Die bundesweite Initiative Joblinge hat einen zweiten Standort in Stuttgart eröffnet: Am Wilhelmsplatz wird versucht, junge Geflüchtete in Ausbildung und Arbeit zu vermitteln.

S-Mitte - Sina Wachter ist sich sicher: „Das war meine letzte Chance!“ Die 23-Jährige ist im zweiten Lehrjahr, eine Stuttgarter Gärtnerei bildet sie zur Floristin aus. Das hätte sie nie geschafft ohne die gemeinnützige Initiative Joblinge, an die sie das Jobcenter verwies. Über eine „Orientierungsphase“ mit drei Praktika fand sie heraus, was ihr liegt. In der Pflege wollte sie nicht mehr arbeiten. „Bei Joblinge passierte was! Nicht nur Bewerbungen schreiben – wir machten Projekte, das gab Selbstvertrauen“ betonte sie auf dem Empfang „Joblinge hoch Zwei“ in der Robert-Bosch-Stiftung.

 

Der Anlass: seit Anfang Januar wird an einem zweiten Standort in Stuttgart, am Wilhelmsplatz, das Konzept „Joblinge Kompass“ umgesetzt. Es richtet sich pro Jahr an 80 geflüchtete Menschen zwischen 18 und 27 Jahren ohne nennenswerte Sprachkenntnisse mit niedriger bis mittlerer Qualifikation und hoher Bleibewahrscheinlichkeit. Aufgebaut ist es auf das klassische Joblinge-Programm, das chancenarme Jugendliche auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit unterstützt. Kern ist ein sechsmonatiges Programm, in dem berufliche und soziale Kompetenz der Teilnehmer aufgebaut und gestärkt werden sollen – mit Praktika, aber auch durch Unkonventionelles wie Kunst- und Theaterpädagogik.

Joblinge ist inzwischen an 25 Standorten aktiv

Wesentlich sei bei allen Joblingen-Programmen, so betonte Ulrike Garanin, Vorstand in der Joblinge-Dachorganisation, die „Qualifizierung durch Praxis sowie die Eins-zu-eins-Betreuung durch Mentoren.“ Die Dachorganisation wurde 2007 in München gegründet durch die Boston Consulting Group (BCG) und die Eberhard-von-Kuehnheim-Stiftung. Inzwischen ist Joblinge an 25 Standorten aktiv, jeweils als gemeinnützige AGs, die mit der Dachorganisation kooperieren. Vor Ort arbeiten Firmen, Politiker, Stiftungen und Ehrenamtliche zusammen, sind als sogenannte Gründungsaktionäre im Boot und stellen ihr Netzwerk zur Verfügung. Finanziert wird das Engagement zum Großteil von der öffentlichen Hand, zudem über Spenden. Bundesweit arbeiten mehr als 2000 Unternehmen mit der Initiative zusammen.

Die Joblinge gAG Region Stuttgart wurde im Mai 2014 gegründet. Zu den Förderern gehören auch die Jobcenter der Kreise Ludwigsburg und Rems-Murr sowie die Robert-Bosch-Stiftung. Von den rund 250 benachteiligten Jugendlichen am Standort Stuttgart – bundesweit waren es über 5000 – seien mehr als 70 Prozent in den regulären Arbeitsmarkt vermittelt worden, so Rolf Kilian von BCG. „Ein erfolgreiches Beispiel“, wie Integration und Teilhabe gelinge, sagte Joachim Rogall, Geschäftsführer der Robert-Bosch-Stiftung. Und Werner Wölfle – der Sozialbürgermeister folgt nun seinem Kollegen Michael Föll im Joblinge-Aufsichtsrat – hob die Eins-zu-eins-Betreuung hervor. Sie sei der Schlüssel, um Jugendliche, die seit Jahren erhebliche Vermittlungsprobleme hätten, in Berufe zu bringen. Dass davon auch die Firmen profitierten, beschrieb Martin Meyer, Personalstratege bei Porsche. Er engagiert sich auch als Mentor. „Man erlebt hautnah, welche Probleme anzugehen sind.“

Die Mitarbeiter schätzen Potenzial richtig ein

Wie bei Casimir Djomo Nana, der vor zwei Jahren aus Kamerun floh und nun seit Herbst eine Ausbildung zum Maschinenanlagenführer in einem Stuttgarter Unternehmen macht. „Auf der Berufsschule ging es um Holzverarbeitung, ich wollte aber immer was mit Metall machen – wie in meinem Heimatland.“ Joblinge half. „Mein Mentor ist wie ein Freund“, sagt Djomo. Er wurde bereits bei Joblinge aufgenommen, bevor das Kompass-Programm startete. Joblinge-Vorstand Ulrike Garanin lobte: „Die Stuttgarter Mitarbeiter sahen Potenzial und Motivation – und handelten.“