Justizminister Heiko Maas will in einem Gesetzentwurf bei fehlerhaftem Ausbau dem Handwerker einen Ausgleichsanspruch einräumen. Doch Verkäufer können die Haftung ausschließen. Firmen fordern jetzt eine Lösung für kontroverse Punkte.

Berlin - Die Bundesregierung will die Mängelhaftung reformieren und hat einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Das deutsche Handwerk läuft gegen Teile der Reform Sturm. Darum geht es: Wenn sich verbautes Material als mangelhaft erweist, zum Beispiel, weil Fliesen brüchig sind, dann ist der Verkäufer bislang nur verpflichtet, Ersatzmaterial zu stellen. Der Handwerker aber, der das Material einbaute, bleibt auf den Kosten für den Ausbau des schadhaften und den Einbau des neuen Materials sitzen. Der Gesetzentwurf des Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD) sieht nun einen Ausgleichsanspruch des Handwerkers gegenüber dem Händler vor.

 

Allerdings lässt der Entwurf für die Lieferanten eine Hintertür offen – und das führt zu heftigen Debatten in der Branche, aber auch innerhalb der großen Koalition. Vorgesehen ist nämlich, dass die Verkäufer in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Haftung ausdrücklich ausschließen können. Nur wenn der Käufer ein privater Verbraucher ist, soll dieser Ausschluss nicht möglich sein. Der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZdH) schlägt deshalb Alarm. „Ohne einen AGB-festen Gewährleistungsanspruch ist absehbar, dass sich die marktmächtigen Vertragspartner per AGB von ihrer Verantwortung freizeichnen werden“, befürchtet Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold. Und Holger Schwannecke, Generalsekretär des ZdH, formuliert bündig: „Das Recht des Stärkeren darf nicht Maßstab des Gewährleistungsrechts sein.“

SPD-Bundestagsfraktion will Handwerker unterstützen

Der Bundesrat sieht das auch so und hat sich in einer Stellungnahme gegen diese Regelung ausgesprochen. Auch die SPD-Bundestagsfraktion macht sich die Kritik zu eigen. Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte unserer Zeitung. „Wir können doch nicht Handwerker auf hohen Kosten sitzenlassen, die ihnen unverschuldet durch mangelhafte Materiallieferungen entstanden sind. Hier muss die Verursacherhaftung gelten. Wer mangelhafte Sachen verkauft, muss dafür einstehen.“ Das Ministerium und Teile der Union sehen bisher keinen zwingenden Grund zu einer Änderung. Sie weisen darauf hin, dass die Gerichte das nun geregelte gesetzliche Verbot, Ersatzansprüche gegenüber Verbrauchern in AGB auszuschließen, vielleicht auch auf Verträge zwischen Firmen anwenden werden.

Allerdings sagte Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag: „Es ist nur gerecht, wenn der Handwerker bei schadhaftem Material voll Regress nehmen kann und die Kosten dafür letztlich beim Verursacher ankommen.“

Das Handwerk verweist darauf, dass es um keine Nebensache geht. Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold verweist auf eine Umfrage des Zentralverbands des deutschen Handwerks. Danach verzeichnete ein Betrieb im Elektrohandwerk 2015 durchschnittlich 21 Fälle von Mängelgewährleistung. Dabei gingen rund 16 Fälle auf Herstellerfehler zurück – mehr als drei Viertel. Obwohl die Ursache unstrittig geklärt war, blieben die Betriebe im Durchschnitt auf Kosten von 4689 Euro sitzen. Reichhold gibt an, dass sich die Kosten allein im Elektrohandwerk bundesweit auf gut 260 Millionen Euro summieren.

Handel und Industrie widersprechen

Handel und Industrie widersprechen den Forderungen des Handwerks vehement. Christin Moldenhauer vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie befürchtete in der Anhörung des Bundestags schon aufgrund des vom Handwerk kritisierten Entwurfs, „dass nach Erlass des Gesetzes eine Fülle von behaupteten Produktmängeln vorgebracht werden“. Dies würde „in jedem Fall zu einem Anstieg von nicht erstattungsfähigem Prüfungs- und Abwicklungsaufwand der Hersteller und Lieferanten für die Abwehr unberechtigter Rückgriffansprüche führen.“ Angeführt wird aber auch die internationale Verflechtung. Wenn der Handel die Kosten für Regressansprüche selbst wiederum bei seinen Lieferanten zurückholen müsste, entstünden Regressketten, die am Ende vor einem chinesischen Provinzgericht landen und versanden könnten.

Die Haftungsfrage ist das umstrittenste Element des Gesetzentwurfs. Der einzig kontroverse Punkt ist es allerdings nicht. Der Bundesrat hat angemerkt, dass es nicht nur um die Materialen und Dinge gehen könne, die „ein- oder ausgebaut“ werden. Wenn etwa ein Lack mangelhaft ist, muss er abgeschliffen werden – streng genommen kein Fall eines mangelhaften Einbaus. Warum aber soll der Fall anders behandelt werden als eine fehlerhafte Fliese? Der Fall, dass eine mangelhafte Kaufsache nicht eingebaut, sondern nur bearbeitet oder verändert wurde, ist im Gesetzentwurf noch nicht geregelt. Rainer Reichhold merkt dazu an: „Der gesamte materialverarbeitende oder materialveredelnde Mittelstand hätte durch die Reform nichts gewonnen.“ Schlosser zum Beispiel würden auf ihren Kosten bei Verarbeitung mangelhaften Materials weiter sitzenbleiben.