Der Eröffnungstermin des Dorotheen-Quartiers von Breuninger stand bis zuletzt auf der Kippe. Händler ärgern sich über Beeinträchtigungen: „Eröffnung ohne Baulärm wäre schöner gewesen.“

Stuttgart - Vier Fensterputzer schaffen wie Brunnenputzer. Schnell und rastlos bringen sie die Schiebetüren der Karlspassage hin zum 200-Millionen-Euro-Projekt Dorotheen-Quartier auf Hochglanz. Der Countdown läuft. Noch zehn Minuten bis zur Eröffnung. In dieser Zeit versuchen Bauarbeiter und Putzkräfte, das Unmögliche möglich zu machen: rechtzeitig fertig zu werden. Bodenplatten werden verlegt, Bagger rollen durchs Quartier, es dröhnt, poltert und staubt. Die schöne neue Einkaufs-und-Gastro-Welt zwischen Münz-, Sporer-, Dorotheen- und Holzstraße ist eine Baustelle.

 

Auch in manchen Läden wird noch gearbeitet. Acht der insgesamt 30 Shops öffnen daher an diesem Dienstag nicht. Die Ladenflächen sind im Rohbau. Dazu zählen Louis Vuitton, Tesla, American Vintage, IKKS, Zadig & Voltaire, Nesenbach, Suitsupply und Rivièra Maison. So wirkt das Ganze wie ein klassischer Fehlstart. Baulärm statt feierlichem Tamtam und netten Eröffnungsreden der Stadtspitze. Hinter vorgehaltener Hand berichten Breuninger-Mitarbeiter, dass man selbst unzufrieden mit der Lage sei. Bis zuletzt habe sich die Geschäftsleitung vorbehalten, die Eröffnung abzusagen. Manche der Händler hätten das begrüßt. Darunter auch die Buchhandlung Hugendubel, die Humor zeigt. Mitarbeiter, die Kunden einen Begrüßungssekt reichen, tragen rote Bauhelme. Im Grunde findet Hugendubel-Geschäftsführer Thomas Nitz diese Art der Eröffnung aber gar nicht lustig. „Der erste Aufschlag ist wichtig, da hat man eine Chance vertan“, sagt er und kündigt an, Breuninger Fragen zu stellen.

Breuninger-Chef denkt positiv

Willy Oergel, Breuninger-Chef, kommt ihm zuvor. Natürlich sei es schade, dass man nicht restlos fertig geworden sei, aber es sei empfehlenswerter, das Positive herauszukehren: „Es ist doch ein wunderbares Quartier geworden“, sagt er, „vor allem, wenn ich daran denke, wie es vorher hier ausgesehen hat.“ Oergel meint das mit Stacheldraht gesicherte Innenministerium. „Außerdem wollten wir dieses Quartier endlich für die Stuttgarter öffnen“, sagt er.

Ebenjene Stuttgarter nahmen das neue Quartier gut an. Nicht in Massen, eher in Maßen, und mit positiven ersten Eindrücken. „Die Gebäude wirken zwar sehr mächtig, aber die Gesamtanmutung ist ansprechend“, sagt ein Passant, „das Quartier könnte eine neue Attraktion werden.“ Davon ist der Vater des Projektes restlos überzeugt: Der frühere Breuninger-Chef Willem van Agtmael schlendert an diesem Tag mit stolzgeschwellter Brust durchs Quartier. „Ich freue mich riesig“, sagt er, „als ich das Ganze vor zehn Jahren bei den Stuttgarter Nachrichten vorgestellt habe, hieß es ja noch ‚Da Vinci‘ und hatte andere Dimensionen, aber letztlich ist es so geworden, wie ich mir es vorgestellt habe.“ Willem van Agtmael meint: „Unten reinfahren und dann in alle Himmelsrichtungen loslaufen.“ Dass dieser 30. Mai 2017 nicht als feierliche Eröffnung in die Breuninger-Annalen eingehen wird, stört den Holländer nicht. „Kommt noch“, sagt er lässig und verweist auf seine beruflichen Anfänge als Hoteldirektor: „Da haben wir auch mit einem Pre-Opening begonnen und dann richtig gefeiert.“ Dieser Festakt soll im September stattfinden.

Allen Startschwierigkeiten zum Trotz: Grundsätzlich sind alle Händler froh, hier mit an Bord zu sein. „Die Städte brauchen solche besonderen Standorte“, sagt Buchhändler Nitz und hofft bei der eher betuchten und gebildeten Klientel des Dorotheen-Quartiers auf eine „buchaffine Käuferschaft“. Dazu zählt er auch die Mitarbeiter der Ministerien, die sich hier eingemietet haben. Ähnlich sieht es Kim-Eva Wempe, die nun in der Rolex-Boutique neben der Königstraße ein zweites Standbein in der Stadt hat. Der Hanseatin war sofort klar: „Hier müssen wir mitmachen. Wir sind grundsätzlich an den Plätzen mit starker Frequenz.“

Geistiger Vater des DQ ist glücklich

Freilich werde das Dorotheen-Quartier nie die starken Passantenströme der Königstraße erreichen, aber sie hofft auf einen neuen Anziehungspunkt, unter dem schließlich die Königstraße leiden könnte. „Die Städte verändern sich“, sagt Wempe, „die Frequenzen sinken.“ Auch weil Einkaufsmeilen wie die Königstraße eine sehr hohe Durchmischung von billig und hochwertig aufweisen. Im kommenden Jahr wird Primark auf der Königstraße Nachbar von Wempe. Im Dorotheen-Quartier findet der Kunde jedoch ein einheitliches Sortiment. Das, so glaubt auch Citymanagerin Bettina Fuchs, mache das Dorotheen-Quartier und die angrenzende Stiftstraße für Kunden und Händler gleichermaßen attraktiv.

Und doch bleibt an diesem Dienstag ein Wermutstropfen im Freudebecher. „Ich will ja nix schlechtreden“, sagt Kim-Eva Wempe, „aber man hätte mit der Eröffnung noch zwei Wochen warten sollen. Ohne Baulärm wäre es schöner gewesen.“