Nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen kommt das Klinikum der Stadt Stuttgart nun wieder ein ruhigeres Fahrwasser. Bis längstens im April nächsten Jahres soll ein neues Leitungsteam diese führen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Nach der Trennung vom langjährigen Geschäftsführer und dem Weggang des ärztlichen Direktors hat das Klinikum der Stadt Stuttgart nun für eine Übergangszeitwieder ein komplettes Leitungsteam. Außer dem Geschäftsführer Reinhard Schimandl und der bisher schon für das Controlling zuständigen Direktorin Antje Groß hat man weitere bewährte Kräfte für diese Aufgabe gewonnen. Dem Gremium gehören nun auch Hansjörg Bäzner, der Ärztliche Leiter des Neurozentrums, sowie Axel Enninger, der Ärztliche Leiter des Zentrums für Kinder-, Jugend und Frauenmedizin, an. Die Pflege wird darin durch Elvira Schneider vertreten, der Pflegeleiterin des Zentrums für innere Medizin. Das Team soll das städtische Klinikum bis längstens im April 2017 leiten. Dann soll nicht nur eine neue Leitungsstruktur, sondern auch eine dauerhafte neue Klinikführung gefunden sein.

 

Nach schwierigen Wochen, ausgelöst durch die Trennung vom ehemaligen Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz und dem Weggang des Ärztlichen Direktors Jürgen Graf, lichten sich die Verhältnisse in Stuttgarts größtem Krankenhauskomplex langsam wieder. Mit der Besetzung sei die Leitung des Klinikums bis zur grundsätzlichen Neuorganisation sichergestellt, betonte Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle (Grüne). „Das Klinikum steht vor großen Herausforderungen“, sagte Wölfle. Deshalb sei er sehr dankbar, dass Hansjörg Bäzner, Axel Enninger und Elvira Schneider mit ihrer anerkannten Fachkunde „diese Verantwortung zusätzlich zu ihren Aufgabenbereichen übernehmen“.

Jahresbilanz 2015 mit einem ersten Hoffnungsschimmer

Dass das städtische Klinikum in diese Lage geraten ist, dafür gibt es mehrere Ursachen. So hatte sich das Defizit des Großkrankenhauses 2014 auf insgesamt 24 Millionen Euro verdoppelt. Dazu kam ein außer Kontrolle geratenes Geschäft mit Patienten aus Libyen, bei dem das Klinikum auf Forderungen von neun Millionen Euro sitzen geblieben ist. In der Folge trennte man sich von Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz, er erhielt eine Abfindung von 900 000 Euro.

Jetzt richtet die neue Klinikleitung den Blick nach vorn. Erste Anzeichen für eine Verbesserung sieht man in der Jahresbilanz 2015, die noch von Wirtschaftsprüfern unter die Lupe genommen wird. Das Defizit liege „knapp unter 20 Millionen Euro“, sagt Antje Groß. Das wäre zumindest etwas besser als die im Wirtschaftsplan veranschlagten 20,2 Millionen Euro. Auch die Entwicklung des Olgäle, das wegen eines Wasserschadens erst verspätet in den Neubau mit der Frauenklinik umziehen konnte, gibt Anlass zu Hoffnung. „Die Erlössituation hat sich 2015 um fünf Millionen Euro verbessert“, erklärte die Controllerin des Klinikums. Das Defizit des Kinderkrankenhauses werde aber noch immer über den jährlichen fünf Millionen Euro liegen, die der Gemeinderat dem bundesweit renommierten Kinderhospital zugestanden hat. „Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht“, sagte Axel Enninger, „sind aber gut in die Richtung unterwegs“.

Hohes Defizit in den Ambulanzen

In den kommenden Monaten wird es darum gehen, zusammen mit der Beratungsfirma Ernst und Young, weitere Verbesserungen zu erreichen. „Noch in diesem Jahr werden wir mit der Umsetzung von Maßnahmen beginnen“, sagt Reinhard Schimandl, der im April 2017, mit dem Abschluss seiner Aufgabe, in den Ruhestand geht. Durch einige Ergebnisse, welche die Gutachter von Ernst und Young schon gewonnen haben, sehen sich die Verantwortlichen in ihrem bisherigen Handeln bestätigt. So hätten auch die Berater ein Defizit von 14 Millionen alleine in den Klinikambulanzen ermittelt, im Vergleich mit anderen Kliniken sei diese Unterdeckung aber sogar etwas geringer als in anderen Häusern, erklärte Antje Groß. „Unsere Arbeit ist besser als ihr Ruf“, betonte Hansjörg Bäzner mit Blick auf die Probleme bei dem Geschäft mit den libyschen Patienten.

Der Abschlussbericht des Rechnungsprüfungsamtes dazu wird am Mittwoch im Verwaltungsausschuss des Rats behandelt. Bürgermeister Werner Wölfle sagte, die International Unit (IU) werde weiter ausländische Patienten zur Behandlung im städtischen Klinikum akquirieren. Trotz der Probleme mit dem Libyengeschäft habe die IU noch einen Beitrag zur Senkung des Defizits geleistet. Geschäfte wie das mit Patienten aus Libyen oder ein in der Kritik stehender Beratervertrag mit Kuwait werde es nicht mehr geben.

Personalrat sorgt sich um die Rolle der Pflege

Teil der Gutachteraufgabe wird auch sein, eine neue Führungsstruktur für das Klinikum vorzuschlagen. Klar ist, dass darin stärker als bisher der ärztliche Sachverstand vertreten sein soll. Beim Personalrat fürchtet man, dass die Pflege auf der Strecke bleiben könnte. Jürgen Lux, der Personalratsvorsitzende, fordert, die größte Gruppe der Belegschaft müsse auf jeden Fall „in der zweiten Ebene der Krankenhausleitung vertreten sein und an den maßgeblichen Entscheidungen beteiligt sein“.