Der SC Freiburg möchte ein neues Fußballstadion. Nun wird in der Stadt ein Standort gesucht. Natürlich ist die ausgesuchte Alternative umstritten. Die meisten der Gemeinderatsfraktionen plädieren für einen Bürgerentscheid.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Das Wahlvolk soll entscheiden, ob der Bundesligist SC Freiburg im Freiburger Westen ein neues Stadion bauen darf. Schon vor der Sondersitzung des Ältestenrats der Fraktionsvorstände am Mittwoch haben sich CDU, SPD, die Unabhängigen Listen, die Freien Wähler und die Grün-Alternative Liste für einen Bürgerentscheid ausgesprochen. Nur die FDP und die Grünen zögern noch. Die Frage ist freilich: Wie lautet die Frage? Sie muss mit Ja oder Nein beantwortet werden können und darf sich nicht auf Bauleitplanung und Bebauungsplan beziehen.

 

Abgestimmt werden könnte aber darüber, ob die Stadt Freiburg eine Bürgschaft gibt oder nicht. „Aber dazu müssen wir bei den Untersuchungen weiter sein als jetzt“, erklärt Walter Preker, Sprecher des Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon (Grüne). Und ein Finanzierungskonzept müsste vorliegen. Den Kritikern sind die Vorplanungen nach dem Aufstellungsbeschluss des Gemeinderates freilich schon zu weit gediehen. Sie sehen eine Vorfestlegung auf einen einzigen Standort: den sogenannten Wolfswinkel, ein Gewann, 500 Meter neben dem Wohnquartier Mooswald auf dem Gelände des kleinen Freiburger Flugplatzes. „Es gibt keinen besseren, es wird an jeden Standort Proteste geben“, seufzte der Oberbürgermeister auf einer Pressekonferenz. Einen „Plan B“ habe er nicht.

Der Präsident will ein größeres Stadion

Der erste Eindruck legt nahe, dass dort, wo im September 2011 Papst Benedikt XVI. einen Massengottesdienst abhielt, genug Platz ist. Auch dürften weitaus weniger Anwohner durch Jubelschreie, Dudelmusik und Verkehrsströme belästigt werden als im jetzigen Stadion an der Dreisam, das im Wohngebiet eingeklemmt ist und dessen neuer Ausbau teurer sei als ein Neubau. SC-Präsident Fritz Keller versäumt keine Gelegenheit zu betonen, dass ein größeres Stadion mit 34 000 statt jetzt 24 000 Plätzen und neuer Ausstattung notwendig sei, wenn der Verein langfristig wettbewerbsfähig bleiben solle. Über die Kosten kann nur spekuliert werden. Es kursieren Zahlen zwischen 60 und 120 Millionen Euro.

„Aber der Wolfswinkel ist kein geeigneter Standort“, sagt Kristian Raue von der Bürgerinitiative. „Wir sind keine Stadiongegner“, betont der Chef einer Freiburger Softwarefirma, „wir haben nichts gegen ein neues Fußballstadion.“ Aber der Proficlub soll es aus eigener Tasche zahlen und nicht die Allgemeinheit zum Mitfinanzier machen, solange noch Kitas fehlen und Schulen nicht saniert sind. Es könne auch nicht sein, dass die Stadt Freiburg – entweder durch günstige Grundstücke oder eine Bürgschaft – ein einzelnes Unternehmen privilegiere, und das sei der Proficlub ja wohl eindeutig.

Lärmbelästigung befürchtet

Es gibt weitere Einwände: Beim Lärmgutachten habe die Stadtverwaltung Einfluss genommen, so dass aus dem reinen und „ruhigen“ jetzt ein „allgemeines“ Wohngebiet mit „Gemengelage“ und damit geringerer Lärmtoleranz geworden sei. Arten- und Naturschutz ließen einen Neubau nur unter äußerst großzügiger Auslegung und Ausnahmen zu. Der Klimaschutz gebiete, dass eine innerstädtische „grüne Lunge“ nicht tangiert werden dürfe. Eine Bürgerbeteiligung seien die Versammlungen zum Thema mit der gesamten Verwaltungsspitze nicht gewesen, sondern ein lediglich eine Bürgerinformation unter dem Motto: Wir haben beschlossen – und ihr müsst glauben, was euch erzählt wird. Eine vom Sportclub bei Emnid in Auftrag gegebene Umfrage sei so tendenziös formuliert worden, dass sie ohne Aussagekraft sei.

Es gehe derzeit nur um eine Vorprüfung, ob es K.-o.-Kriterien gebe, die eine weitere Planung verbieten, beschwichtigt OB-Sprecher Preker. Solche Ausschlussgründe habe man aber nicht gefunden. Sollte der Gemeinderat am 25. Februar beschließen, das Verfahren für den Bebauungsplan weiter zu betreiben, werde erneut Argument für Argument „vertieft geprüft“. Und erst am Ende könne dann gefragt werden, ob – oder ob nicht – gebaut werden kann. „Wir wollen keine Abstimmung über den Standort, sondern darüber, ob sich die Stadt überhaupt an einem Stadionbau beteiligt“, fordert Kristian Raue.

Rechtzeitig zum Kommunalwahlkampf

Der Kampf um die Meinungshoheit wird auch vom bevorstehenden Kommunalwahlkampf beeinflusst. Eine neue Liste mit dem Namen „Lebenswert“, gut- und wutbürgerlich geprägt, mit bekannten Protagonisten auch aus dem Mooswald-Quartier, tritt an. Als eine Art bürgerliche Piratenpartei hat „Lebenswert“ nach eigener Wahrnehmung die Etablierten jetzt zur Flucht nach vorn in den Bürgerentscheid getrieben. Ein riskantes Spiel für alle: von den vier bisherigen Bürgerentscheiden hat nur einer die Mindestwahlbeteiligung und eine eindeutige Entscheidung geschafft: Salomons Versuch, die städtischen Wohnungen zu verkaufen, wurde 2006 mit 70 gegen 30 Prozent abgeschmettert.

Es gab auch schon einen Bürgerentscheid über den Flugplatz, dessen Betreiber und Nutzer ebenfalls gegen das Stadion im Wolfswinkel sind. 1995 waren 71 Prozent für den Erhalt des Flugplatzes, der Gemeinderat bestätigte die Entscheidung. „Diese heiße Herdplatte“ wollte er nicht anfassen, sagte OB Salomon einmal. Auch wenn die Stadt inständig betont, der Flugverkehr werde überhaupt nicht tangiert – der absehbare Bürgerentscheid wird auf alle Fälle wieder heiß werden.