Vom Herrschaftssitz über eine Kleiderfabrik bis zur Verwaltungs-Stätte – das Varnbüler’sche Schloss in Hemmingen hatte seit seiner Entstehung schon viele Zwecke. Ein neuer Film zeigt die Geschichte des denkmalgeschützten Bauwerks.

Hemmingen - Sechs Jahrhunderte sind eine lange Zeit. Um genau zu sein, geht es hier um 624 Jahre. So lange gibt es den alten Teil des Varnbüler’schen Schlosses in Hemmingen schon. Mindestens, denn das Jahr 1392 markiert nur die erste urkundliche Erwähnung. Vermutlich gibt es das Gebäude schon viel länger.

 

Im Laufe seiner Geschichte war das Schloss Wohnsitz der Freiherren von Varnbüler, denen es seit Mitte des 17. Jahrhunderts gehört, es war Kleiderfabrik, Zufluchtsort – und nun Sitz der Gemeindeverwaltung. Ein neuer Film von Sabine Willmann, die bereits einen Image-Film über die Kommune gedreht hat, begleitet den im Februar 2015 verstorbenen Ortshistoriker Walter Treiber bei einem Rundgang im und um das Schloss.

Wie ein englischer Herrschaftssitz

Die Historie des Schlosses ist eng verknüpft mit der Geschichte der Familie Varnbüler, seit 1649 ist es im Besitz der Familie. Johann Konrad Varnbüler wurde wegen seines Einsatzes bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden 1648 das Schloss überlassen. Die Spuren der Familie sind noch heute an jeder Ecke nachzuvollziehen, im Kleinen wie im Großen.

So beauftragte Karl von Varnbüler im 19. Jahrhundert den Erbauer der Villa Berg, das Schloss nach dem Vorbild eines englischen Herrschaftssitzes umzubauen. Auch der Schlosspark wurde entsprechend eines englischen Landschaftsgartens angelegt. Die Bilder des Hobbymalers Axel von Varnbüler hängen noch immer im Schloss; etwa die Jagdszenen aus Afrika, die am Treppenaufgang zum heutigen Sitzungssaal prangen. Die Varnbülers, so erfährt man es in dem Film, waren begeisterte Jäger, auch Robert Bosch war bei einem solchen Ereignis wohl mal zu Besuch. Er war nicht der einzige illustre Gast im Hemminger Schloss. Im Gästebuch haben sich auch drei spätere Kaiser eingetragen – der erste Kaiser des deutschen Reichs, Wilhelm I, sein Sohn Friedrich Wilhelm – der spätere Kaiser Friedrich III – und Wilhelm II.

Im Laufe der Zeit hat sich das Schloss baulich stark verändert. Der älteste Teil, das eigentliche Schloss neben der Laurentiuskirche, ist im 14. Jahrhundert oder früher erbaut worden. Bis ins 19. Jahrhundert wurde das alte Schloss durch das untere Haus und einen Zwischenbau erweitert. Noch bis zum Zweiten Weltkrieg war das Schloss bewohnt. Als in den 1950er Jahren zahlreiche Heimatvertriebene in Hemmingen ankamen, fanden hier 29 Familien teils über Jahre Unterschlupf. Später stellte die Familie Varnbüler den Vertriebenen anderweitige, ebenfalls kostenlose Unterbringungen zur Verfügung.

Ratssaal statt Gesellschaftszimmer

Bei dem filmischen Rundgang mit Walter Treiber lernt der Betrachter viel über die Ortsgeschichte. Die Laurentiuskirche etwa ist nach ihrem Patron Sankt Laurentius benannt, noch heute findet sich an einer Außenwand des Schlosses die Inschrift auf Stein: „St. Lorentze bin ich genannt, Gott bewahre dieses Haus vor Feuer und Brand.“ Und das Hemminger Gemeindewappen zeigt den Rost, auf dem der heilige Laurentius verbrannt worden sein soll.

Die Idee, das alte Schloss für öffentliche Zwecke zu nutzen, hatte schließlich der Altbürgermeister Werner Nafz, der ebenfalls einen kurzen Auftritt in dem Film hat. Seit Oktober 1985 nutzt die Gemeinde das Schloss der Varnbülers für die Verwaltung. Der Gemeinderat tagt im Saal, den die Herrschaftsfamilie früher als Gesellschaftszimmer genutzt hat. Und das heutige Amtszimmer des Bürgermeisters war früher das Zimmer des Schlossherren – der dort wohl ebenfalls viele wichtige Gespräche geführt hat.