Am Donnerstag eröffnet der Regionalflughafen Kassel-Calden. Doch schon der erste geplante Flug ist wegen mangelnder Auslastung abgesagt worden.

Brüssel - Niederrhein-Weeze, Altenburg-Nobitz, Dortmund, Saarbrücken, Zweibrücken, Lübeck-Blankensee – gegen sechs deutsche Regionalflughäfen hat die EU-Kommission allein im vergangenen Jahr ein Verfahren zur Beihilfeprüfung eingeleitet. Der Verdacht der Behörde: die Staatsbeihilfen verschaffen den Airports einen Wettbewerbsvorteil; ohne Subventionen wären sie nicht überlebensfähig.

 

Skeptisch sieht man in Brüssel auch die Vereinbarungen, die einige der Flughäfen mit verschiedenen Billigairlines geschlossen haben und diesen unfaire Vorteile gegenüber der Konkurrenz verschaffen sollen. Das wird in einem aktuellen Bericht des Europaparlaments zur Zukunft der Regionalflughäfen damit erklärt, dass diese oft „mit einem Quasimonopol eines Luftfahrtunternehmens konfrontiert sind, das diese Monopolstellung als Druckmittel einsetzen kann, um mehr Forderungen an die betreffenden Flughäfen zu stellen“.

EU-Kommission befürchtet unerlaubte Staatsbeihilfen

Was ein Regionalflughafen und was ein Großflughafen ist – dazu gibt es keine allgemeingültige Definition. Immerhin hat die EU-Kommission im Jahr 2005 bei fünf Millionen Passagieren im Jahr eine künstliche Grenze gezogen. Klar ist jedenfalls, dass immer mehr kleinere Airports den Betrieb aufnehmen – am morgigen Donnerstag nun der in Kassel-Calden. Auch dort hofft man, dass der neue Airport zur „Entwicklung des Tourismussektors beiträgt, der für viele europäische Regionen von entscheidender Bedeutung ist“, wie es im Bericht des Europaparlaments weiter heißt. Insofern gibt es durchaus Verständnis für den anhaltenden Trend zum Flughafen vor Ort.

Rund 70 Fälle sind bei der EU-Kommission im Luftverkehrssektor derzeitig anhängig. Bei gut der Hälfte davon hat sich der Verdacht auf unerlaubte Staatsbeihilfen derart erhärtet, dass ein eingehendes Prüfungsverfahren eingeleitet worden ist. Wie langwierig und kompliziert sich solche Verfahren gestalten können, zeigt das Beispiel Frankfurt-Hahn. Schon 2008 äußerte die Brüsseler Behörde den Verdacht, dass die Betreiber dem größten Kunden Ryanair unerlaubte Vorteilskonditionen einräumt. 2011 schließlich folgte der Vorwurf, der Airport im Hunsrück hätte durch Staatssubventionen einen unlauteren Wettbewerbsvorteil erhalten. Bis dato hat Brüssel jedoch in beiden Fällen noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

271 Millionen Euro vom Steuerzahler für Kassel-Calden

Gemäß den Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen, die 2005 von der EU-Kommission verabschiedet wurden, dürfen Staatshilfen beansprucht werden, wenn sie einem klar definierten Ziel von allgemeinem Interesse dienen. So hat die EU-Kommission die Förderung für den neuen Berliner Hauptstadtflughafen passieren lassen. Kleinen Flughäfen wiederum darf eine Anlaufhilfe gewährt werden, die sie als neues Flugziel für Airlines attraktiver machen soll. Alle Gelder, die in den Luftfahrtsektor fließen, müssen aber zuerst von der Kommission genehmigt werden. So geschehen auch bei Kassel-Calden, zu dessen Ausbau der deutsche Steuerzahler 271 Millionen Euro beigesteuert hat. Die EU-Kommission erhob keine Einwände gegen die Beihilfen, da Hessen wegen der „Überlastung des Flughafens Frankfurt“ Alternativen fördern müsse.

Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Cramer kritisiert diese Entscheidungen heftig. „Die Europäische Kommission entzog sich bei diesem Katastrophenprojekt jeglicher Verantwortung“, teilte Cramer mit, der Mitglied im Verkehrsausschuss ist, nachdem der Kasseler Flughafenbetreiber vergangene Woche mitteilen musste, dass gleich der erste Flug aufgrund mangelnder Auslastung gestrichen werden musste. Bei der anstehenden Revision der Beihilferegeln für die Luftfahrtbranche fordert Cramer die Behörde auf, „endlich ihre Lehren zu ziehen“. Der EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia ist für diese Kritik empfänglich: „Die Notwendigkeit, die Richtlinien für die Luftfahrt zu überarbeiten“, kündigte der Spanier Mitte vergangenen Jahres an, „ist offensichtlich.“