Das Herrenberger Naturfreibad ist ein Besuchermagnet. Doch die Wassertrübung sieht eine frühere Rettungsschwimmerin als Gefahrenquelle. Andere sehen darin kein Risiko.

Herrenberg - Es ist das erste Naturfreibad im Landkreis Böblingen – und bei den Besuchern von Anfang an ein Erfolg: seit der Eröffnung Mitte Mai haben bereits mehr als 50 000 Besucher Abkühlung in den Becken gesucht. Zum Vergleich: das alte Freibad, das noch aus den 1930er Jahren stammte und im vergangenen Herbst geschlossen wurde, hatten in der gesamten vergangenen Saison nur rund 27 000 Menschen besucht. Das neue Bad punktet auch mit der biologischen Wasseraufbereitung mithilfe von Pflanzen und ohne Chlor.

 

Doch nicht alle sind von dem neuen Bad begeistert. Brigitte Weiler aus dem Herrenberger Stadtteil Oberjesingen beispielsweise sieht in der Einrichtung ein Sicherheitsrisiko. Die 63-Jährige hat in jungen Jahren als Rettungsschwimmerin gearbeitet. Sie stört vor allem die Wassertrübung im Herrenberger Naturbad. Bei einem Notfall könnte das die Bemühungen der Rettungsschwimmer erschweren, befürchtet Weiler. „Wenn jemand beispielsweise vom Fünf-Meter-Brett ins Wasser springt und nicht wieder auftaucht, kann es lange dauern, bis er gefunden wird“, sagt Weiler.

Einkaufswägen als Gefahr im Sprungbecken

Das Becken unter dem Sprungturm ist 3,80 Meter tief. „An Tagen mit besonders großem Besucherandrang kann es vorkommen, dass man hier nicht bis zum Beckenboden sieht“, sagt Florian Müller, der Leiter der Herrenberger Stadtwerke, der Badbetreiberin. „Das sind vereinzelte Spitzen.“ Im Nichtschwimmer- und im Schwimmerbereich, in dem das Wasser nur 1,80 Meter tief ist, träte dieses Problem nicht auf.

Trübes Wasser im Freibad könne in Notfällen durchaus problematisch sein, sagt Hans-Peter Eckstein, der Pressereferent des Landesverbandes Württemberg der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Die DLRG stellt nicht nur in vielen Freibädern wie im Herrenberger Naturbad, sondern auch an Badeseen und an der Meeresküste die Rettungsschwimmer. „Wenn im Freibad jemand unbemerkt abtaucht, kann durch das längere Suchen eine Zeitverzögerung entstehen“, sagt Eckstein. Allerdings seien die DLRG-Mitglieder gut ausgebildet und auch auf solche Situationen vorbereitet. Eckstein hält deshalb vor allem genügend Aufsichtspersonen am Sprungturm für wichtig. „Außerdem muss man morgens natürlich kontrollieren, ob nicht jemand über Nacht einen Einkaufswagen oder eine andere Gefahrenquelle im Sprungbecken versenkt hat“, sagt er.

Trübes Waser gibt es auch in Badeseen

Auch Achim Weise vom DLRG-Bundesverband sieht Naturbäder nicht als besondere Gefahrenquelle für Schwimmer. „Schließlich ist das Wasser in Badeseen oder im Meer auch nicht glasklar“, erklärt der Pressesprecher. „Aber Rettungsschwimmer werden für Notfälle unter solchen Bedingungen ausgebildet.“ Bundesweit seien ihm keine Klagen von DLRG-Mitgliedern über die Arbeitsbedingungen in der zunehmenden Zahl von Naturfreibädern bekannt.

Auch im Herrenberger Freibad selber sei die Sicherheit der Badegäste ein wichtiges Thema, berichtet der Stadtwerke-Chef Florian Müller: „Die Schwimmbad-Mitarbeiter beobachten die Sichttiefe permanent.“ Wenn die Sicht unter dem Sprungturm getrübt sei, müsse der Schwimmmeister entscheiden, ob die Badegäste weiterhin hinaufklettern und runterspringen dürften, betont Müller. „Bislang haben wir in solchen Fällen die Aufsicht verstärkt und parallel dazu die Reinigung des Wassers intensiviert.“ Um wieder für mehr Klarheit zu sorgen, würde das Wasser dann schneller durch die Pflanzen- und Sedimentsschichten gewälzt, die für die Reinigung des Wassers verantwortlich sind. Zusätzlich kann auch frisches Wasser ins Becken geleitet werden.

Wenn man nichts mehr sieht, muss Freibad schließen

Für die Kontrolle der Wasserqualität ist neben den Stadtwerken das Gesundheitsamt des Böblinger Landratsamtes zuständig. Zusätzlich entnimmt das Hamburger Analyse-Institut Eurofins regelmäßig Proben und prüft die Wassertrübung. Was die Sichttiefe in Naturfreibädern betrifft, gebe es mehrere Vorgaben, erklärt Müller. Eine Richtlinie der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL), die Standards für grüne Branchen entwickelt, schreibt eine Sichttiefe bis zum Grund vor. Das Umweltbundesamt hingegen empfiehlt, dass man mindestens bis zu einer Tiefe von einem Meter unter der Wasseroberfläche sehen können sollte. „Falls die Sichttiefe tatsächlich einmal unter diesen Wert sinken sollte, müssten wir das Naturfreibad vorübergehend schließen“, sagt der Stadtwerke-Chef Florian Müller.