Heiko Grelle ist Textilhändler, Club-Betreiber – und der neue Caterer der Stuttgarter Kickers. Nachts versorgt er mit seinem Team ein junges Ausgehpublikum mit Hip-Hop, tagsüber liefert er jetzt familienkompatible Fußballkost.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Eines will Heiko Grelle im nagelneuen VIP-Bereich der Stuttgarter Kickers drei Tage vor der Heimspielpremiere vorab klarstellen: „Ein Artikel über mich alleine geht völlig an der Sache vorbei. Unsere Stärke ist der Teamgedanke“, erklärt Grelle und bittet zum Gespräch an einen Tisch mit bestem Blick auf das Spielfeld. Um den Teamchef Grelle herum schwirrt seine Mannschaft: Axel Steinbeck, der sich im Tagesgeschäft um die Verköstigung der Fußballfans kümmert, macht sich mit dem Knopf im Ohr vertraut, über den er in den nächsten Tagen seine Mitspieler koordinieren wird. Neuzugang Anky Garbas, einst Betriebsleiterin der Zwischennutzung im Wilhelmspalais und ehemalige kulinarische Spielmacherin der Wagenhallen, huscht euphorisch lächelnd von einer Aushilfe zur nächsten. Und Markus Krieg, der bisher die Social-Media-Kanäle der Schräglage befeuert hat, lenkt junge Herren in das angrenzende Vereinsheim der Eintracht Stuttgart, in dem er jetzt den Hut respektive die Skater-Wollmütze aufhat.

 

Heiko Grelle sieht sich das Abschlusstraining seiner Schützlinge zufrieden an und versucht für einen Moment Luft zu holen: Sein Team spielt gerade in einer Gastroerfolgsgeschichte die Hauptrolle.

Die Schräglage ist im Establishment angekommen

Grelle betreibt mit seiner Truppe seit 2006 den Hip-Hop-Club Schräglage, in dem mehr als eine Ausgeh-Generation popkulturell sozialisiert wurde. Neben dem Club zeichnen Grelle und seine Partner auch für das Lokal Meals and More am Stuttgarter Wilhelmsplatz verantwortlich. Verbringt Grelle seine Mittagspause in seinem Burger-Restaurant, nimmt kaum ein Gast den grau melierten 51-Jährigen wahr, bei dem ständig junge Herren huldvoll abklatschen, die so aussehen, als würden sie grundsätzlich auf einem Snowboard die Hänge des Kessels hinabreiten.

Seit vergangenem Samstag sind Grelle und seine Mitstreiter im Establishment dieser Stadt angekommen: Auf der Waldau bewirten sie jetzt eine Schar stets hungriger Lokalpolitiker bei Kickers-Heimspielen sowie andere genussfreudige Großkopferte. Gekocht wird im Vereinsheim von Eintracht Stuttgart, das sich praktischerweise direkt neben der neuen Haupttribüne der Kickers befindet und beinahe zeitgleich zu den Blauen einen neuen Pächter für das Vereinsheim suchte. Nachts Schnaps und dreckiger Hip-Hop, tagsüber familienfreundliche Vereinsheim-Gastlichkeit und coole Kickers-Kost: Wie passt das zusammen? „Wir haben Lust, mit frischem Wind Akzente zu setzen, ohne mit der Fußballkultur zu brechen“, sagt Grelle, der den Begriff clashen statt brechen verwendet und auch sonst einen Sprachenmix aus Hip-Hop-Kultur und Business-Sprech kultiviert.

Grelle verdient sein Geld als Windsurf-Profi

Der Sohn eines IBM-Managers ist in den USA aufgewachsen. Als er sieben ist, kehrt die Familie in die schwäbische Heimat zurück. Heiko Grelles erste Amtshandlung in Herrenberg: er schraubt die Rollen seiner Rollschuhe ab, um sie unter ein Holzbrett zu montieren. Das Skateboard wird zu seinem wichtigsten Fortbewegungsmittel. Später wird er sein BWL-Studium an der Uni Tübingen durch ein sportliches Taschengeld finanzieren, das er sich als Windsurfprofi erarbeitet. Der erste Job führt ihn zu einer Surfmarke, ehe er sich selbstständig macht und den Vertrieb für die angesagte Marke Volcom übernimmt. Es kommen weitere Marken und später eigene Geschäfte hinzu, Grelle betreibt mit seiner Holding zum Beispiel ein Geschäft im Gerber und eines in der Nähe des Schlossplatzes.

Der Anstoß zur Gründung der ersten Schräglage 2006 ist keinem popkulturellen Auftrag geschuldet, sondern eher dem Zufall oder gutem Timing. „Wir haben für unsere Vertreter ein Objekt in Stuttgart gesucht und wollten kein typisches Order-Center, sondern einen lässigen Showroom für unsere Marken“, erzählt Grelle. Eine Gastronomie sollte das Haus beleben und eine Möglichkeit zum Feierabendbier für Grelles Textilvertreter bieten. Das klappte zu gut: Aus der hauseigenen Gastro wurde der angesagte Hip-Hop-Club.

200 Angestellte in einem veritablen Firmengeflecht

„In der Zeit haben wir so viel gelernt, dass wir unser Knowhow an anderer Stelle reinvestieren wollten“, sagt Grelle. Auf der Suche nach einer neuen Location für den Club fand man das Lokal am Wilhelmsplatz: „Also sind wir auch das Thema Restaurant mit der gleichen Frische angegangen“, erzählt Grelle, der mittlerweile ein Vertriebs-, Einzelhandels- und Gastronomiefirmengeflecht mit 200 Angestellten sein Eigen nennt, für dessen Erklärung in der „Wirtschaftswoche“ eine Doppelseite für Organigramme draufgehen würde.

Wie sehen die nächsten Schritte von Heiko Grelle aus? „Mein Wahlspruch lautet, ,der Ball muss ins Tor‘. Nicht viel reden, einfach machen. In der satten deutschen Berufswelt gibt es zu viele Menschen, die erklären, wieso etwas nicht funktioniert, statt einfach zu handeln.“ Die Schräglage-Geschichte scheint also noch nicht zu Ende erzählt: Das Team Grelle dürfte längst an der nächsten Taktik tüfteln.