Videospiel-Entwickler haben es hierzulande schwer. Das Ludwigsburger Team des Studios Fizbin hat dennoch Erfolg – und schafft mit seiner neuen Produktion „Der letzte Windmönch“ den Spagat zwischen Unterhaltung und nachdenklicher Satire.

Ludwigsburg - Asposien ist in Gefahr. Dem Land geht die Luft aus, und zwar nicht nur sprichwörtlich. Die Asposer wohnen in einem gigantischen Hohlraum tief unter der Erde; sogenannte Windbrunnen pumpen lebenswichtige Frischluft in ihr Reich. Um die Verteilung von Wind und Licht kümmern sich im Geheimen die Flötennasen, eines der Völker des Landes. Doch diesen wichtigen Job können die Wesen mit den karottenförmigen Riechkolben, aus denen wirklich Töne kommen, nun nicht mehr erledigen. Schuld an ihrer luftlogistischen Handlungsunfähigkeit ist der Krämer Emil. Er schwingt sich zum Tyrannen auf, verpasst den Flötennasen das Etikett „Sündenbock“ – und hetzt ihnen seine Leute auf den Hals.

 

Um diese skurrile Geschichte geht es im Videospiel „The inner world: The last windmonk“, auf Deutsch: „Die innere Welt: der letzte Windmönch“. Das Spiel kommt aus dem Ludwigsburger Entwicklerstudio Fizbin. Etwa drei Jahre lang hat die Indie-Spieleschmiede am „Letzten Windmönch“ gearbeitet, es ist der zweite „Inner-world“-Teil. Am 20. Oktober erscheint die Fortsetzung für fast alle gängigen Videospiel-Plattformen.

Der erste Teil hat sich rund 300 000-mal verkauft

„Die breite Streuung ist für kleinere Titel überlebensnotwendig“, sagt Tobias Frisch, Executive Producer bei Fizbin. Frisch ist 31 Jahre alt, ein gut gelaunter junger Mann, der „Star Wars“ liebt und, natürlich, Videospiele. Er wechselt problemlos zwischen den Rollen als Fan und als Leiter der wirtschaftlichen Geschäftsführung. Rund 300 000-mal habe sich der erste Teil verkauft, erzählt er. „Etwa 20 Mitarbeiter, externe und interne, haben am letzten ‚Windmönch’ gearbeitet.“

Das Team hat ein Spiel geschaffen, das auf mehreren Ebenen funktioniert. Zunächst einmal ist es ein klassisches Point’n’Click-Adventure, beeinflusst von Videospiel-Klassikern wie das ehrwürdige Piraten-Abenteuer „Monkey Island“ oder die Zeitreise-Satire „Day of the Tentacle“.

Es gilt den legendären Windmönch zu finden

Der ehemalige Hofmusiker Robert, die Diebin Laura und die Taube Hack sind die Helden der Geschichte, sie müssen den legendären letzten Windmönch finden, um Asposien zu retten. Die Geschichte hat einen „Steampunk“-Einschlag, Auch Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ lässt grüßen. Eine Stärke der „Inner-world“-Reihe ist zudem das Artwork: Hübsch absurd und liebevoll gezeichnet sind die Schauplätze, erwachsen und verspielt zugleich. Fans von Animationsserien wie „Adventure Time“ fühlen sich gleich wohl.

„The last windmonk“ ist ein humoriges Spiel. Das sagt auch Tobias Frisch: „Wir wollen unterhalten.“ Dennoch gibt es Momente, in denen die Grenze zu dunkler, auch trauriger Satire überschritten wird. Momente, in denen dem Spieler das Lachen im Halse stecken bleibt, und in denen das absurde Setting und seine teilweise abstrakten Figuren mit Wucht den Finger in reale gesellschaftliche Wunden legen. Mehr noch als Teil eins ist der zweite „Inner-world“-Teil eine Fabel, in der es um das Wesen von Menschen und Gesellschaften geht. Bösewicht Emils Regime trägt faschistoide Züge, teilweise überzeichnet das Spiel stark – beispielsweise tragen die Schergen des Krämers in Anlehnung an das Hakenkreuz eine schwarze Brezel auf rot-weißem Hintergrund. Der Spielhintergrund behandelt den Hass auf Minderheiten sowie die Verführbarkeit von Massen und dreht sich auch darum, dass komplexen Fragen selten einfache Antworten folgen können und dürfen.

Computerspiele spiegeln gesellschaftliche Entwicklungen

Tobias Frisch selbst spielt auch gerne „Diablo“ und „The Witcher“, beides Blockbuster-Spiele, die Budgets haben wie Hollywood-Filme und sich millionenfach verkaufen. Wie Filme sind Computerspiele aber nicht nur Unterhaltung, sondern auch Kunst. Sie spiegeln gesellschaftliche Entwicklungen wider, auch wenn sie in den Feuilletons oft nicht ankommen.

Wirtschaftlich wie kulturell tut sich der produktionsseitige Teil der Branche ohnehin schwer damit, in Deutschland Fuß zu fassen. Zwar hat Bundeskanzlerin Angela Merkel im August medienwirksam die „Gamescom“ eröffnet, die wichtigste europäische Messe für Computerspiele. Dennoch ist Deutschland in Sachen Spieleproduktion ein Entwicklungsland.

Eine bundesdeutsche Förderung gibt es nicht, nur rar gesäte Landesmittel. Fizbin hatte hier Glück: Möglich sei die „Inner-world“-Produktion nur gewesen dank der baden-württembergischen Film- und Medienförderung, sagt Frisch. 100 000 Euro gab es als Anschub, berichtet er.

Urspünglich ein Projekt an der Filmakademie

„Inner world“ Teil eins wurde ein Erfolg, und damit wurde aus dem Projekt dreier Studenten der Ludwigsburger Filmakademie ein Studio, das inzwischen einen Ableger in Berlin und zwölf festangestellte Mitarbeiter hat. Eine davon ist Sophie Herrmann, 23 Jahre alt und Junior Artist im Haus. Die junge Frau ist auf das Illustrieren von Gegenständen spezialisiert. „Ich bin sehr froh über meine Stelle“, sagt sie. Denn Jobs in der deutschen Spieleentwicklungsbranche seien rar.

Laut dem Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware gaben die Deutschen zwar im vorigen Jahr rund zwei Milliarden Euro für Videospiele an Handy, Konsole und PC aus. Nur 128 Millionen Euro gingen davon aber an deutsche Entwickler, das entspricht 6,4 Prozent. Arbeitsplätze in der Games-Industrie sind entsprechend eher in Asien oder den USA angesiedelt.

„In Deutschland würde eigentlich noch viel mehr gehen“, ist Frisch überzeugt. Zunächst einmal muss er aber nun Marketing und Vertrieb des „Letzten Windmönches“ aussteuern. Ein Flop darf das Spiel nicht werden – sonst wäre nicht nur Asposien in Gefahr, auch Fizbin ist auf gute Zahlen angewiesen. Doch die Chancen für einen erfolgreichen zweiten Teil stehen gut. „Inner world“ eins hat immerhin im Jahr 2013 den renommierten deutschen Computerspielpreis gewonnen.