Die USA sehen die Zwei-Staaten-Lösung nur noch als eine der Optionen im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern an. Washington will auch keine Vorbedingungen für einen Nahost-Frieden stellen. Palästinensische Politiker reagieren verärgert.

Washington/Tel Aviv - Trotz des pro-israelischen Kursschwenks der neuen US-Regierung pochen führende Palästinenser im Nahostkonflikt auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Nach Beginn des Oslo-Friedensprozesses hatten bisher alle US-Regierungen am Konzept von zwei Staaten in der Region festgehalten, auch die internationale Gemeinschaft unterstützt das Prinzip. Unmittelbar vor einem Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu rückte die neue Regierung jedoch von dieser Linie ab. US-Medien zitierten einen hochrangigen Regierungsmitarbeiter in Washington mit der Aussage, Israel und die Palästinenser sollten sich selbst einigen.

 

Dies stelle eine „gefährliche Verschiebung“ in der US-Position dar, teilte das palästinensische Außenministerium daraufhin mit. „Wir werden mit Blick auf diesen möglichen Einbruch in der amerikanischen Position daran arbeiten, eine breite internationale Front zu bilden, um die Zwei-Staaten-Lösung zu erhalten.“

Der Vertreter aus dem Weißen Haus erklärte, dass es nicht an den USA sei, den Parteien die Vision einer Zwei-Staaten-Lösung aufzuzwingen. Das Ziel Washingtons sei Frieden in Nahost. Wie die beiden Parteien diesen erzielten, sei ihre Sache. Die USA würden helfend zur Seite stehen, man werde nicht die Bedingungen eines Friedens diktieren, hieß es weiter.

Die Bundesregierung und die EU machten deutlich, dass sie an einer Zwei-Staaten-Lösung festhalten wollen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch in Berlin: „Für uns bleiben die Bemühungen um eine Zwei-Staaten-Lösung der Grundpfeiler unserer Nahost-Politik.“ Ähnlich äußerte sich auch eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Auch UN-Generalsekretär António Guterres sagte in Kairo, es gebe keine Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung.

Trump wollte sich am Mittwoch erstmals mit Netanjahu im Weißen Haus treffen. Er hatte im US-Wahlkampf eine Neuausrichtung der Nahostpolitik versprochen. So kündigte er die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem sowie die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels an. Auch dies wäre ein rotes Tuch für die Palästinenser, die Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen Staat Palästina beanspruchen.

„Diese Art von Gerede wird die Region nur weiter in Aufruhr versetzen und zu Unruhen führen, weil sie die Möglichkeit, einen palästinensischen Staat zu schaffen, ausschließt“, sagte Wasel Abu Jussef, ein führendes Mitglied der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), am Mittwoch zur Zwei-Staaten-Debatte.

Vor dem Treffen von Trump und Netanjahu kam CIA-Direktor Mike Pompeo nach Medienberichten mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah im Westjordanland zusammen. Bei dem Treffen sei es auch um ein mögliches Scheitern des Friedensprozesses sowie etwaige Konsequenzen gegangen, berichtete die israelische Zeitung „Haaretz“ unter Berufung auf palästinensische Quellen.

US-Kurswechsel setzt Israel unter Zugzwang

Die Palästinenser hätten dabei beruhigende Signale bezüglich der Zwei-Staaten-Lösung erhalten. Diese seien nicht im Einklang mit der späteren Stellungnahme aus dem Weißen Haus gewesen, hieß es in dem Bericht weiter. Eine offizielle Bestätigung für das Treffen gab es zunächst nicht. Bereits in der vergangenen Woche hatte der palästinensische Geheimdienstchef Madschid Faradsch in Washington mit hochrangigen Sicherheitsvertretern gesprochen. Dieses Treffen wurde von palästinensischer Seite bestätigt.

Israel hatte 1967 im Sechs-Tage-Krieg unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Seitdem kontrolliert es das Gebiet weitgehend. Die Palästinenser wollen dieses Gebiet für einen unabhängigen Staat Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. In den vergangenen Tagen hatten rechts-religiöse Politiker in Israel Netanjahu verstärkt dazu gedrängt, die Zwei-Staaten-Lösung öffentlich aufzugeben. Der Premier hatte zuletzt von einem entmilitarisierten Staat für die Palästinenser gesprochen oder von einem „Staat minus“. Allerdings blieb zunächst unklar, was das genau bedeutet.

Der US-Kurswechsel setzt nach Ansicht eines Experten Israel unter Zugzwang. „Ich denke, das ist eine größere Bürde auf den Schultern Israels“, sagte Kobi Michael vom renommierten Institut für israelische Sicherheitsstudien (INSS). Wenn die USA nicht allein an der Zwei-Staaten-Lösung festhielten und die Palästinenser jede andere Lösung ablehnten, müsse Israel nun einen neuen Vorschlag bringen. „Und es gibt keine Option, dass Israel mit einer Idee kommt, die nicht irgendwelche eigenen Zugeständnisse fordern wird.“

Die vorerst letzten Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern waren im April 2014 gescheitert. Damals hatte US-Außenminister John Kerry versucht, zwischen den Parteien zu vermitteln.