Gerne hätte Israels Premier Benjamin Netanjahu geräuschlos seinen Verteidigungsminister Mosche Jaalon gegen den Rechtspopulisten Avigdor Lieberman ausgetauscht, um seine Regierungsmehrheit aufzustocken. Doch Jaalon genießt überparteilichen Respekt.

Jerusalem - . Der Ton, den Mosche Jaalon Freitag in seiner Rücktrittserklärung als Verteidigungsminister anschlug, war lakonisch. Aber die Kritik an seinem obersten Dienstherrn, Benjamin Netanjahu, hatte es in sich. „Mein Mangel an Vertrauen in ihn“, hatte Jaalon am Morgen auf seiner Facebook-Seite bekannt, sei der Grund, eine Auszeit zu nehmen. Er habe zwar nicht vor, sich aus dem politischen Leben zurückzuziehen. Aber jüngste Differenzen mit Netanjahu in moralischen Grundsatzfragen hätten seinen Entschluss reifen lassen, sämtliche Ämter in Regierung und Parlament niederzulegen. Der Likud, so Jaalon, sei unter fundamentalistische Einflüsse geraten und nicht mehr seine Partei.

 

Am Ende einer politisch turbulenten Woche in Israel löste sein Rücktritt noch einmal Schockwellen aus. Jaalon, ein Militär vom alten Schlag, der nie durch Charisma, aber schon öfters durch seine geradlinige, unverblümte Art auffiel, hat sich zumindest einen eindrucksvollen Abtritt verschafft. Der Premier hätte ihn gerne geräuschlos wie eine Schachfigur gegen den Rechtspopulisten Avigdor Lieberman ausgetauscht. Denn der soll mit seiner fünfköpfigen Fraktion „Israel Beitenu“ (Israel ist unser Heim) die knappe Regierungsmehrheit von nur einer Stimme aufstocken.

Ministerium und Pensionszahlungen

Dafür winkt ihm reicher Lohn. Neben dem Verteidigungsministerium schlug Lieberman für seine Leute auch das Einwanderungsministerium heraus sowie Pensionszahlungen an Einwanderer aus der früheren Sowjetunion, über deren Höhe noch verhandelt wird. Ganz leer sollte zwar auch Jaalon nicht ausgehen, hatte der Premier ihm zu verstehen gegeben. Unter Umständen könne er sich ihn als Außenminister vorstellen. Aber fest versprochen wurde nichts, abgesehen davon verlassen sich selbst engste Gefolgsleute nicht allein auf das Wort des wankelmütigen Netanjahu.

Und Jaalon schon gar nicht, nachdem er und der Generalstab zuletzt mehrfach mit Netanjahu aneinandergeraten waren. Zum Beispiel im Fall des israelischen Soldaten, der in Hebron einen wehrlos am Boden liegenden palästinensischen Angreifer mit gezieltem Kopfschuss getötet hatte. Unvereinbar mit dem Moralkodex der Armee, befanden Jaalon und Armeeführung. Der Premier hingegen bekundete beim Vater des Soldaten Verständnis. Zur Raison rief Netanjahu dafür den Vizegeneralstabschef Jair Golan, weil der am Holocaust-Gedenktag vor antidemokratischen Umtrieben in Israel gewarnt hatte, die Assoziationen an das frühe Nazi-Deutschland weckten. Jaalon stellte sich hinter den General.

Parteiübergreifender Respekt

Nicht nur das: in einer Rede vor Jugendgruppen ermunterte er Führungsoffiziere ausdrücklich, ihren unabhängigen Kopf zu bewahren. Netanjahu reagierte vergrätzt und bestellte Jaalon zum Rapport ein. Noch am Montag hatte Netanjahu erklärt, der Streit sei beigelegt. Zwei Tage später ließ er Jaalon fallen. Dass „Bugi“, wie die Israelis ihren bisherigen stets loyalen Verteidigungsminister nennen, jetzt die Reißleine zog und ausstieg, hat ihm eine Menge parteiübergreifenden Respekt verschafft. Prompt rief die zur linken Mitte zählende Zionistische Union Jaalon auf, sich ihr anzuschließen. Er steht nun als Mann mit Rückgrat dar.

„Bibi“, so Netanjahus Spitzname, indes hat sich mit seinen machtpolitischen Taktierereien eine Menge Kritik eingefangen. Zumal er nur Stunden, bevor er mit dem ultrarechten Lieberman ins Geschäft kam, noch die Zionistische Union in die Koalition holen wollte. Hinzu kommt, dass die Israelis mehrheitlich lieber Jaalon weiter auf dem heiklen Verteidigungsposten sähen als Lieberman – einen Hardliner, der die Todesstrafe für Terroristen einführen will und sich schon für alle möglichen militärischen Abenteuer stark gemacht hat. Außerdem tat sich Lieberman auch früher als Außenminister nicht gerade durch diplomatische Umsicht hervor. Als Verteidigungsminister werde er sich aber als „pragmatisch und moderat“ erweisen, bemühte sich Netanjahu, die Gemüter zu beschwichtigen. Juval Diskin, ehemals Chef des Inlandgeheimdienstes Schin Beth, widersprach: „Lieberman ist das genaue Gegenteil von Bugi.“ Er sei eine zynische Person ohne Zurückhaltung und echte Kampferfahrung.