Einem neuen Gutachten zufolge soll der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus knapp 780 Millionen Euro zu viel für die EnBW-Anteile bezahlt haben. Die CDU ist bestürzt.

Einem neuen Gutachten zufolge soll der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus knapp 780 Millionen Euro zu viel für die EnBW-Anteile bezahlt haben. Die CDU ist bestürzt.

 

Stuttgart - Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat nach einem neuen Gutachten für die EnBW-Anteile knapp 780 Millionen Euro zu viel bezahlt. Dieses Ergebnis einer von ihr in Auftrag gegebenen Expertise teilte die Staatsanwaltschaft Stuttgart am Donnerstag mit. Mappus, gegen den die Behörde wegen Untreue zulasten des Landes beim EnBW-Deal ermittelt, stellte die Qualität des Gutachtens umgehend infrage. In „einer Reihe von Punkten“ werde es den Anforderungen an ein neutrales Gutachten nicht gerecht, teilten er und seine Anwälte mit.

Die Staatsanwaltschaft will das Gutachten in ihre strafrechtliche Beurteilung einbeziehen. Um den Straftatbestand der Untreue zu erfüllen, müsste Mappus nicht nur der Vermögensschaden nachgewiesen werden, sondern auch, dass er ihn mit Vorsatz herbeigeführt oder zumindest in Kauf genommen hat.

Mappus hatte stets betont, ausschließlich im Interesse Baden-Württembergs gehandelt zu haben. Ende 2010 hatte das Land unter seiner Führung der französischen EdF 4,7 Milliarden Euro für ein Aktien-Paket von 45 Prozent am Karlsruher Versorger EnBW gezahlt.

Die grün-rote Koalition sieht ihre Zweifel an einem angemessenen Kaufpreis für die EnBW-Aktien durch das neue Gutachten untermauert. Das Land klagt vor einem Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer auf Rückzahlung von 834 Millionen Euro.

Finanzminister Nils Schmid (SPD) freute sich über „Rückenwind“ für das Verfahren: „Wir sind es den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern von Baden-Württemberg schuldig, das von der Vorgängerregierung zu viel gezahlte Geld zurückholen.“ Die CDU müsse ihre Polemik gegen die Klage einstellen und sie konstruktiv begleiten.

CDU zeigt sich "bestürzt"

Die Christdemokraten zeigten sich „bestürzt“ vom Ergebnis des Gutachtens. Damit erscheine ihm auch die Schiedsklage in einem neuen Licht, räumte CDU-Obmann im EnBW-Untersuchungsausschuss, Alexander Throm, ein. Er sehe großen Erklärungsbedarf bei den Beratern von Mappus, den Fachleuten der Investmentbank Morgan Stanley und der Kanzlei Gleiss Lutz; sie hätten das Vorgehen, die Preisfindung und die Angemessenheit des Preise vorgegeben. Eine Zivilklage wegen gravierender Pflichtverletzung der Berater sei nicht auszuschließen.

Der Münchner Finanzwissenschaftler Wolfgang Ballwieser kam laut Anklagebehörde zu dem Schluss, dass der EnBW-Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Kaufs einem Aktienpreis von 34,58 Euro entsprochen habe. Das Land gab aber 41,50 Euro pro Aktie aus. Daraus ergibt sich die Differenz von 778,6 Millionen Euro. Wann die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen beendet, ist nach Angaben einer Sprecherin noch nicht absehbar.

Grüne, SPD und CDU verwiesen darauf, dass Ballwieser der bislang einzige Gutachter gewesen sei, der Einblick in unternehmensinterne Daten der EnBW bekommen habe. „Wir nehmen das Gutachten sehr ernst“, sagte Throm. Grünen-Obmann Uli Sckerl betonte, Ballwieser habe gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dem Maßstab „Im Zweifel für den Angeklagten“ folgen müssen. „Das unterstreicht die Aussagekraft des Ergebnisses.“

Von der CDU erwarte er mehr als nur Bestürzung, nämlich eine Erklärung ihrer Blockadehaltung gegenüber den Bürgern, sagte Sckerl. Diese habe dazu geführt, dass die CDU Fehler in der Affäre immer nur zugebe, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehe.

Nach Ansicht des SPD-Obmanns Sascha Binder zeigt das Gutachten die wirtschaftliche Inkompetenz der CDU. Sie habe mit dem „Deal um jeden Preis“ dem Land immensen Schaden zugefügt. Mappus habe sich einmal damit gebrüstet, jede schwäbische Hausfrau hätte das Geschäft genauso durchgezogen. Binder: „Nun wissen wir, dass jede schwäbische Hausfrau besser mit Geld umgehen kann, als die damalige CDU-Landesregierung.“

Ein Untersuchungsausschuss des Landtags beschäftigt sich seit fast zwei Jahren mit der Frage, ob zu viel für die Anteile bezahlt worden ist. Wegen des neuen Gutachtens und Akten, die bei der EdF und bei der Investmentbank Morgan Stanley in Paris beschlagnahmt wurden, wird das Gremium seine Arbeit im kommenden Jahr fortsetzen. Ballwieser wird voraussichtlich auch als Sachverständiger geladen.

Seine Arbeit rügten die Anwälte des Beraters beim EnBW-Deal, Investmentbanker Dirk Notheis, scharf. Sie sei „einseitig, fehlerhaft und methodisch unzureichend“. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Notheis wegen der Beihilfe zur Untreue bei der EnBW-Transaktion.