Aufgrund des stark gestiegenen Zustroms an Asylbewerbern sind im Rems-Murr-Kreis auch die mittleren Gemeinden in der Pflicht, Grundstücke für Gemeinschaftsunterkünfte zur Verfügung zu stellen. In Korb hat sich der Gemeinderat am Dienstag für den Standort Festplatz entschieden.

Korb - Einstimmig, bei einer Enthaltung, hat sich der Korber Gemeinderat in seiner Sitzung am Dienstag dafür ausgesprochen, dem Landkreis den oberen Bereich des Festplatzes an der Brucknerstraße als Standort für eine Gemeinschaftsunterkunft anzubieten. Die Fläche würde ausreichen, um ein Wohnheim für bis zu 60 Asylbewerber zu errichten. Trotz aller Einmütigkeit: so richtig glücklich ist das Gremium nicht mit seiner Entscheidung. „Eine Ideallösung ist das nicht, aber wir müssen vorwärtskommen“, sagte Friedrich Zimmerle von der Fraktion der Freien Wähler/CDU. Denn die Zeit drängt: Der Landkreis steht unter Druck (siehe Info-Kasten) und wollte am liebsten bis zum Beginn den Sommerferien wissen, auf welchem Grundstück sich die Gemeinde eine Gemeinschaftsunterkunft vorstellen könnte.

 

Weil es schnell gehen muss, fallen andere Standorte in Korb weg, die ebenso potenziell geeignet gewesen wären. Entweder, weil sie sich nicht komplett im Eigentum der Gemeinde befinden oder weil es noch keinen Bebauungsplan für das jeweilige Gebiet gibt. Andere Grundstücke liegen im Gewerbe- oder Industriegebiet, wo keine Asylbewerberwohnheime zulässig sind. Der Bebauungsplan am Festplatz muss zwar geändert werden, „aber da es keine direkten Anwohner gibt und die Voraussetzungen gut sind, müsste das schnell gehen“, sagte Ordnungsamtleiter Raimon Ahrens.

Der Festplatz ist keine Ideallösung

Es gibt andere Gründe, warum der Platz nicht perfekt ist. „Eine Sporthalle auf dem Festplatz zu bauen, ist dann erst einmal nicht möglich. Und wir wollten dort kein Ghetto haben, die Menschen nicht nach draußen abschieben“, sagte Nicola De Vitis von den Freien Bürgern. Denn am unteren Ende des Festplatzes gibt es bereits Wohnungen, in denen Asylbewerber und Obdachlose leben. Direkt daneben befindet sich der Jugendtreff: „Den wollten wir eigentlich aufwerten, auch mit dem neuen Beachvolleyballfeld“, sagte Martin Zerrer von der Fraktion CDU/Freie Wähler.

Die möglicherweise konfliktreiche Mischung bereitet auch einigen seiner Kollegen Bauchweh. „Wichtig wird sein, einen positiven Grundton zu bekommen, und jetzt schon zu überlegen, wie wir eine Prophylaxe angehen – und nicht zu warten, bis die Polizei kommen muss“, sagte Martin Schwegler (CDU/Freie Wähler). Aus diesem Grund unterstützt der Gemeinderat auch finanziell den Aufbau einer ehrenamtlichen Asylbewerberbegleitung. Gerhard Brenner von den Grünen ermutigte die Verwaltung, weiterhin über das Mitteilungsblatt nach Korbern zu suchen, die Wohnungen an Asylbewerber vermieten würden – um die von vielen favorisierte dezentrale Unterbringung zu verwirklichen.

Wohnheim mit 30 Plätzen an der Lindenstraße

Der Gemeinderat hat ebenfalls beschlossen, eine Anschlussunterbringung für 30 Asylbewerber zu bauen. Dafür soll an der Lindenstraße das gemeindeeigene und stark sanierungsbedürftige Gebäude 57 abgerissen werden. Das dort errichtete Wohnheim soll anders als auf dem Festplatz kein Container, sondern ein massives Gebäude werden. „Wir wollen dort eine langfristige Perspektive, und den Wohnraum im Anschluss anderen Mitbürgern anbieten“, sagte Bürgermeister Jochen Müller. Ein örtliches Büro wurde mit den Planungen beauftragt.

Asylbewerbersituation im Rems-Murr-Kreis

Situation

Momentan stehen im Kreis elf Unterkünfte zur vorläufigen Unterbringung von Asylbewerbern bereit. Dort können diese bis zu zwei Jahre lang leben. Die Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Karlsruhe ist dafür zuständig, die ankommenden Asylbewerber nach einem bestimmten Prozentsatz den Kreisen zuzuweisen. Wie viele es sind, schwankt jeden Monat. Allerdings steigen die Zahlen seit 2008 kontinuierlich an. Im Juni wurden dem Rems-Murr-Kreis 135 Flüchtlinge zur Unterbringung zugewiesen. Bis zum Jahresende werden noch etwa 900 Personen erwartet.

Platznot

Alle bestehenden Gemeinschaftsunterkünfte sind belegt. Diese wurden bisher vor allem in den großen Kreisstädten errichtet. Aufgrund des starken Zustroms sind nun auch die mittleren Gemeinden von etwa 10 000 Einwohnern an dazu aufgefordert, dem Landkreis geeignete Grundstücke oder Gebäude zur Unterbringung von Flüchtlingen zu vermitteln. Die Unterkunft selbst wird vom Kreis errichtet, verwaltet und betrieben. Bisher gibt es erst mit einer Gemeinde konkrete Verhandlungen. Ziel ist, dass in jeder größeren Kommune noch in diesem Jahr eine Gemeinschaftsunterkunft mit mindestens 60 Plätzen besteht. Ab dieser Größe ist der Betrieb wirtschaftlich, können ein Sozialarbeiter und Hausmeister regelmäßig dort sein.

Notlösung

Sollten nicht bald neue Plätze geschaffen werden, kann es sein, dass der Landkreis Flüchtlinge in Turnhallen unterbringen muss. Da er dies nur in kreiseigenen Hallen kann, würde das beispielsweise Berufsschulzentren treffen. Eine andere Notlösung könnten Zeltstädte sein. Beide Möglichkeiten würden erhebliche Einschränkungen mit sich bringen.

Anschlussunterbringung

Die Gemeinden sind nicht nur bei der vorläufigen Unterbringung gefragt. In diesem Jahr kommen 270 Menschen in die zeitlich unbegrenzte Anschlussunterbringung, im kommenden Jahr wird sich die Zahl vermutlich verdoppeln.

Herausforderung

Bereits jetzt ist klar, dass sich die Situation in Zukunft noch verschärfen wird. Von Januar 2016 an steht den Flüchtlingen mehr Platz zu. Momentan muss jeder Flüchtling 4,5 Quadratmeter an Schlaf- und Wohnfläche zur Verfügung haben, in Zukunft sind es sieben Quadratmeter. Dadurch werden dem Landkreis voraussichtlich etwa 25 Prozent der vorhandenen Plätze wegbrechen.