Die Resonanz ist groß: Auch für das neue Flüchtlingsheim an der Quellenstraße in Bad Cannstatt soll es einen Freundeskreis geben. Bei der Gründungsveranstaltung tragen sich 60 Ehrenamtliche ein, die helfen wollen.

Bad Cannstatt - Anfang Juli werden die ersten Flüchtlinge in die drei neuen Systembauten an der Quellenstraße einziehen, die 240 Bewohnern Platz bietet. Und wie schon bei die Unterkunft im Neckarpark, soll auch an der Quellenstraße ein Freundeskreis die Flüchtlingsarbeit ehrenamtlich unterstützen. Auf die Einladung von Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler, einen solchen Kreis zu gründen, kamen rund 70 Interessierte in den Sitzungssaal am Marktplatz. Dabei setzte Löffler ein politisches Vorzeichen: „Angesichts der Ereignisse in Sachsen ist es wichtig, dem ein anderes Signal entgegenzusetzen, das auf breit getragener öffentlicher Unterstützung gründet.“

 

Ein Auftrag für die ganze Gesellschaft

Für das Ziel, einen Freundeskreis zu gründen, hatte er Vertreter der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden an seiner Seite, formulierte aber auch einen „gesamtgesellschaftlichen Auftrag, den auch möglichst viele konfessionell nicht gebundene Mitbürger mittragen sollten“. Stadtpfarrer Florian Link bezeichnete es als „Gebot der Stunde, dass man Menschen, die soviel hinter sich haben, menschlich aufnimmt. Deshalb wollen wir uns für das Miteinander einsetzen“.

60 Leute wollen sich engagieren. Foto: Georg Linsenmann

In diesem Sinne äußerte sich auch die Gemeindereferentin Gerda Engelfried. Als Sprecherin des Kreises für die Unterkunft Liebfrauenheim oblag ihr auch, aus der Praxis zu berichten. Etwa hinsichtlich der Betätigungsfelder: „Wir haben das Willkommen vorbereitet, sind mit kleinen Gruppen in die Stadt gegangen und haben die wichtigsten Stellen gezeigt, Behörden, auch Ärzte oder die Möglichkeit zu günstigem Einkaufen.“ Zugang zur Kleiderkammer, Angebote zu Patenschaften oder „Sprach-Tandems“, freie Angebote für die Freizeit, das Café International, eine Tanzgruppe oder Hilfen zur Vermittlung von Arbeitspraktika seien weiter Aktionsfelder. „Nur für die Männer haben wir noch nicht so richtig was gefunden“, merkte Engelfried an. Aktuell bildeten Sprachkurse einen Schwerpunkt. Auf Nachfrage aus dem Publikum bestätigte sie: „Die sprachlichen Hürden sind sehr groß.“

Walter Habe, der sich beim Freundeskreis in Hofen betätigt, meinte dazu: „Nach wenigen Wochen haben die Kinder schon sehr viel verstanden und damit dann den Erwachsenen geholfen.“ Jana Schuster vom Freundeskreis in Neugereut, wo ebenfalls bald Flüchtlinge ankommen, berichtete: „Als wir die Nachricht bekamen, sind wir gleich in die Offensive gegangen. Wir haben inzwischen ebenfalls einzelne Arbeitsgruppen gebildet.“

Farbe bekennen gegen Faschismus

Heidi Schäfer, beim Sozialamt für Vernetzung und Qualifizierung der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit zuständig, riet: „Reflektieren Sie die eigenen Erwartungen und stellen Sie sich auf Frustrationen ein. Geduld ist eine Grundvoraussetzung. Aber alle sind sehr motiviert, Ihr Engagement zu unterstützen.“

Nach der Veranstaltung trugen sich exakt 60 Personen in die ausgelegten Listen zur Mitarbeit ein. Darunter Heide Trautheim, der es „schlicht ein Anliegen“ ist, „Menschen, die Hilfe brauchen Hilfe zu bieten“. Angesichts geänderter Vorzeichen und „einer Tendenz zur Abgrenzung“ bekennt sie auch ein „Jetzt erst recht!“. Aber „nicht in erster Linie aus Trotz, sondern weil das jetzt so nahe kommt. Deshalb beschäftigt mich das jetzt viel intensiver. Sogar in meinem persönlichen Umfeld höre ich plötzlich kritische Stimmen. Und dass Vereinfachungen und Hassparolen nachgeplappert werden, das macht mir Sorgen. Ich hatte nicht gedacht, dass bei uns noch einmal Faschismus möglich wäre. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Da muss man Farbe bekennen.“

Im Freundeskreis engagieren will sich Fricka Schüle, „weil ich mich mit den Menschen und dem Stadtteil verbunden fühle“. Zudem gelte es, sich gegen die „Abwertung von Willkommenskultur“ zu stellen: „Wir müssen das positiv besetzen, weiterführen und dranbleiben.“ Auch in dieser Hinsicht sieht es Andreas Uthe als „ein gutes Zeichen, dass sich hier gleich 60 Leute eingetragen haben. Das zeigt, dass nach wie vor viele bereit sind, Willkommenskultur zu schaffen. Da mitzumachen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit.“