Vegetarier ist er zwar noch nicht geworden. Aber Vincent Klink, der Chef des Stuttgarter Restaurants „Wielandshöhe“, erzählt , warum er „Beilagen“ nicht mag, und warum jeder Mensch ein Recht auf schlechtes Essen hat

Stuttgart - Ein Vegetarier ist er zwar noch nicht geworden. Aber Vincent Klink, der Chef des Stuttgarter Restaurants Wielandshöhe, hat erkannt: „Gutes Gemüse steht gutem Fleisch in nichts nach.“ Im Gespräch erzählt Klink, warum er „Beilagen“ nicht mag, was er zu Hause auftischt, wenn Gäste kommen, und warum jeder Mensch ein Recht auf schlechtes Essen hat.
Lieber Herr Klink, in Ihrem neuen Kochbuch befassen Sie sich in 25 Kapiteln mit den verschiedensten Gemüsesorten: von Auberginen bis zu den Zwiebeln. Ich habe gleich nachgeschlagen unter meinen Problemgemüsen Rüben, Rettich und Sellerie. Und wurde fündig.
Das sind alles Wintergemüse. Jetzt im Sommer hat man die ja nicht so. Es gibt eine Renaissance bei Rüben: Steckrüben, weißen Rübchen, Teltower Rübchen. Damit kommt man sehr gut durch den Winter. In der Zeit ist es nicht gut, wenn man eingeflogene grüne Bohnen aus Afrika kauft. Nicht bloß wegen des Transports. Die schmecken dann einfach nicht. Eine Tomate aus Spanien bringt es im Winter auch nicht.
Sie raten zum Einkauf auf dem Wochenmarkt, wo man am Angebot sieht, was gerade frisch in der Region geerntet wird. Andere schwören auf ihre abonnierte Gemüsekiste.
Ich glaube, ich muss noch ein zweites Buch schreiben. Die Angebotsbreite bei Gemüse ist gigantisch, man glaubt es nicht. Im Restaurant bei uns gibt es mindestens 15 bis 20 verschiedene Sorten. Es ist aber auch die Leidenschaft meiner Küchenchefin, einer fantastischen Gemüseköchin. Es ist alles so gekocht, dass man das Fleisch vergisst. Das kann man wirklich nicht Beilage nennen.
Im Vorwort warnen Sie, Karotten und Co. nur unterm Gesundheitsaspekt zu bewerben.
Gemüse liegt leider sehr häufig nur als ein Schönheitsbukett auf dem Teller – wegen der Farbe. Was ja auch okay ist. Aber man muss darüber hinaus gehen und schauen, dass es auch schmeckt. Gutes Gemüse steht gutem Fleisch in nichts nach. Wenn sie einen frischen Gemüseeintopf haben, kommen Sie nicht auf die Idee, dass da die Schinkenwurst fehlt. So sollte es sein.
Aber wollen die Leute nicht lieber ihr Geld für Fleisch ausgeben?
Für mich gilt die Devise: weniger Fleisch und mehr Aufmerksamkeit für das, was man diffamierend die Beilage nennt. Es ist doch so: Momentan müssen wir einfach die Gesellschaft teilen, in Leute, die Werbefernsehen schauen und die, die das nicht tun. Das sind vielleicht 20, 30 Prozent, und die geben sich im Bereich Kochen immer mehr Mühe. Den anderen ist das egal. Die muss man auch nicht bekehren. Wir sind ein freies Land, und jeder hat ein Recht auf schlechtes Essen.
Ihre Rezepte sind kurz und unkompliziert. Irgendwo schreiben Sie auch, Ihnen sei es lieber, etwas schnell, schlampig und sofort zu machen, als perfekt, aber nie.
Ich müsste vielleicht einmal ein Buch machen für berufstätige Menschen. Da kommst du Heim vom Schaffen und musst dann noch kochen, aufräumen und spülen. Man schreibt so viel für Hobbyköche. Dabei geht es ja eigentlich auch um die Bewältigung des Alltags. Kochen ist doch nicht nur, um vor den Nachbarn anzugeben. Die Grundausstattung muss funktionieren. Ruheständler können vielleicht so kochen, ein Berufstätiger kann sich dieses Niveau nicht leisten.
Aber tragen nicht auch Fernsehköche wie Sie zu dieser Aufrüstung bei?
In meiner Sendung „Kochkunst“ will ich zeigen, wie man mit möglichst wenig Aufwand etwas Gutes macht. So ein Klub der kochenden Männer interessiert mich gar nicht. Mich interessiert so jemand wie meine Frau, die nicht kochen kann und keine Lust hat, länger als eine halbe Stunde in der Küche zu stehen. Dann mache ich halt ein Tomatenragout, das braucht auch nicht länger als bis die Spaghetti fertig sind. Fleisch soll man eigentlich nur machen, wenn man wirklich Zeit hat.
Unter der Woche sind unkomplizierte Gerichte aus saisonalem Gemüse ja eine gute Sache. Aber was macht man für Gäste – wenn nicht etwas mit Fleisch? Da fehlt die gute Idee.
Diese Einladungen sind ja eigentlich eine Qual. Man kommt oft nicht zum reden mit seinen Gästen vor lauter Schinderei. Es ist sowieso besser, wenn man bei Einladungen tiefstapelt. Es ist besser, man geht drei Stufen im Niveau runter, dann bleibt man sicher und locker. Die meisten Gastgeber gehen eine Stufe zu hoch und haben einen Riesenstress. Wenn ich privat eine Einladung mache – was selten vorkommt –, dann gibt es eine Käseplatte. Ich mache auch Pellkartoffeln, dazu Quark. Gerauchte Schinkenwurst kommt auch immer gut.
Sie reden wie mein Mann! Der sagt auch immer: mach’ nicht so einen Stress.
Man hat zu sehr das Kochen im Auge und nicht die Gäste. Es geht doch ums Gespräch! Wenn es Fleisch sein muss, kaufen Sie doch bei einem guten Metzger ein Kilo fertigen Braten. Den kann man auch kalt aufschneiden, und der Kittel ist geflickt.
Hm.
Wenn Sie zeigen wollen, was Sie können, dann machen Sie ein Gemüsegericht. Damit kann man mehr Vielfalt zeigen als mit Fleisch. Statt Braten macht man einen Eintopf mit saisonalen Zutaten. Aber nicht diesen Eintopf aus dem letzten Weltkrieg, sondern einen modernen Pot au Feu, wie ich ihn in meinem Buch beschreibe. Das darf kein Mampf sein. Wobei – ein paar Zutaten dürfen schon matschig werden. Aubergine al dente ist einfach ein Graus.
Kraut und Rüben, Artischocken und Spargel schonen auch den Geldbeutel.
Total. Ich mache im Fernsehen Gerichte, die kosten selten mehr als fünf Euro für zwei Leute. Wenn es teurer wird, ist meistens Fleisch im Spiel. Ich brate zum Beispiel zwei Portionen Rösti , mit einer Scheibe Bergkäse dazwischen, sodass man es anschneiden kann wie einen Kuchen. Dazu gibt es Kopfsalat und man ist für vier Personen mit acht Euro voll am Start.
Ihre Zutatenliste ist übersichtlich: Butter, Olivenöl, Zwiebeln, Knoblauch, Kräuter, Eigelb, Sahne, Wein, Pfeffer, Salz. Wollen Sie nicht mal was Raffinierteres machen?
Ich sage Ihnen: der Rest ist Gedöns und Gaumenkitzel. Das kann man sich zwar auch mal antun. Und es gibt natürlich auch viele junge Köche, die zeigen wollen, wie toll sie sind. Das habe ich früher auch gemacht. Dann nimmst du ein möglichst kompliziertes Rezept, dass die Hausfrau beeindruckt ist. Aber irgendwann ist man darüber hinaus. Klar, kann man immer noch eine Spur Kardamom dazu tun, ein Blättchen Basilikum, Safran und eine Tongabohne. Dann hat man gleich zehn Zutaten mehr. Aber das Ergebnis ist auch nicht witziger. Bei Gemüse soll man nicht so viel herumdoktern.
Was Sie total verschweigen, ist allerdings die viele Arbeit, die man mit dem Putzen und Kleinschneiden hat. Und Rote Beete und Karotten verfärben einem auf Tage hinaus die Finger!
Mag sein. Aber was muss ich denn so viel schnippeln? Das ist doch gar nicht nötig. Es hat sich leider eingebürgert, dass zum Beispiel eine Ratatouille aus erbsengroßen Stücken bestehen muss. Traditionell in der Provence sind das aber walnussgroße Stücke. Da gibt es gewisse Entwicklungen, die mir nicht gefallen. Ein großer Teil der Küche ist die Küche der Foodstylisten. Das hat ja mit dem Koch meistens gar nichts zu tun. Die Fotografen wursteln an einem Bild einen halben Tag herum. Und dann soll man das selber zu Hause auch so hinbringen? Das ist ja völliger Irrsinn.