Die Landesregierung hat ein neues Jagdgesetz auf den Weg gebracht. Nach heftigen Protesten der mehr als 30 000 Jäger im Land steckt das Werk nun voller Kompromisse. Was aber bedeutet die Novelle für Wildschwein & Co?

Stuttgart - Der Konflikt mit der Jäger-Lobby ist Regierungschef Winfried Kretschmann und seinem Fachminister Alexander Bonde (beide Grüne) offenkundig tief in die Knochen gefahren. Verwundungen blieben nicht aus. Nur so ist Kretschmanns einfühlsamer, an seinen Minister für den ländlichen Raum gerichteter Zuspruch zu verstehen, Bonde habe in den zurückliegenden Auseinandersetzungen „eine dicke Weste“ benötigt, „für die Pfeile, die aus verschiedenen Richtungen getroffen haben“. Denn nicht nur die Jäger, auch die Natur- und Tierschützer haben der Regierung zugesetzt.

 

Den Jägern – mehr 30 000 im Südwesten – gingen die Vorstellungen des Landes zu weit, den Natur- und Tierschützer nicht weit genug. Heraus kam, so Kretschmann, ein „klassischer Kompromiss“, der „keinen so richtig glücklich macht“. Für diesen Kompromiss aber wollen er und Bonde nun werben, denn wie anders könne man „die Gesellschaft zusammenhalten bei so emotionalen Themen“. Bonde ergänzte: „Ich wünsche mir Abrüstung auf allen Seiten.“

Verbot der Totschlagfallen

Der Entwurf des neuen Jagd- und Wildmanagementgesetzes verbietet künftig Totschlagfallen, weil sie dazu führen könnten, dass Tiere stundenlangen Qualen ausgesetzt sind. Außerdem dürfen künftig keine streunenden Hunde und Katzen umstandslos abgeschossen werden. Die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender berichtete, Jäger gäben bei Abschüssen von streng geschützten Wildkatzen „immer wieder an, diese mit streunenden Hauskatzen und wildernden Hunden verwechselt“ zu haben.

Außerdem wird die Wildfütterung eingeschränkt. Sie ist nur noch in Ausnahmefällen erlaubt. „In der Regel braucht das Wild bei uns keine Fütterung“, sagte Bonde. Diese Regelung zählen die Naturschutzverbände zu den „wichtigsten Fortschritten“ im neuen Gesetz. „Wild muss wild leben“, sagte Andre Baumann, der Landesvorsitzende des Naturschutzbunds. Durch die Fütterung würden Wildbestände künstlich aufgebaut, was zu großen Schäden im Ökosystem Wald führe. „Die nächste Baumgeneration von Buchen und Tannen ist zu schade, um im Pansen von Reh und Hirsch zu enden.“

Umstrittener 200-Meter-Streifen

Besonders heftig umstritten war die Wildruhe im Wald. Der Gesetzentwurf sieht eine allgemeine Jagdruhezeit von Anfang März bis Ende April vor, also lediglich zwei Monate. „In dieser Zeit kann sich das Wild erholen“, sagte Bonde. Dennoch sollen unter Einschränkungen auch in dieser Zeit Wildschweine gejagt werden können – und zwar auf Feldern und am Waldrand. Laut Gesetzentwurf darf auf das Schwarzwild innerhalb eines 200 Meter breiten Streifens geschossen werden. Da stellt sich natürlich die Frage, wie der durch den Wald streifende Jäger denn feststellen könne, wie tief er sich in demselben befindet.

Mit einem Maßband? Ein Einwand, mit dem sich Kretschmann wie auch Bonde wohl schon häufiger konfrontiert sahen. Denn Bonde präsentierte auf der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung am Dienstag ein Foto im DIN-A-4-Format, auf dem ein Jagdstand zu sehen war. Jäger lauerten den Schwarzwild gewöhnlich gut versteckt in ihren Jägersitzen auf, erklärte Bonde. Und deren Standort sei relativ exakt zu orten. Zudem betrage die mittlere Schussweite knapp 50 Meter. Berücksichtige man weiter, dass die meisten Jägerstände am Waldrand lokalisiert seien, so erhelle sich, dass die neue Regelung keineswegs unpraktikabel sei. Allerdings ergibt sich aus ihr, dass Wildschweine auch forthin ganzjährig unter Beschuss stehen werden. Wenigstens kann das Schwarzwild davon ausgehen, dass es vom Jahr 2016 nur noch bleifrei bejagt wird, sofern es sich im Staatswald aufhält. Zudem regelt der Gesetzentwurf im „Schalenmodell“, ob und in welchem Umfang eine Tierart – je nach Schutzstufe – bejagt werden darf.

Sind die Jäger nun zufrieden? Der Landesjagdverband sprach in seiner Stellungnahme von Kompromissen, „mit denen man leben kann“. Um einen „mitreißenden Aufbruch“ aber handle es sich keineswegs. Besonders kritisch sehen die Jäger die Wildruhezeit im März und April. Landesjägermeister Jörg Friedmann wies darauf hin, dass Wildschweine ein Vermehrungspotenzial bis zu 300 Prozent im Jahr aufwiesen. Zur Vorbeugung gegen einen möglichen Ausbruch der Schweinepest bedürfe es daher einer „konsequenten Bejagung zu allen Jahreszeiten.“