen die Zulassung einer Genmais-Sorte, verhindern konnte sie das aber nicht. In die lange blockierte Reform kommt wieder Bewegung.

Brüssel - Für die europäische Politik ist es eine Blamage gewesen. Vor drei Wochen wollte zwar eine Mehrheit der EU-Staaten die Zulassung der Genmaissorte 1507 auf europäischen Feldern verhindern und damit dem Willen des Europaparlaments sowie der Mehrheit der EU-Bürger entsprechen. Aber die erforderliche Mehrheit, um den Anbau der von der europäischen Lebensmittelbehörde als unbedenklich eingestuften Pflanze des US-Konzerns Pioneer zu stoppen, kam nicht zustande – nicht zuletzt weil sich die Bundesregierung bei der Abstimmung enthielt. Nun ist die Europäische Kommission rechtlich verpflichtet, dem Mais aus dem Labor das endgültige Okay zu geben. Frankreichs Europaminister Thierry Repentin hatte seinerzeit gesagt, dass sich angesichts solcher Entscheidungen „unsere Bürger an den Kopf langen“.

 

An diesem Montag nun gibt es einen ersten Versuch zur Schadensbegrenzung: Auf Antrag Frankreichs hat Griechenland, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, den Umgang mit Genpflanzen auf die Tagesordnung des Umweltministertreffens gesetzt. Genauer gesagt geht es um einen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2010, der es den Mitgliedstaaten einfacher machen würde, einmal auf EU-Ebene zum Anbau frei gegebene Genpflanzen auf ihrem Territorium zu verbieten. Bis jetzt kann sich eine nationale Regierung nur auf eine Schutzklausel berufen, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Gefährlichkeit gewonnen werden. So geschah es beispielsweise 2009 mit der Maissorte MON810 des amerikanischen Unternehmens Monsanto.

Gesetzeswerk liegt seit zwei Jahren auf Eis

Das neue Gesetzeswerk würde zusätzliche Kriterien einführen, die ein nationales Anbauverbot rechtfertigen. Genannt werden Landnutzungsziele oder sozioökonomische Gründe, die damit so vage gehalten sind, dass „dem Mitgliedstaat schon etwas einfallen wird, wenn er keine Genpflanzen haben will“, wie ein EU-Diplomat sagt. Seit zwei Jahren jedoch liegt das Gesetzeswerk auf Eis, da sich Frankreich, Großbritannien, Belgien und Deutschland querstellten. Die alte Bundesregierung machte unter anderem Probleme mit den Welthandelsregeln und einen „Flickenteppich“ auf dem EU-Binnenmarkt geltend, falls jedes europäische Land nach Belieben eine europäische Zulassung zurückweisen könne.

Nach der peinlichen Genmais-1507-Vorstellung, die die Reformbedürftigkeit der geltenden Regeln offenbarte, bröckelt der Widerstand jedoch. „Das war ein Weckruf für die Mitgliedstaaten“, sagt der Sprecher von EU-Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg. Die neue Bundesregierung ist nicht mehr unbedingt gegen nationale Ausnahmen, sondern gespalten. Persönlich befürwortet werden sie von der anreisenden SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks, der Koalitionspartner CDU ist dagegen. Frankreich wird nach Angaben von EU-Diplomaten bei der Umweltministersitzung den Vorschlag einbringen, dass die Einzelstaaten nach der europaweiten Zulassung diese erst noch aktiv für ihr Land übernehmen müssen.

Europaparlament will strengere Zulassungsregeln

Die Briten wiederum sind demnach bereit zuzustimmen, wenn ein älterer Kompromissvorschlag noch ergänzt wird: EU-Staaten mit Bedenken gegen die Genpflanzen eines Herstellers sollen diesen bitten, den Zulassungsantrag so zu stellen, dass das betreffende Land von Beginn an ausgenommen ist. Erst wenn das Unternehmen diesem Wunsch nicht nachkommt, soll es die Möglichkeit eines nationalen Ausscherens geben.

„Dass die Hersteller mit den Mitgliedstaaten einen Deal machen – das geht gar nicht“, sagt dazu der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling. Das Europaparlament, das bei diesem Gesetz gleichberechtigt mitentscheidet, will vor allem, dass die Zulassungsregeln als solche verschärft werden. „In Spanien etwa“, sagt Häusling, „gibt es überhaupt keine Mindestabstände zwischen Feldern mit Genpflanzen und Feldern ohne.“ Nur wenn es schärfere Vorgaben gebe, könne es „in einem zweiten Schritt nationale Ausnahmeregeln geben“; alles andere sei ein „Rückschritt für die europäische Rechtsetzung“. Zu Verhandlungen zwischen den EU-Regierungen und dem Parlament wird es aber nicht vor Juni kommen, denn die Umweltminister wollen an diesem Montag lediglich „eine Orientierungsaussprache“ abhalten. Entscheidungen könnten Diplomatenangaben zufolge erst auf der nächsten Sitzung im Juni getroffen werden.