Marc Kienle soll als Sportlicher Leiter des VfB-Jugendfußballs dafür sorgen, dass sich wieder mehr Talente bei den Profis durchsetzen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Als Marc Kienle ein junger VfB-Profi war und ihm das braun gelockte Haupthaar noch dichter in die Stirn fiel, da hat der Stürmer einmal ein wertvolles Kopfballtor erzielt. Das war am 17. April 1993, als die Frankfurter Torwartikone Uli Stein eine Flanke des Stuttgarter Außenverteidigers Michael Frontzeck unterschätzte - und Kienle in der 82. Minute den Treffer zum 2:2-Endstand erzielte. Es war das erste Bundesligator des Ruiters.

 

In den nächsten drei Wochen wird Marc Kienle noch wie bisher als Trainer der U 17 (älteren Semestern als B-Jugend bekannt) des VfB Stuttgart auf dem Fußballplatz mit seinen Talenten arbeiten. Schließlich steht der 38-Jährige mit seiner Mannschaft einen Spieltag vor Schluss als Erster der Bundesliga Südwest bereits im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft. Kienles zweiter Titel mit dem VfB-Nachwuchs nach dem Triumph von 2009 wäre ein schöner Erfolg. "Doch mein Antrieb", sagt der zweifache Familienvater, "ist etwas anderes. Ich will von den jungen VfB-Spielern so viele wie möglich einmal drüben im großen Stadion in der Bundesliga-Elf sehen."

Nicht zur ganz großen Karriere gereicht

Auch wenn es für Marc Kienle nach seinem Debüttreffer unter dem damaligen Meistertrainer Christoph Daum nicht zur ganz großen Karriere gereicht hat. Seine 72 Erstliga- und die 143 Zweitligaspiele für den VfB, für Duisburg, Aachen und den Karlsruher SC sind eine vorzeigbare Bilanz. Viele seiner heutigen Schützlinge wie auch die Spieler aus den anderen Juniorenteams des VfB sollen später mal eine ähnliche, ein paar von ihnen eine größere Laufbahn im bezahlten Fußball hinlegen. Um dies zu erreichen, wechselt Marc Kienle nach dem Saisonende den Arbeitsplatz.

"Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht - schließlich bin ich gerne Trainer", sagt Kienle, der im Frühjahr seine Ausbildung zum Fußballlehrer in Köln erfolgreich abgeschlossen hat. Künftig wird er aber den neu geschaffenen Posten des Sportlichen Leiters beim VfB mit Leben füllen. "Ich will die Trainer der einzelnen Teams beraten, sie unterstützen - und den Karriereplan unserer Perspektivspieler entwickeln", sagt Kienle, der künftig als Bindeglied zwischen den einzelnen Jugendteams von der U 15 bis zur U 19, aber auch zwischen dem Nachwuchs und der zweiten Mannschaft fungieren wird.

VfBler über Kienle

"Marc kennt unsere Spielphilosophie, hat das VfB-Gen. Er setzt auf Ordnung und Disziplin, überlässt nichts dem Zufall und kann sich gut auf die einzelnen Charaktere einstellen", sagt der VfB-Jugendleiter Frieder Schrof über Kienle, der künftig sein sowie der Chef der Jugendkoordinators Thomas Albeck ist. Schrof sieht sich durch den 38-Jährigen ("Wir sind ein Team. Aber einer muss das letzte Wort haben") nicht in die Ecke gedrängt. "Meine Hauptaufgaben liegen in der Verwaltung, in den Finanzen und in rechtlichen Dingen", sagt der Jugendleiter: "Marc tut unserer Jugend sehr gut. In Sachen Koordination lief es bei uns in der Vergangenheit nicht optimal."

Tatsächlich hat sich zuletzt kein Spieler aus der VfB-Jugend im Bundesligateam durchsetzen können - auch die Jungprofis Patrick Funk und Daniel Didavi warten nach ihrer Premierensaison auf den Durchbruch. Dieses Missverhältnis haben auch der Manager Fredi Bobic und der Sportdirektor Jochen Schneider bemerkt. Also haben sie im Unterbau des Profiteams ein Stühlerücken initiiert. In Jürgen Kramny folgt ein ehemaliger Mitspieler Kienles auf Jürgen Seeberger als Trainer der zweiten Mannschaft. Neu als Jugendcoach verpflichtet worden ist der Ex-Profi Thomas Schneider, der gemeinsam mit Kienle die Fußballlehrer-Ausbildung in Köln absolvierte - und diese als Zweitbester abschloss. Ob Schneider die U17 oder die U19 übernimmt, ist noch nicht entschieden, denn Kienle ist gerade dabei, einen zweiten Jugendtrainer zu verpflichten.

Viele Talente zu Bundesligaspielern machen

"Marc ist sehr ambitioniert und kennt den VfB in- und auswendig. Er soll unsere Toptalente auf ihrem Weg zu den Profis begleiten und die Schnittstelle zwischen Jugend- und Profiabteilung bilden", sagt Fredi Bobic über Kienle, der sich selbst im neuen Job als "übergeordnete Hand" sieht. So ist der Sportliche Leiter künftig neben der Besetzung der Trainer- und Betreuerstellen in der VfB-Jugend auch für die Vergabe der Akademieplätze an Talente zuständig und koordiniert deren Einsätze. Schließlich kommt es bei den Stuttgartern häufig vor, dass etwa ein junger A-Jugendlicher bereits in der zweiten Mannschaft in den Drittligabetrieb hineinschnuppert.

Über allem steht beim VfB allerdings das Ziel, möglichst viele Talente zu Bundesligaspielern zu machen. "Deutsche Meisterschaften bei den Junioren sind für junge Spieler ein tolles Erlebnis", sagt Kienle, "aber sie sind nicht das Wichtigste." Auch der Erfolg der zweiten Mannschaft sei dies nicht. Obwohl der VfB nach dem Abstieg des FC Bayern II und von Werder Bremen II nun als einziger Bundesligaverein auf ein Drittligateam verweisen kann, musste Jürgen Seeberger ein Jahr vor dem Vertragsende gehen. Es heißt, er habe die VfB-Philosophie nicht komplett verinnerlicht. "Letztlich aber", sagt Kienle, "ist auch der Coach der zweiten Mannschaft bei uns vor allem ein Ausbildungstrainer."