Ob Mitarbeiter, Kunden oder Politiker: der neue EnBW-Chef Frank Mastiaux pflegt den direkten Dialog. Nun wird gespannt erwartet, welche Taten er auf die Kommunikationsoffensive folgen lässt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Karlsruhe - Es war nur eine kurze Frage, aber sie entlockte Winfried Kretschmann eine lange Lobesarie. Ob er die 100-Tage-Bilanz des neuen EnBW-Chefs Frank Mastiaux nicht auch, wie etliche Beobachter, als Offenbarung von Ratlosigkeit empfunden habe? „Da möchte ich ganz klar widersprechen“, erwiderte der Ministerpräsident unlängst vor Journalisten. Dann folgte eine wortreiche Vertrauensbekundung: Mastiaux mache seinen Job „sehr profund und seriös“, er arbeite „die ganzen Fragen mit Bedacht auf“. „Ich habe an seinem Vorgehen überhaupt keine Kritik“, betonte Kretschmann. Man dürfe von dem Vorstandschef, der sich in einem „sehr schwierigen Umfeld“ bewege, allerdings auch nicht zu schnell zu viel erwarten: „Niemand kann zaubern.“

 

Zweimal hat der seit Oktober amtierende Mastiaux (49) bereits eine Zwischenbilanz gezogen: im Februar nach gut hundert Tagen und im März bei der Vorlage der Zahlen für 2012. Die nächste steht an diesem Donnerstag an, wenn er erstmals vor der Hauptversammlung des Energiekonzerns in Karlsruhe auftritt. Konkret wurde der Nachfolger des glücklosen Hans-Peter Villis bisher vor allem bei der Beschreibung der Problemlage: Durch die Energiewende und den Abschied vom billigen Atomstrom sei das Geschäftsmodell der EnBW schwer getroffen, das Unternehmen müsse sich völlig neu ausrichten. Eher vage skizziert er hingegen, wie der künftige Kurs aussehen könnte: Vom zentralen Stromerzeuger müsse man zum wendigen Energiedienstleister werden, der „im Dialog mit den Kunden und den Bürgern“ stehe. Mehr Klarheit soll es im Juni geben, wenn Mastiaux seine Strategie dem Aufsichtsrat präsentieren will. Die Großaktionäre – das Land und die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) – setzen ihn offenkundig nicht unter Zeitdruck. Man brauche „keine Schnellschüsse“, sondern fundierte Lösungen, heißt es aus ihren Reihen.

Lob für den „ganz neuen Kommunikationsstil“

„Dialogfähigkeit“ gehört zu den Schlüsselwörtern des EnBW-Chefs – und bezeichnet zugleich eine seiner Stärken. Er habe einen „ganz neuen Kommunikationsstil“ etabliert, lobt ein Regierungsmitglied. Intern wie extern wird wohlwollend registriert, wie zugänglich sich der Vorstandsvorsitzende gibt; das sei man von seinen Vorgängern so nicht gewohnt gewesen. Gerne fordert er Mitarbeiter oder Kunden auf, sich direkt an ihn zu wenden – ein Angebot, das rege genutzt wird. Das Strategieteam aus Führungskräften und Nachwuchstalenten etwa, das ohne Tabus über die Zukunft des Konzerns nachdenkt, kommuniziert unmittelbar mit dem Chef. Nicht über die Köpfe der Mitarbeiter hinweg, sondern mit ihnen will er die künftige Strategie erarbeiten. „Da wird wirklich in alle Richtungen diskutiert“, berichtet ein Besucher der Runde. Regelmäßig laden die Vordenker externe Sparringspartner ein, um auch die Außensicht aufs Unternehmen zu bekommen; die sagen schon mal völlig ungeschminkt ihre Meinung.