Bis die Bundesstraße 27 mindestens vierspurig von Stuttgart bis Balingen führt, wird es noch einige Jahre dauern. Immerhin erkennt die Politik die Notwendigkeit des Ausbaus an. Bei Tübingen ist jetzt ein Teilabschnitt fertig geworden.

Dußlingen - Im Straßenbau muss man einen langen Atem haben. Vor vier Jahrzehnten überbrachte die kurz zuvor in den Bundestag gewählte Dußlingerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) die frohe Kunde von einem „Ja zum Tunnel“ aus Bonn in ihren Heimatort. Jetzt konnte der Dußlinger Bürgermeister Thomas Hölsch Vollzug melden. Gemeinsam mit viel Prominenz von Bund, Land und Landkreis durchschnitt Hölsch das schwarz-rot-goldene Band und gab den vierspurigen Ausbau der B 27 feierlich frei für den Verkehr.

 

Auf ein „Ja zum Tunnel“ wartet die Region auch heute wieder, und zwar zum sogenannten „Schindhau-Basistunnel“, der diese viel befahrene Bundesstraße rund um Tübingen leiten soll. Wenn dazu die B 27-Umfahrung bei Ofterdingen gebaut wird, wäre das große Ziel erreicht, eine vierspurige B 27 zwischen Balingen und Stuttgart-Degerloch. Landesverkehrsminister Winfried Hermann deutete immerhin einen Zeitrahmen an. Er rechnet mit „mindestens zehn Jahren“ bis zur Inbetriebnahme dieser Straßenabschnitte. An dem Grünen-Politiker soll es nicht liegen. „Die B 27 ist eine verkehrliche Achse von höchster Bedeutung“, sagt Hermann. Er priorisiert zwar grundsätzlich den Erhalt und die Sanierung von bestehenden Straßen, doch in diesem Fall lässt er keinen Zweifel daran, dass „diese Achse dringend ausgebaut werden muss“. Und das betrifft nicht nur den vierspurigen Ausbau im Bereich Ofterdingen und Tübingen, sondern auch die Verbreiterung auf sechs Spuren vom Aichtal bis zum Echterdinger Ei. Alle drei B-27-Projekte seien als vordringlicher Bedarf für den neuen Bundesverkehrswegeplan angemeldet, der 2015 vorgelegt werden soll.

Land und Bund müsen zustimmen

Josef Bild, Abteilungspräsident im Tübinger Regierungspräsidium für den Bereich Straßenwesen und Verkehr, gibt Einblicke in den Stand der aktuellen Planungen. Bei der Umgehung Ofterdingen sei die „Genehmigungsplanung auf dem Wege“. Die Ministerien von Land und Bund sollen den Plänen nun zustimmen. Danach müssen im Zuge des Planfeststellungsverfahrens die Pläne offengelegt und eventuelle Einsprüche bearbeitet werden. Danach könnte mit dem Bau begonnen werden, sofern – im Falle von Bundesstraßen – der Bund die Finanzierung bereitstellt. Der neue Verlauf der B 27 würde die Autos hinter Dußlingen um Ofterdingen herumleiten, bei Bad Sebastiansweiler träfe die Straße dann auf den vierspurig ausgebauten Teil der Trasse in Fahrtrichtung Balingen. Für dieses sieben Kilometer lange Straßenbauprojekt „Nehren-Bodelshausen“ müssen mindestens 60 Millionen Euro veranschlagt werden. „Die Umfahrung Ofterdingen ist bei der Planung weiter als der Basistunnel bei Tübingen“, betont Bild.

Der Ausbau der B 27 bei Tübingen ist eine sehr lange Geschichte. Viele Varianten wurden schon diskutiert oder gar vorgeplant. Vor zwei Jahrzehnten ging es um eine Verbreiterung und Tieferlegung der Fahrbahn im bisherigen Verlauf quer durch die Tübinger Südstadt. Die nach dem früheren Tübinger Regierungspräsidenten benannte „Gögler-Trasse“ wurde verworfen, weil sich dieser Stadtteil für zehn Jahre in eine Großbaustelle verwandelt hätte. Dann ging es um eine Schneise quer durch den südlich von Tübingen gelegenen Bergrücken Schindhau. Grünbrücken sollten die Zerstörung des Naherholungsgebietes erträglich machen. Das taten sie keineswegs. Das Projekt, mit dem Menschen im Hinterland um Balingen glücklich waren, aber niemand in Tübingen, wurde gekippt.

Große Zustimmung von allen Seiten erhielt die nächste Version, der Schindhau-Basis-Tunnel, der den Verkehr von Stuttgart kommend links vor Tübingen durch zwei knapp 2,4 Kilometer lange Tunnelröhren leiten würde. 200 Millionen Euro sind dafür veranschlagt – „mindestens“, sagt Josef Bild. Jahrelang blockierte allerdings der Bundesrechnungshof die weiteren Planungen. Die Behörde musste erst davon überzeugt werden, dass es sich bei der mit Abstand teuersten Variante auch um die mit Abstand beste handelt. Das ist inzwischen geschehen.

Bürger korrigierten die Pläne

2012 legte das Regierungspräsidium Pläne für die Anschlüsse im Süden und Norden der Stadt vor. Das Ausmaß der Auffahrten erschreckte die Öffentlichkeit. Von „Monsterknoten“ und „Autobahnkreuz“ war die Rede. Dem Verkehr war zwar Rechnung getragen worden, nicht aber städtebaulichen Aspekten. Zur Überraschung von Politikern wie Fachleuten brachte die Mitwirkung der Anwohner bei Workshops im Zuge der Bürgerbeteiligung bessere Ideen. Nach der allseits gelobten Präsentation im März 2013 feilen die Fachleute im Regierungspräsidium derzeit an der planerischen Umsetzung der Bürger-Vorschläge.

Anschließend werden die Pläne über das Ministerium in Stuttgart nach Berlin weitergereicht. Wann sie die diversen Genehmigungsstempel erhalten und es zur Planfeststellung und somit zum dann möglichen Baubeginn kommt, lässt sich kaum absehen. Es geht wohl um einen Zeitraum von sieben bis zehn Jahren. Und dann muss der Bund das Geld bereitstellen für zwei Tunnel, für deren Bau sechs Jahre veranschlagt werden.