Es ist soweit: Am Mittwoch öffnet die neue Menschenaffenanlage der Wilhelma für die Besucher die Pforten. Der Bau setzt Maßstäbe innerhalb der Wilhelma – sowohl bei den Haltungsbedingungen für die Tiere als auch bei den Angeboten für die Besucher.

Stuttgart - Die alte Lady schaukelt gelassen in ihrer Hängematte. So schnell lässt sich Kombote von nichts verrückt machen, sie lebt schließlich schon seit 40 Jahren in der Wilhelma. Kombote, deren Alter die Pfleger im Stuttgarter Zoo auf 46 schätzen, wurde einst noch in der kongolesischen Wildnis von Jägern erbeutet. Inzwischen verbieten Gesetze den Handel mit bedrohten Arten. Die jüngeren im Zoo lebenden Affen wurden in den meisten Fällen auch im Zoo geboren. Vor einem Monat ist die betagte Bonobo-Dame noch einmal umgezogen – gemeinsam mit ihren Artgenossinnen, später kamen die Gorillas nach.

 

Kombote wurde vom Tierarzt betäubt, und als sie nach Stunden ihre Augen wieder aufschlug, befand sie sich nicht mehr im alten Affenhaus der Wilhelma, das ihr vier Jahrzehnte lang als Heimat diente, sondern in der neuen Anlage für afrikanische Menschenaffen. Am Dienstagnachmittag wird das Haus von Finanzminister Nils Schmid eröffnet, am Mittwoch können die Besucher erstmals die neuen Gehege besichtigen. Der Bau setzt Maßstäbe innerhalb der Wilhelma – sowohl bei den Haltungsbedingungen für die Tiere als auch bei den Angeboten für die Besucher.

Für die Bonobos wird ihr neues Zuhause ein Erlebnis in der dritten Dimension. Die Zwergschimpansen sind Kletterkünstler, die in der Natur vor allem auf Bäumen leben. In den beiden Außengehegen der neuen Menschenaffenanlage werden sie zwar keine Urwaldriesen sehen, aber einen Panoramablick über die wuchtigen Bäume im Rosensteinpark haben. Die Gitternetzkonstruktion reicht in bis zu 13 Meter Höhe, die Affen können über Holzgestelle klettern und sich in Hängematten ausruhen. „Für die Bonobos ist nicht die Fläche eines Geheges entscheidend, sondern das Raumvolumen“, sagt Marianne Holtkötter, die Kuratorin für Menschenaffen in der Wilhelma.

Keine Langeweile

Neu sind auch die Rezepte gegen die Langweile bei Tieren und Besuchern. Die Wilhelma setzt in beiden Fällen auf Multimedia-Angebote. Erstmals probiert der Zoo das „Bonobo TV“ aus – künftig können die Affen täglich eine halbe Stunde lang Trick- oder Naturfilme ansehen. Andere Zoos haben damit gute Erfahrungen gemacht. Marianne Holtkötter erinnert sich an einen Tierpark, in dem der Fernseher kaputtging: Als der Kundendienst das Gerät nach einigen Tagen zurückbrachte, „kreischten die Bonobos vor Freude und applaudierten dem verdutzten Mann“.

Insgesamt sind 13 Bonobos und acht Gorillas in Stuttgarts hochmoderne Affen-WG eingezogen – dazu kommen vier Gorillajungtiere, die zunächst in der Aufzuchtstation leben werden. Während bei den Bonobos Kombote als Matriarchin den Ton angibt, hat in der Gorillagruppe ein Clanchef das Sagen: Kibo, 22 Jahr alt, kam im Kölner Zoo auf die Welt und lebt seit 2001 in Stuttgart. Der Silberrücken mit dem breiten Kreuz gilt trotz seiner Chefposition als gutmütig und verspielt.

Den Tieren nahe sein

Künftig haben Kibo, Undi, Mimi und die anderen Gorillas weit mehr Auslauf als zuvor. Allein für die Gorillas haben die Architekten von Hascher & Jehle zwei Innen- und zwei Außengehege gebaut. Dabei werden die meisten der Affen zum ersten Mal in ihrem Leben Gras unter den Füßen spüren. In den vergangenen Monaten haben Landschaftsarchitekten einen künstlichen Flusslauf angelegt, Felsen modelliert und Eichenstämme so platziert, dass die mächtigen Menschenaffen auf sie klettern und ihre Umgebung beobachten können.

Während in Stuttgart händeringend Kitaplätze gesucht werden, bietet die neue Aufzuchtstation für Gorillakinder genug Platz für den Affennachwuchs. Die Wilhelma spielt bei der Aufzucht von Jungtieren europaweit eine herausragende Rolle, immer wieder kommen verstoßene Jungtiere aus anderen Zoos nach Stuttgart. Die neue Anlage ermöglicht es den Jungtieren, nun erstmals dauerhaft ihre großen Artgenossen bei Streitigkeiten und Versöhnungen zu erleben. Sie können sie nicht nur sehen, sondern auch hören und riechen. Die Wilhelma verspricht sich davon eine schnellere Eingewöhnung der jungen Gorillas in die Gruppe der Erwachsenen.

Die Besucher kommen den Tieren so nah wie noch nie: Nur ein Wassergraben trennt sie im Außenbereich von den Primaten. An Lautsprechern lassen sich Gorillalaute abrufen, in einem Quiz können Besucher ihr Wissen überprüfen und in einem Labyrinth nach Gegenständen stochern – genau wie die Tiere auf der anderen Seite der Scheibe. Kinder werden in den gleichen Hängematten schaukeln, die auch im Affenhaus hängen. Menschenaffen sind keine Streicheltiere – aber die Besucher können Modelle von Affenköpfen und -händen künftig anfassen: um ihre nächsten Verwandten noch besser zu begreifen.

Service für die Besucher

Menschenaffenanlage Gorillas und Bonobos leben künftig in einer rund 10.000 Quadratmeter großen Anlage – die Fläche ist 14-mal größer als jene im alten Menschenaffenhaus. Dort bleiben die Orang-Utans, während die Wilhelma die Haltung von Schimpansen aufgegeben hat. Die neue Anlage kostet rund 22 Millionen Euro – die Kosten sind im Vergleich zu den ursprünglichen Planungen um neun Millionen Euro gestiegen. Der Förderverein der Wilhelma gibt allein 9,5 Millionen Euro.

Informationen Die Wilhelma erwartet morgen, wenn die Anlage erstmals für Besucher öffnet, einen großen Andrang in und rund um die neue Anlage. Der Haupteingang des Zoos ist von 8.15 bis 18 Uhr geöffnet, Erwachsene zahlen 14 Euro, ermäßigte Tickets kosten sieben Euro. In unmittelbarer Nähe zur Menschenaffenanlage finden Besucher die im April neu gestaltete Anlage für Erdmännchen (siehe Grafik)